VwGH 95/18/1167

VwGH95/18/116724.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. März 1995, Zl. SD 432/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. März 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Nachdem die belangte Behörde einleitend die Gründe des Bescheides der Behörde erster Instanz auch für den angefochtenen Bescheid als maßgeblich erachtete, stellte sie fest, daß der Beschwerdeführer am 31. Mai 1994 von "Beamten des Landesarbeitsamtes Wien" bei einer Beschäftigung als Pizzakoch in einer namentlich genannten Pizzeria betreten worden sei, ohne im Besitz einer entsprechenden Bewilligung zu sein. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG sei daher ebenso erfüllt wie - im Hinblick auf die Bedeutung einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Dabei sei es bedeutungslos, daß der Beschwerdeführer bei einer früheren Kontrolle in derselben Pizzeria nicht bei einer unerlaubten Beschäftigung angetroffen worden sei und daß er - entgegen dem Inhalt der Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides - weiterhin (auch) einer Beschäftigung als Werbemittelverteiler nachgehe. Dem in der Berufung erhobenen Einwand, das "Arbeitsamt" führe kein Verfahren gegen den Beschwerdeführer durch, komme schon deshalb keine Relevanz zu, weil die Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung für den Fremden keinen strafbaren Tatbestand darstelle.

Daß der Beschwerdeführer seit Ende 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei und sein Bruder in Wien - allerdings nicht im selben Haushalt - lebe, bewirke noch keinen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Abgesehen davon sei der Eingriff zur Verteidigung der öffentlichen Ordnung, hier einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung, dringend geboten und daher (im Grunde des § 19 FrG) zulässig. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers seien keineswegs so beträchtlich wie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 13. Juni 1995, B 1527/95-3).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Mit dem Vorbringen, dem Beschwerdeführer sei keine Gelegenheit gegeben worden, Fragen zum "Sachkomplex" seiner unerlaubten Beschäftigung zu beantworten, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung der Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs. Dies zu Unrecht, hatte er doch Gelegenheit, in der Berufung zum bereits im Bescheid der Behörde erster Instanz enthaltenen Vorwurf, er sei (von den in § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG genannten Organen) bei einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen, Stellung zu nehmen.

1.2. Dem Beschwerdeeinwand, die Angaben des Beschwerdeführers seien weder in erster noch in zweiter Instanz einer behördlichen Überprüfung unterzogen worden, ist schon deshalb der Boden entzogen, weil der Beschwerdeführer zur hier wesentlichen Frage der Betretung bei der "Schwarzarbeit" am 31. Mai 1994 im Verwaltungsverfahren kein Vorbringen erstattet hat.

1.3. Die weitere Verfahrensrüge, der Beschwerdeführer sei in Verletzung der Manuduktionspflicht nicht darüber belehrt worden, daß es ihm freistehe, sein Vorbringen durch Namhaftmachung von Zeugen zu untermauern, geht ebenfalls schon deshalb ins Leere, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein entscheidungsrelevantes Vorbringen erstattet hat.

2.1. Die Behörde erster Instanz hat festgestellt, daß der Beschwerdeführer bei seiner Betretung am 31. Mai 1994 seit einer Woche als Pizzakoch (entgeltlich) gearbeitet habe. Sie hat die Angaben des als Zeugen vernommenen "Lokalbesitzers", er werde den Beschwerdeführer "an der GesmbH beteiligen oder ihm das Geschäft verkaufen" und der Beschwerdeführer habe eine Woche unentgeltlich gearbeitet, als unglaubwürdig erachtet. Diese - von der belangten Behörde durch den Einleitungssatz des angefochtenen Bescheides übernommene - Beweiswürdigung ist schon im Hinblick auf die allgemeine Lebenserfahrung, wonach eine durch eine Woche in einem Gewerbebetrieb geleistete Arbeit - auch von jemandem, der sich für den Kauf des Unternehmens interessiert - nicht unentgeltlich erbracht wird, keineswegs unschlüssig und begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 548 ff, zitierte hg. Rechtsprechung) keinen Bedenken.

Auf Grundlage dieser sohin unbedenklichen Sachverhaltsannahme im angefochtenen Bescheid bestehen gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG verwirklicht sei, keine Bedenken.

2.2. Die - im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, Zl. 95/18/1189) unbedenkliche - Rechtsansicht der belangten Behörde, daß das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, wird in der Beschwerde nicht bekämpft.

3.1. Die belangte Behörde hat ausgeführt, daß unter der Annahme eines - hier schon aufgrund des mehr als dreijährigen rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes und der Beschäftigung des Beschwerdeführers als Werbemittelverteiler gegebenen - relevanten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier: zur Wahrnung eines geordneten Arbeitsmarktes) dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig sei. Diese Einschätzung begegnet im Hinblick auf das - wie dargestellt - große öffentliche Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" keinen Bedenken.

3.2. Der Ansicht der belangten Behörde, daß dem inländischen Aufenthalt des Bruders des Beschwerdeführers, der mit diesem nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, keine Bedeutung zukomme, ist zuzustimmen, weil die Beziehungen eines (volljährigen) Fremden zu seinen Geschwistern nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vom Schutzumfang des § 20 Abs. 1 FrG nur dann erfaßt werden, wenn zu der verwandtschaftlichen Beziehung noch das zusätzliche Moment einer tatsächlich bestehenden Hausgemeinschaft hinzutritt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/18/1139). Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß er ungeachtet der getrennten Haushalte eine besonders intensive - dem Bestehen einer Hausgemeinschaft gleichkommende und daher allenfalls im Rahmen des § 20 Abs. 1 FrG zu berücksichtigende - Beziehung zu seinem Bruder habe. Er hat daher die Relevanz der in diesem Zusammenhang als Verfahrensfehler gerügten mangelnden Ermittlungen zur Intensität des Verhältnisses zu seinem Bruder nicht dargetan.

Dem Beschwerdeführer kommt mit Rücksicht auf die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes und das Fehlen einer Haushaltsgemeinschaft mit Familienangehörigen noch kein hoher Grad an Integration zu. Im Hinblick auf die starke Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers kann das Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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