VwGH 95/18/0357

VwGH95/18/035724.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Jänner 1995, Zl. 655.975/7-III/16/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs4;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs4;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 5. Jänner 1995 wurde gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß die Beschwerdeführerin in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Die Beschwerdeführerin sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. April 1994 gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen worden; dieser Bescheid sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1994 bestätigt worden. Bereits mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. August 1992 sei der von der Beschwerdeführerin am 17. Juli 1992 gestellte Asylantrag abgewiesen worden.

In ihrer gegen die aufgrund eines Devolutionsantrages getroffenen Entscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. Juni 1994 betreffend die Feststellung nach § 54 Abs. 1 FrG erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgebracht: Die Erstbehörde wäre auf ihr Vorbringen überhaupt nicht eingegangen. Es träfe nicht zu, daß sie sich ausschließlich auf andere Personen betreffende Vorfälle bezogen hätte. Sie wäre vor ihrer Flucht von unbekannten Männern angehalten und fast vergewaltigt worden. Sie wäre in der Türkei deshalb nicht sicher, weil sie einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehörte. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat hätte sie von staatlicher Seite wie auch von seiten der kurdischen Untergrundkämpfer mit Repressionen zu rechnen. Der erstinstanzliche Bescheid wäre auch deswegen rechtswidrig, weil er von einer rechtlich völlig falschen Lage ausginge. Bei einer Rückkehr in die Türkei drohte ihr Gefahr einerseits aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur christlichen Minderheit, andererseits im Hinblick darauf, daß dort bekannt werden könnte, daß sie in Österreich einen Asylantrag gestellt hätte.

Dazu sei zu erwägen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Anwendung des § 37 Abs. 1 und 2 FrG voraussetze, daß die dort umschriebene Gefahr oder Bedrohung für den Fremden vom Staat ausgehe. Eine Bedrohung, die - ohne Billigung durch staatliche Stellen - nur von Privatpersonen ausgehe, sei nicht geeignet, diese Tatbestände zu erfüllen. Es könnten nur dann Verfolgungen durch bestimmte Bevölkerungsgruppen den Fällen der vom Staat ausgehenden oder von ihm gebilligten Bedrohung gleichgestellt werden, wenn der Heimatstaat des Betroffenen generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage sei, Verfolgungen zu verhindern. In der Türkei sei eine funktionierende Staatsgewalt vorhanden bzw. werde von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, daß dem nicht so sei. Der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Vorfall, wonach sie einer Vergewaltigung durch unbekannte Männer nur durch das helfende Eingreifen von Passanten hätte entkommen können, vermöge eine Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei gemäß § 37 FrG nicht zu begründen, weil - zutreffendenfalls - keine dem Staat zurechenbare Gefahr bzw. Bedrohung vorliege. Was die befürchteten Repressionen sowohl von staatlicher Seite als auch seitens kurdischer Untergrundkämpfer sowie die Behauptung der Beschwerdeführerin anlange, sie wäre ihres Lebens nicht mehr sicher, weil sie einer christlichen Glaubensgemeinschaft angehörte, so sei einzuräumen, daß die Lage der Christen in der Türkei nicht einfach sein möge, die Beschwerdeführerin damit jedoch nicht vorbringe, daß eine gegen sie persönlich gerichtete Bedrohung gegeben sei, die vom Staat ausgehe bzw. diesem zurechenbar sei.

Die belangte Behörde gelange daher zu dem Ergebnis, daß die Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe i.S. des § 37 FrG glaubhaft gemacht habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/1182, mwN).

3.1. In der Beschwerde wiederholt die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihr im Verwaltungsverfahren (Antrag vom 2. November 1993, Berufung vom 30. Juni 1994, Stellungnahme vom 19. September 1994) erstattetes (und in allen relevanten Punkten in der Begründung des bekämpften Bescheides wiedergegebenes; siehe oben I.1.) Vorbringen und vertritt die Meinung, daß sie damit "sehr wohl konkrete, gegen sie gerichtete Gründe angegeben hat".

3.2. Dieser Ansicht vermag der Gerichtshof nicht beizupflichten. Wie dargetan, hat sich die Glaubhaftmachung einer aktuellen Bedrohungssituation i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG auf eine durch staatliche Stellen zumindest gebilligte Bedrohung zu beziehen. Geht nach dem Vorbringen des Fremden die behauptete Gefahr oder Bedrohung i.S. der genannten Bestimmungen nicht vom Staat, sondern - ohne Billigung durch staatliche Stellen - nur von Privatpersonen aus, so kommt eine Verwirklichung der Tatbestände des § 37 Abs. 1 und 2 FrG nicht in Betracht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0082, und vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0731, jeweils mwN). Daß aber die von ihr geltend gemachte Gefahr bzw. Bedrohung vom Staat zumindest gebilligt werde, hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht, ja nicht einmal behauptet. Die behauptetermaßen von ihr zu befürchtenden sexuellen Übergriffe durch "aufständische Kurden", "türkische mohammedanische Staatsbürger", "muslimische Männer" stellt

4. Auch das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe außer acht gelassen, daß vorliegend die Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 FrG nicht gegeben seien, versagt. Diese Bestimmung erfaßt nach ihrem klaren Wortlaut ausschließlich jene Fälle, in denen ein Fremder i.S. des § 37 Abs. 2 leg. cit. bedroht ist (und trotzdem ausnahmsweise seine Abschiebung zulässig ist). Gerade eine solche Bedrohung liegt aber, wie unter II. 3.2. dargelegt, im Beschwerdefall nicht vor.

5. Daß zufolge des § 36 Abs. 2 FrG die Abschiebung eines Fremden auch von Amts wegen aufzuschieben ist, wenn sie unzulässig ist oder unmöglich scheint, ergibt sich ohne Zweifel aus dem Gesetzestext, führt aber im Beschwerdefall nicht weiter, steht doch hier allein die Rechtmäßigkeit der von der belangten Behörde aufgrund eines Antrages der Beschwerdeführerin gemäß § 54 Abs. 1 FrG getroffenen angefochtenen Entscheidung zur Diskussion.

6. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe i.S. des § 37 Abs. 1 und 2 FrG glaubhaft gemacht hat, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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