VwGH 95/11/0406

VwGH95/11/040629.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Dr.med. O in F, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg vom 21. September 1995, Zl. Dr. Wi/Ha, betreffend Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für 1995, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §75 Abs2;
ÄrzteG 1984 §75 Abs3;
ÄrzteG 1984 §77;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Vlbg §20 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Vlbg §20;
VwGG §34 Abs1;
ÄrzteG 1984 §75 Abs2;
ÄrzteG 1984 §75 Abs3;
ÄrzteG 1984 §77;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Vlbg §20 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Vlbg §20;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Ärztekammer für Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg für 1995 mit S 104.087,-- festgesetzt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Beschwerde an die belangte Behörde geltend gemacht, daß im Jahr 1994 ein Verlust von S 7.474,18 entstanden sei, sodaß ein Härtefall vorliege und ein Anspruch auf Nachlaß der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds bestehe. Bei der Ermittlung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds würden nichtselbständige Ärzte und selbständige Ärzte ohne sachliche Begründung unterschiedlich behandelt. Daher müßten "Einnahmen" gemäß § 20 Abs. 4 der Satzung als "Nettoeinnahmen" verstanden werden. Damit seien die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 der Satzung für einen Nachlaß der Beiträge gegeben. Falls unter "Einnahmen" Bruttoeinnahmen zu verstehen seien, seien die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 der Satzung gegeben. Aufgrund seiner Einkommenssituation liege ein Härtefall vor, da seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vor allem im Hinblick auf die hohen Zinsenbelastungen stark eingeschränkt sei.

Nach den Bestimmungen des § 7 der Beitragsordnung und des § 20 der Satzung sei eine Ermäßigung oder ein Nachlaß im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Art der Berufsausübung und die Möglichkeit zur standesgemäßen Lebensführung, ausgenommen den Fall außergewöhnlicher Umstände, nur bei Vorliegen der in den Sonderbestimmungen umschriebenen Sachverhalte möglich. § 1 Abs. 3 der Beitragsordnung lege fest, daß bei freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit unter Einnahmen der Gesamtumsatz ausschließlich der Mehrwertsteuer zu verstehen sei. Bei nachgewiesenen jährlichen Einnahmen bis zu S 211.800,-- liege zufolge § 7 Abs. 4 der Beitragsordnung in Verbindung mit § 20 Abs. 4 der Satzung jedenfalls ein Härtefall im Sinne des Abs. 1 vor und bestehe ein Anspruch auf Nachlaß der Beiträge bis auf den Beitrag zum Notstandsfonds. Nach § 7 Abs. 7 der Beitragsordnung in Verbindung mit § 20 Abs. 2 der Satzung bestehe bei jährlichen Einnahmen zwischen S 635.301,-- und S 953.000,-- ein Anspruch auf dieselbe Einstufung in der Altersversorgung wie angestellte Ärzte. Nach § 7 Abs. 8 der Beitragsordnung in Verbindung mit § 20 Abs. 6 der Satzung könne einem freiberuflich tätigen Kammerangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen der Beitrag für die Zusatzleistung bis zu 90 % ermäßigt werden.

Der Beschwerdeführer habe im Jahr 1994 einen Umsatz von rund S 1,424.000,-- erzielt. Da eine Berücksichtigung der Ausgaben nicht möglich sei und diese nicht durch außergewöhnliche Umstände verursacht worden seien, habe lediglich eine Ermäßigung des Beitrages für die Zusatzleistung nach den zuletzt genannten Bestimmungen erfolgen können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 13. Dezember 1995, B 3557/95-3, ihre Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, gemäß § 77 Ärztegesetz bzw. § 20 der Satzung des Wohlfahrtsfonds für das Jahr 1995 von der Zahlung von Beiträgen an den Wohlfahrtsfonds befreit zu werden. Weiters sei er in seinem Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Entscheidung, ob ein Totalnachlaß der Beiträge gewährt werden soll, auszuübenden Ermessens gemäß § 77 Ärztegesetz bzw. § 20 der Satzung verletzt worden. Ferner erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie nach der Art seiner Berufsausübung gemäß § 75 Abs. 2 Ärztegesetz als verletzt. Schließlich hält sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens nach den §§ 37 ff AVG für verletzt. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 2 Ärztegesetz 1984 (ÄrzteG) ist bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die Art der Berufsausübung der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. Gemäß § 75 Abs. 3 leg. cit. darf die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.

Gemäß § 77 leg. cit. kann die Satzung bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlaß der Fondsbeiträge vorsehen.

§ 20 Abs. 1 bis 6 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung hat folgenden Inhalt:

"§ 20 Ermäßigung der Fondsbeiträge

(1) Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände kann auf Antrag des Mitgliedes nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen sogar ein Nachlaß der Wohlfahrtsfondsbeiträge stattfinden. Die Höhe der Ermäßigung (Nachlaß) richtet sich, soweit das Ermessen der Ärztekammer Platz greifen kann, nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Kammerangehörigen in Zusammenhang mit der Art seiner Berufsausübung und der Möglichkeit zu einer standesgemäßen Lebensführung.

(2) Die ordentlichen Mitglieder des Wohlfahrtsfonds, deren jährliche Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit zwischen S 635.301,-- und S 953.000,-- betragen, haben unter der Bedingung des Vorlegens der vom Verwaltungsausschuß verlangten Unterlagen entsprechend den angestellten Ärzten Anspruch auf dieselbe Einstufung in der Altersversorgung wie angestellte Ärzte (Erfordernisbeitrag zur Grundleistung und Beitrag zur Ergänzungsleistung). Bei nicht ganzjähriger ärztlicher Tätigkeit werden die Einnahmegrenzen entsprechend berechnet.

(3) a) Die ordentlichen Mitglieder des Wohlfahrtsfonds, deren jährliche Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit zwischen

S 423.501,-- und S 635.300,-- betragen, haben unter der Bedingung des Vorlegens der vom Verwaltungsausschuß verlangten Unterlagen einen Anspruch auf Ermäßigung auf zwei Drittel des Erfordernisbeitrages zur Grundleistung. Bei nicht ganzjähriger ärztlicher Tätigkeit werden die Einnahmegrenzen entsprechend berechnet.

b) Die ordentlichen Mitglieder des Wohlfahrtsfonds, deren jährliche Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit zwischen

S 211.801,-- und S 423.500,-- betragen, haben unter der Bedingung des Vorlegens der vom Verwaltungsausschuß verlangten Unterlagen einen Anspruch auf Ermäßigung auf ein Drittel des Erfordernisbeitrages zur Grundleistung. Bei nicht ganzjähriger ärztlicher Tätigkeit werden die Einnahmegrenzen entsprechend berechnet.

(4) Bei nachgewiesenen jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit bis zu S 211.800,-- liegt jedenfalls ein Härtefall im Sinn des Abs. 1) vor und es besteht Anspruch auf Nachlaß der Wohlfahrtsfondsbeiträge bis auf den Beitrag zum Notstandsfonds. Bei nicht ganzjähriger ärztlicher Tätigkeit werden die Einnahmegrenzen entsprechend berechnet.

(5) Die in den Abs. 2-4 festgelegten Schillingbeträge sind für jedes Beitragsjahr um mindestens den Prozentsatz der Geldentwertung (z.B. Index des Landes Vorarlberg) wertmäßig anzupassen.

(6) Übt ein Kammerangehöriger eine Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 2 Ärztegesetz (freiberufliche ärztliche Tätigkeit) aus, dann kann ihm über Antrag der Beitrag für die Zusatzleistung (I-Konto) bis zu 90 % ermäßigt werden,

a) auf Dauer, wenn ihm insbesondere aufgrund eines kündbaren Dienstverhältnisses ein anderweitiger Ruhe-(Versorgungs-)genuß bei einer öffentlich rechtlichen Versicherungsanstalt auf Höchstbemessungsgrundlage zusteht, oder

b) befristet, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse so gelagert sind, daß der in der Beitragsordnung festgelegte Beitrag unter Berücksichtigung einer standesgemäßen Lebensführung nicht zumutbar ist."

§ 75 Abs. 2 und 3 ÄrzteG geben den Rahmen für die Gestaltung der Beitragsordnung durch die Ärztekammer, statuieren jedoch im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers keine subjektiven Rechte der einzelnen Kammerangehörigen, sodaß insoweit eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht vorliegt. Das gleiche gilt für § 77 leg. cit., der die Ermächtigung enthält, in die Satzung Bestimmungen über die Ermäßigung oder den Nachlaß der Fondsbeiträge aufzunehmen. Davon hat die Ärztekammer für Vorarlberg in § 20 der Satzung Gebrauch gemacht.

Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe die Auffassung vertreten, daß nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 bis 5 eine Ermäßigung oder ein Nachlaß möglich sei. Richtigerweise sei aber § 20 Abs. 1 als allgemeine Regelung anzusehen, welche die Einzelfallgerechtigkeit ermögliche, während die folgenden Absätze Fälle behandelten, in welchen die Behörde jedenfalls einem Ermäßigungsantrag stattgeben müsse.

Dieser Vorwurf ist nicht begründet. Dem angefochtenen Bescheid ist nicht zu entnehmen, daß die belangte Behörde der Ansicht gewesen sei, ein Begehren auf Ermäßigung oder Nachlaß könne nicht auf § 20 Abs. 1 der Satzung gestützt werden. Die belangte Behörde hat allerdings mit Recht die Auffassung vertreten, daß die Anwendung des § 20 Abs. 1 der Satzung auf außergewöhnliche Fälle beschränkt bleiben müsse, weil die Ansprüche auf Ermäßigung oder Nachlaß aufgrund geringer Einnahmen in den folgenden Absätzen detailliert geregelt seien. Dem Beschwerdeführer schwebt vor, im Wege von Anträgen nach § 20 Abs. 1 der Satzung die Höhe von Betriebsausgaben und damit die Höhe der Einkünfte (und nicht der Einnahmen) von freiberuflich tätigen Ärzten für die Höhe der ihnen vorzuschreibenden Beiträge maßgeblich zu machen. Dies ist aber mit § 3 Abs. 1 der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg nicht in Einklang zu bringen. Nach dieser Bestimmung sind die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit die Grundlage der Beitragspflicht, worunter sowohl der Gesamtumsatz bei freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit ausschließlich der Mehrwertsteuer als auch das Bruttoeinkommen in einem Anstellungsverhältnis zu verstehen sind. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auffassung, daß hohe Betriebsausgaben in den ersten Jahren nach Eröffnung einer Facharztpraxis regelmäßig auftreten und daher nicht zu den berücksichtigungswürdigen Umständen im Sinne des § 20 Abs. 1 der Satzung gehören, ist nicht als unrichtig zu erkennen. Auf ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse allein (d.h. ohne Hinzutreten berücksichtigungswürdiger Umstände) kann gemäß § 20 Abs. 6 lit. b der Satzung Rücksicht genommen werden. Dies hat die belangte Behörde ohnedies in höchstmöglichem Ausmaß getan, indem der Beitrag für die Zusatzleistung um 90 % ermäßigt wurde, was letztlich dazu geführt hat, daß der Jahresgesamtbeitrag auf weniger als die Hälfte (S 104.087,--) des ursprünglich vorgeschriebenen Beitrages (S 215.208,--) reduziert wurde.

Der Beschwerdeführer hält die Auffassung der belangten Behörde, daß unter Einnahmen der Gesamtumsatz (ohne Berücksichtigung der Betriebsausgaben) zu verstehen sei, für verfehlt und meint, der Gleichheitssatz gebiete die Auslegung, daß unter Einnahmen nur die Nettoeinnahmen zu verstehen seien.

Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Unter Einnahmen (im Sinne des § 20 der Satzung und des § 75 Abs. 3 ÄrzteG) sind Roheinnahmen, d.h. noch nicht um Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben gekürzte Einnahmen, zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.931/A). Die gleichheitsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen eine derartige Regelung teilt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die im Ablehnungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes zitierte Rechtsprechung dieses Gerichtshofes (Erkenntnis vom 7. März 1985, VfSlg. Nr. 10.389) nicht.

Im Hinblick darauf, daß infolge Fehlens berücksichtigungswürdiger Umstände eine Ermäßigung oder ein Nachlaß der Beiträge nach § 20 Abs. 1 der Satzung nicht in Betracht kam, war eine Prüfung der konkreten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nach dieser Satzungsbestimmung nicht erforderlich. Im Unterbleiben eines diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens liegt demnach kein Verfahrensmangel.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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