VwGH 95/09/0231

VwGH95/09/023119.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Juli 1995, Zl. UVS-07/16/00393/93, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28a idF 1990/450;
AVG §67d impl;
VStG §51 Abs7;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs4;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28a idF 1990/450;
AVG §67d impl;
VStG §51 Abs7;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs4;
VStG §51i;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 2. April 1993 wurde der Beschwerdeführer zu drei Geldstrafen je S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 8 Tage) verurteilt, weil er als Arbeitgeber am 21. August 1992 um 11.00 Uhr in Wien VI, D-Gasse 10, drei namentlich genannte Ausländer mit der Verlegung von Gipsplatten beschäftigt habe, obwohl für diese Personen weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei. In der Begründung dieses Bescheides führte der Magistrat der Stadt Wien im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer vom Landesarbeitsamt Wien wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen angezeigt worden sei; ihm sei Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten worden, wobei in der ordnungsgemäß zugestellten Aufforderung gemäß § 42 Abs. 1 Z. 2 VStG angedroht worden sei, daß das Verwaltungsstrafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werde, wenn er sich nicht entweder binnen einer gesetzten Frist schriftlich oder zu dem zur Vernehmung bestimmten Zeitpunkt mündlich rechtfertige. Von der ihm gebotenen Gelegenheit zur Rechtfertigung habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht, die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen seien daher aufgrund der Anzeige in objektiver und subjektiver Hinsicht als erwiesen anzunehmen. Bei der Strafbemessung sei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd, als erschwerend kein Umstand gewertet worden. Die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers seien der Behörde mangels seiner Mitwirkung unbekannt, die Behörde habe daher mittlere finanzielle Verhältnisse angenommen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß er geringfügige Adaptierungsarbeiten in einer ihm zur Verfügung gestellten Wohnung, die er als Tonstudio anpassen wollte, vorgenommen habe. Es handle sich hiebei um eine Privatwohnung; die Ausländer hätten unentgeltlich gegen Einräumung von Kost Freundschafts- bzw. Nachbarschaftshilfe geleistet und dafür keinerlei sonstiges Entgelt bezogen. Es fehle daher insgesamt an sämtlichen Tatbestandsmerkmalen eines Arbeitsverhältnisses; der Beschwerdeführer sei keineswegs als Arbeitgeber aufgetreten, da es sich nur um eine einmalige kurzfristige und geringfügige "Zurhilfestellung" gehandelt habe. Die genannten Ausländer seien auch an keinem "Beschäftigungsort" tätig gewesen. Das Verfahren sei insoferne mangelhaft, als die genannten Ausländer nicht von der Behörde zur Frage, ob und in welcher Form eine Tätigkeit ausgeübt wurde, einvernommen worden seien. Unrichtig sei auch, daß der Beschwerdeführer nicht auf eine Aufforderung zur Rechtfertigung reagiert hätte. Nach Erhalt der Aufforderung zur Rechtfertigung habe er vielmehr die Behörde aufgesucht und mitgeteilt, daß er seiner zu einem früheren Zeitpunkt als Zeuge gemachten Aussage nichts hinzufügen könne und diese zu seiner Verantwortung erhebe. Darauf sei ihm mitgeteilt worden, daß dies ausreiche und er wieder Bescheid erhalten werde. Auch die Höhe der verhängten Strafe sei nicht gerechtfertigt, weil er im wesentlichen von der Unterstützung seiner Lebensgefährtin lebe, als Musiker kein Vermögen habe und nur über ein durchschnittliches Monatseinkommen von etwa S 8.000,-- verfüge. Er sei "im Tatsächlichen ... voll geständig, sodaß insbesondere auch sämtliche Milderungsgründe gegeben wären". Der Beschwerdeführer stellte keinen ausdrücklichen Antrag auf Abhaltung einer Berufungsverhandlung, er gab aber diesbezüglich auch keinen Verzicht ab.

Die belangte Behörde erließ den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Juli 1995 ohne weitere Verfahrensschritte, insbesondere ohne die vorherige Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung; sie setzte die Strafen auf je S 5.000,-- je unerlaubt beschäftigten Ausländer (bei Uneinbringlichkeit je drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herab und ermäßigte gemäß § 64 VStG die erstinstanzlichen Kostenbeiträge auf je S 500,--.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß der im Bescheid der Behörde erster Instanz umschriebene Sachverhalt unbestritten geblieben und als erwiesen anzusehen sei. Täter der Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) sei, wer Ausländer beschäftige, ohne daß hiefür eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung vorliege, eine Unternehmereigenschaft des Beschäftigers sei keineswegs erforderlich. Daß aber der Beschwerdeführer die genannten Ausländer beschäftigt habe, habe er in seiner Berufung selbst klargestellt. Ob die genannten Fremden freiwillig und unentgeltlich, nur gegen Kost gearbeitet hätten, sei ebenfalls bedeutungslos. Daher sei auch eine Einvernahme der genannten Ausländer entbehrlich gewesen. Im vorliegenden Fall sei kein Grund für die Verhängung einer höheren als der Mindeststrafe hervorgekommen, zumal der Beschwerdeführer unbescholten und in der Sache selbst geständig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil zwischen der Einbringung seiner Berufung am 7. Mai 1993 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 10. August 1995 mehr als fünfzehn Monate vergangen seien, in welchem Falle gemäß § 51 Abs. 7 VStG der angefochtene Bescheid als aufgehoben gelte und das Verfahren einzustellen sei. Mit diesem Einwand übersieht der Beschwerdeführer, daß § 51 Abs. 7 VStG nach seinem zweiten Satz in solchen Verwaltungsstrafrechtssachen nicht gilt, in denen nicht nur der Beschuldigte das Recht der Berufung hat. Im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren hatte jedoch nicht nur der Beschwerdeführer, sondern gemäß § 28a AuslBG auch das Arbeitsinspektorat Parteistellung und war berechtigt, gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz Berufung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 93/09/0254) zu erheben.

§ 51 Abs. 7 erster Satz VStG war im vorliegenden Fall daher nicht anzuwenden.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde weiters vor, daß sie entgegen § 51e Abs. 1 VStG keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Bei einer solchen Verhandlung hätte die belangte Behörde die entscheidungswesentlichen Fragen, insbesondere ob ein Beschäftigungsverhältnis vorlag, klären können. Im Verfahren vor der Behörde erster Instanz seien die im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Ausländer nämlich mangels ausreichender Kenntnis der deutschen Sprache nicht in der Lage gewesen, darzulegen, in welchem Verhältnis sie sich zum Beschwerdeführer befunden hätten. Bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wäre zutage getreten, daß die drei genannten Personen lediglich auf freiwilliger, unentgeltlicher Basis im Zuge einer sogenannten Freundschaftshilfe tätig gewesen seien.

Mit diesem Hinweis zeigt der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel auf, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt. Gemäß § 51e Abs. 1 VStG in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 hat nämlich der unabhängige Verwaltungssenat, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder wenn nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Gemäß § 51e Abs. 2 VStG kann eine öffentliche mündliche Verhandlung nur dann unterbleiben, wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.

Im Beschwerdefall war die Berufung nicht zurückzuweisen und es war auch nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich, daß der bei dem belangten Unabhängigen Verwaltungssenat angefochtene Bescheid der Behörde erster Instanz aufzuheben sei. Der Beschwerdeführer hat die Abhaltung einer Verhandlung im Berufungsverfahren zwar nicht ausdrücklich verlangt, er hat aber auch keinen Verzicht darauf ausgesprochen. Die Verhandlung durfte daher nur gemäß § 51e Abs. 2 VStG unter der Voraussetzung entfallen, daß in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wurde oder nur gegen die Höhe der Strafe richtete.

Keine dieser Voraussetzungen trifft im vorliegenden Fall zu. Die Berufung des Beschwerdeführers richtete sich gegen den erstinstanzlichen Schuldspruch und war nicht "ausdrücklich" auf Rechtsfragen beschränkt. Bereits in der Berufung hat der Beschwerdeführer vielmehr ausgeführt, daß die genannten Ausländer unentgeltlich gegen Einräumung von Kost Freundschafts- bzw. Nachbarschaftshilfe geleistet hätten und daß die Annahme der Behörde erster Instanz unrichtig sei, er habe es unterlassen, seine Vermögensverhältnisse anzugeben. Damit hat er keinesfalls "ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung" im Sinne des § 51e Abs. 2 VStG behauptet und es liegt auch einer der übrigen im § 51e Abs. 2 VStG genannten Fälle, in denen eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben darf, nicht vor. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung nämlich im Tatsachenbereich ein Vorbringen erstattet, angesichts dessen die Frage, ob eine Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vorlag, nicht abschließend getroffen werden konnte.

Ein Vorbringen wie in der Beschwerde - oder auch ein anderes zweckdienliches Vorbringen - hätte der Beschwerdeführer bereits bei einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, auf deren Durchführung er gemäß § 51e VStG ein Recht hatte, erstatten können. Die belangte Behörde hätte sich damit auseinandersetzen müssen, zumal der Beschwerdeführer gemäß § 51g Abs. 2 und 4 VStG an jede hiebei vernommene Person Fragen hätte stellen und sich zu allen Beweismitteln hätte äußern können und die belangte Behörde gemäß § 51i VStG nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Fällung des Erkenntnisses nur auf das hätte Rücksicht nehmen dürfen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist und auch auf Aktenstücke nur insoweit hätte Rücksicht nehmen dürfen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschwerdeführer hätte darauf verzichtet (vgl. zur Problematik die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0209, vom 25. Juni 1996, Zl. 96/17/0091, und vom 18. Oktober 1996, Zl. 95/09/0182).

Die belangte Behörde hat somit entgegen § 51e VStG die Durchführung der nach Lage des Beschwerdefalles erforderlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung unterlassen und sie hätte bei deren Durchführung zu einem anderen Ergebnis kommen können. Dieser - im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK - wesentliche Verfahrensmangel führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß für die vorgelegte Kopie des angefochtenen Bescheides Stempelgebühren von nur S 30,-- zu entrichten waren.

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