Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte im Februar 1991 beim Arbeitsamt Liezen Arbeitslosengeld. Sie gab an, zusammen mit ihrem "Lebensgefährten" V. in S1, zu wohnen. Nach der Geburt ihres Sohnes am 7. Februar 1992 beantragte die Beschwerdeführerin Karenzurlaubsgeld. Sie gab an, in S2 zu wohnen und führte ihren Sohn, nicht aber V. - den Vater des Kindes - als mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen an. In einem Anhang zum Antrag erklärte sie, daß V. in S3 wohne und den Unterhalt für den gemeinsamen Sohn durch Überweisung zahle. Bis zum 28. August 1993 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Angaben das Karenzurlaubsgeld für alleinstehende Mütter ausbezahlt. Ab 29. August 1993 bezog die Beschwerdeführerin Wochengeld. Nach der Geburt ihrer Tochter am 23. Oktober 1993 beantragte sie neuerlich Karenzurlaubsgeld. Sie gab an, sie und V. - auch Vater des zweiten Kindes - wohnten weiterhin in S2 bzw. S3 und V. entrichte den Unterhalt für beide Kinder durch persönliche Übergabe der Unterhaltsbeträge. Aufgrund ihrer Angaben wurde der Beschwerdeführerin neuerlich das Karenzurlaubsgeld für alleinstehende Mütter ausbezahlt. Im Mai 1994 meldete die Beschwerdeführerin dem Arbeitsamt, sie sei mit beiden Kindern nach T übersiedelt. Alle übrigen Verhältnisse (u. a. angeführt: "keine Lebensgemeinschaft") seien gleich geblieben.
Am 21. Februar 1995 erstattete die Beschwerdeführerin beim Arbeitsmarktservice Liezen die Veränderungsmeldung, sie werde am 27. Februar 1995 nach S übersiedeln und einen Meldezettel nachreichen. Sie "führe keine Lebensgemeinschaft und bitte daher um einen Feststellungsbescheid". Der Sachbearbeiter, der diese Meldung entgegennahm, bereitete noch am selben Tag einen Zahlungs- und Verrechnungsauftrag vor, wonach der Beschwerdeführerin ab 1. Februar 1995 (nur) das Karenzurlaubsgeld für nicht alleinstehende Mütter auszuzahlen sei. Mit Schreiben vom 24. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführerin die Bemessung der Leistung in dieser Höhe ab 1. Februar 1995 mitgeteilt. Die Beschwerdeführerin legte einen Meldezettel vor, wonach sie ihren Hauptwohnsitz von T nach S4 verlegt und sich an der zuletzt genannten Adresse am 27. Februar 1995 angemeldet habe.
Das Arbeitsmarktservice Liezen erließ den in der Ausfertigung mit 13. März 1995 datierten erstinstanzlichen Bescheid, dessen Spruch - ohne Angabe eines Zeitraumes - wie folgt lautete:
"Aufgrund Ihrer Eingabe wird festgestellt, daß Ihnen gemäß § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 4 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, Karenzurlaubsgeld im nachstehend angeführten Betrag gebührt: täglich S 203,90".
Die Begründung gab den Inhalt des § 27 Abs. 1 AlVG und des § 27 Abs. 4 AlVG auszugsweise wieder und lautete im übrigen wie folgt:
"Das Ermittlungsverfahren hat ergeben: Nach den Erfahrungen des Lebens liegt eine Lebensgemeinschaft vor und der Vater Ihrer Kinder wäre an der gleichen Adresse anzumelden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Annahme, zwischen ihr und V. bestehe eine Lebensgemeinschaft. Sie führte aus, sie wohne mit ihren Kindern "alleine in der Ihnen bekannten Wohnung".
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, der Berufung werde keine Folge gegeben. Die Begründung enthielt - nach einer teilweisen Wiedergabe des § 27 AlVG in der vor der Änderung durch BGBl. Nr. 297/1995 geltenden Fassung - unter der Zwischenüberschrift "Sachverhalt und Feststellungen" zunächst eine Darstellung des erstinstanzlichen Bescheides und des Vorbringens in der Berufung. Daran schloß sich die teilweise Wiedergabe von Angaben der Beschwerdeführerin in ihren Anträgen und Meldungen seit dem Antrag auf Arbeitslosengeld im Februar 1991. Wiedergegeben wurden die (oben erwähnten) Angaben der Beschwerdeführerin über ihre Wohnverhältnisse, wobei die Erwähnung der Kinder jeweils mit dem Beisatz "dessen (deren) Vater Ihr Lebensgefährte ist" verbunden wurde, weiters die Angaben über die Unterhaltsleistungen, wozu festgestellt wurde, "ein Unterhaltsvergleich oder ähnliches" liege nicht vor. Es folgten auf Ermittlungen im Berufungsverfahren gegründete Feststellungen darüber, daß die neue Wohnung der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder in einem neu errichteten Gebäude (mit "Einweisungsrecht" der ÖBB) knapp 100 m2 groß und ab April 1995 mit einer monatlichen Belastung von S 10.964,-- verbunden sei. Daran schloß sich folgender Satz: "Von einer beendeten Lebensgemeinschaft ist nicht auszugehen". Schließlich wurde noch festgestellt, daß V. in einem aufrechten Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft in R stehe.
Die rechtliche Beurteilung lautete im wesentlichen:
"Nach den zu treffen gewesenen Feststellungen, insbesondere, wonach 1991 unbestrittenermaßen eine Lebensgemeinschaft zwischen Ihnen und (V.) bestanden hat, daß am 7. 2. 1992 das erste gemeinsame Kind, am 23. 10. 1993 das zweite gemeinsame Kind geboren wurde und daß nunmehr eine durchaus familiengerechte (vier Köpfe) Wohnung angemietet wurde, ist von einer Beendigung der Lebensgemeinschaft zwischen Ihnen und dem Vater Ihrer Kinder nicht auszugehen bzw. muß im Sinne der eingangs zitierten gesetzlichen Bestimmungen davon ausgegangen werden, daß (V.) an der gleichen Adresse anzumelden wäre."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen hat:
Der angefochtene Bescheid ist schon deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil sich dem durch ihn bestätigten Spruch (auch unter zusätzlicher Heranziehung der Begründungen beider Bescheide) nicht entnehmen läßt, AB WELCHEM ZEITPUNKT der Beschwerdeführerin das Karenzurlaubsgeld (nur mehr) in der festgestellten Höhe gebühren soll (vgl. die Erkenntnisse vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0133, vom 5. September 1995, Zl. 95/08/0106, vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0130, vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0025, u.a. zur Zeitraumbezogenheit von Bescheiden über Geldleistungen nach dem AlVG; weiters die Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0119, und vom 9. April 1987, Zl. 85/08/0027, zur Rechtswidrigkeit zeitraumbezogener Bescheide, die keinen Anfangszeitpunkt nennen). Der erwähnte Zeitpunkt ergibt sich auch nicht aus dem Verweis auf die "Eingabe" der Beschwerdeführerin, womit nur ihre Veränderungsmeldung vom 21. Februar 1995 und die darin enthaltene, zeitlich nicht konkretisierte "Bitte" um einen Feststellungsbescheid gemeint sein kann. Die am Tag dieser "Bitte" vorbereitete, mit 24. Februar 1995 datierte "Mitteilung über den Leistungsanspruch", wonach letzterer ab dem "Anfallstag" 1. Februar 1995 mit S 203,90 täglich "bemessen wurde", kann zur Auslegung des erstinstanzlichen und damit auch des Spruchs des Bescheides der belangten Behörde nicht herangezogen werden, weil die Bescheide weder direkt noch durch den Verweis auf die (frühere) "Bitte" der Beschwerdeführerin auf dieses Schriftstück Bezug nehmen.
Geht man von dem Betrag aus, mit dem das Karenzurlaubsgeld "festgestellt" wurde, und unterstellt man, daß das Gesetz hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Einstufung der Beschwerdeführerin als "nicht alleinstehend" richtig angewandt wurde, so muß sich der angefochtene Bescheid auf das Jahr 1995 beziehen (vgl. dazu § 32 Abs. 1 AlVG und die auf 1995 bezogene Wiedergabe von Regelungsinhalten in der Bescheidbegründung). Für die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem die getroffene Feststellung - insofern sie die Einstufung der Beschwerdeführerin als "nicht alleinstehend" voraussetzt - gelten sollte, reicht dies jedoch nicht aus.
Die belangte Behörde hat die Rechtslage aber auch in der Sache selbst verkannt. Sollte die Beschwerdeführerin als "nicht alleinstehend" eingestuft werden, weil sie mit V. "nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1972, BGBl. Nr. 30/1973, an der gleichen Adresse ... anzumelden wäre" (so der Wortlaut der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmung), so setzte dies die Feststellung voraus, daß und wann die Beschwerdeführerin und V. im Sinne des § 1 Abs. 1 Meldegesetz 1972 (inhaltsgleich mit § 2 Abs. 1
Meldegesetz 1991; vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0230) an der gleichen Adresse "Unterkunft genommen" hätten. Da die Wohnsitze der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sind, hätte die Behörde zu ermitteln und festzustellen gehabt, ob und wann V. (je nach Beginn des vom Spruch zu umfassenden Zeitraumes) in der Wohnung der Beschwerdeführerin in T und in S4 im Sinne der melderechtlichen Vorschriften Unterkunft genommen habe (vgl. dazu das Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0188, mit weiteren Nachweisen). Die belangte Behörde - die auch keine Vorschriften des Melderechtes unter die von ihr angewendeten Bestimmungen aufnahm - hat sich im Rahmen ihrer allgemein gehaltenen Ausführungen über eine von ihr angenommene Lebensgemeinschaft zwischen der Beschwerdeführerin und V. aber mit Hinweisen auf die Größe der von der Beschwerdeführerin zuletzt gemieteten Wohnung begnügt und sich mit der Frage der Unterkunftnahme V.s in dieser oder der früheren Wohnung der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt. Dem angefochtenen Bescheid ist vor allem nicht entnehmbar, daß die belangte Behörde annahm, H. wäre der Beschwerdeführerin auch nach T gefolgt und hätte dort bei ihr Unterkunft genommen. Wenn im angefochtenen Bescheid dessenungeachtet von einer durchgehenden Lebensgemeinschaft ausgegangen wird und die getroffene Feststellung allenfalls auch für Zeiträume vor dem 27. Februar 1995 gelten sollte, so zeigt dies, daß die belangte Behörde in Verkennung der Voraussetzungen des von ihr herangezogenen Tatbestandes nicht von einem Begriff der "Lebensgemeinschaft" ausging, der eine gemeinsame Unterkunft im Sinne des Melderechts notwendigerweise in sich schloß. Die belangte Behörde hat es daher nicht lediglich unterlassen, zu der als maßgeblich erkannten Frage der Unterkunftnahme (als Teilaspekt einer Lebensgemeinschaft, auf die es für sich genommen nicht ankäme) ausreichende Feststellungen zu treffen, sondern ihren Bescheid auch in dieser Hinsicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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