Normen
AVG §37;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 lita;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 lita;
NatSchG Bgld 1990 §6 Abs1 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Abspruches über die naturschutzbehördliche Bewilligung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 29. Juni 1993 um nachträgliche naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung einer dreiteiligen Pferdebox und einer Futterscheune auf dem Grundstück Nr. 8072, KG P., angesucht. Das Grundstück liegt im Natur- und Landschaftsschutzgebiet Neusiedlersee unweit des Nationalparkes Neusiedlersee/Seewinkel und ist im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als "Grünland-landwirtschaftlich genutzt" ausgewiesen.
Der Sachverständige für Landwirtschaft vertrat die Auffassung, die Errichtung von Pferdeboxen stehe in sachlichem Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstückes. Der Amtssachverständige für Landschaftsschutz führte im wesentlichen aus, das Landschaftsbild werde hier im Seebereich durch den an die Seefläche angrenzenden Schilfgürtel, die feuchten Wiesen und die Weingartenflächen geprägt. Durch einzelne Bäume und Baumgruppen werde die ebene, weite Landschaft mit ihrem geradlinigen Horizont aufgelockert und belebt. Die Ortschaften seien in sich geschlossen und klar gegen die freie unbebaute Landschaft abgegrenzt. Es stelle also jede Baulichkeit in dieser Landschaft, die außerhalb des Ortsgebietes liege, ein landschaftsfremdes Element dar. Die gegenständliche Hütte könnte zwar so situiert werden, daß sie durch die vorhandenen Ölweiden kaum sichtbar sei, d.h. in das Landschaftsbild eingebunden werde. Es stehe jedoch die Errichtung dieser Hütte einer harmonischen Bauentwicklung entgegen, da durch sie ein Zersiedelungs- bzw. Verhüttelungsansatz gegeben sei.
In dem aufgrund der Stellungnahme der Beschwerdeführerin erstatteten ergänzenden Gutachten legte der Amtssachverständige dar, das gegenständliche Grundstück liege ca. 2 km südlich des bebauten Ortsgebietes von P. inmitten freier unbebauter Landschaft. Der Charakter der Landschaft im betroffenen Landschaftsraum werde geprägt durch geschlossene Ortschaften und Siedlungsgebiete und die davon abgegrenzte, von Bebauung (Gebäuden) freie Landschaft. Diese freie Landschaft setze sich zusammen aus naturräumlichen Elementen, wie Weingärten, Ackerflächen, Feuchtwiesen, Einzelgehölzen (Bäume), Gehölzgruppen. Auf dem gegenständlichen Grundstück sowie den mit diesem eine Bewirtschaftungseinheit bildenden Grundstücken befinde sich eine ca. 8.200 m2 große Fischteichanlage. Über den östlichen Teil des Grundstückes verlaufe eine 20-kV-Freileitung; im Zuge dieser Leitung bestehe auf dem betreffenden Grundstück eine zweistielige Betonmasttrafostation. Das Bauvorhaben liege im freien, unbebauten Landschaftsbereich und widerspreche somit dem im betroffenen Landschaftsraum vorherrschenden Landschaftscharakter - Abgrenzung und Trennung von bebauten Siedlungsgebieten und von Bebauung (Gebäuden) freier Landschaft. Die Verwirklichung des Bauvorhabens würde den Ansatz zur Verhüttelung der freien Landschaft bilden und den Landschaftscharakter im Sinne des Naturschutzgesetzes beeinträchtigen. Eine besondere Qualität komme dieser Beeinträchtigung durch die hohe landschaftliche Sensibilität des betreffenden Landschaftsraumes aufgrund des Nahbereiches zum Nationalpark Neusiedlersee-Seewinkel zu.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin ab (Spruchpunkt I) und trug ihr auf, die ohne naturschutzbehördliche Bewilligung errichtete dreiteilige Pferdebox und die Futterscheune zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen (Spruchpunkt II). In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung der Rechtslage und Wiedergabe der Gutachten der Amtssachverständigen aus, die gegenständlichen Baulichkeiten leiteten zwar keine Zersiedelung ein; jedoch werde der Charakter des Landschaftsraumes, der als unverbaut und durch geschlossene Ortschaften geprägt beschrieben werde, durch die Errichtung der Gebäude nachteilig beeinträchtigt. Die Einfriedung des gegenständlichen Grundstückes und der darauf befindliche Trafo beeinträchtigten den Landschaftscharakter weit weniger als das Vorhaben. Der Sachverständige für Landschaftsschutz habe in seinem Gutachten schlüssig festgestellt, daß durch die Gebäude der Charakter des Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt werde, da dieser durch geschlossene Ortschaften und Siedlungsgebiete und die davon abgegrenzte, von Bebauung (Gebäuden) freie Landschaft geprägt werde; ob eine "Verhüttelung" vorliege, könne dahingestellt bleiben, weil dies kein Tatbestand nach dem NSchG sei. Eine nachteilige Beeinflussung des Landschaftsbildes liege nicht vor, da das beantragte Vorhaben aufgrund der Ölweiden kaum sichtbar und deshalb ins Landschaftsbild eingebunden sei. Weiters vertrat die belangte Behörde die Auffassung, eine Bewilligung könne auch nicht nach § 6 Abs. 5 NG 1990 erteilt werden. Die Beschwerdeführerin habe die Pferdebox und die Futterscheune zu ausschließlich persönlich-privaten Zwecken errichtet. Unter öffentlichem Interesse sei ein Interesse der Gesellschaft im Sinne der Allgemeinheit zu verstehen. Da dieses öffentliche Interesse der Allgemeinheit im Sinne des Gemeinwohles an der Erhaltung des Landschaftscharakters, insbesondere im Seebereich und in unmittelbarer Nähe des Nationalparkes Neusiedlersee, sehr hoch einzuschätzen sei, sei dieses Interesse höher einzuschätzen als das rein private Interesse an den Pferdeboxen und der Futterscheune. Auch sei nicht die "Geringfügigkeit"eines Eingriffes, wobei es äußerst zweifelhaft erscheine, ob eine solche bei Gebäuden im Ausmaß von 9 m x 3 m vorliege, für die Beeinträchtigung des Landschaftscharakters entscheidend, sondern, ob sich der Eingriff als Störfaktor in einem freien und unbebauten, durch geschlossene Ortschaften geprägten Landschaftsraum darstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung einer Pferdebox und einer Futterscheune auf dem ihr gehörenden Grundstück verletzt; im Hinblick auf diesen Beschwerdepunkt ist der mit dem angefochtenen Bescheid erlassene Entfernungs- und Wiederherstellungsauftrag nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde macht unter anderem geltend, der angefochtene Bescheid enthalte keine der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechende Beschreibung jener Elemente, die den Charakter der Landschaft bilden. Die allgemeine Aussage, der Charakter des Landschaftsraumes werde durch unverbaute Fläche und geschlossene Ortschaften geprägt, nehme nicht auf alle im konkreten Fall maßgebenden Elemente Rücksicht. Die Annahme einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Landschaftscharakters stehe im Widerspruch zu der Feststellung, das Landschaftsbild werde nicht nachteilig beeinflußt, weil "die Hütte im Landschaftsbild eingebunden" sei.
Nach § 3 der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedlersee, LGBl. Nr. 22/1980 (LSchV 1980) bedürfen Bauvorhaben aller Art einer Genehmigung der Landesregierung im Sinne des § 19 Abs. 2 des Naturschutzgesetzes 1961.
Gemäß § 81 Abs. 2 NG 1990 gelten die Verordnungen der Landesregierung aufgrund der §§ 9, 15, 19, 19a 19b und 24 Abs. 3 des Naturschutzgesetzes 1961 in der geltenden Fassung bis zur Erlassung von Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes, mit denen diese Verordnungen aufgehoben werden, mit den sich aus Abs. 3 ergebenden Änderungen als landesgesetzliche Regelung weiter. Nach § 81 Abs. 5 NG 1990 sind in Landschaftsschutzgebieten Bewilligungen grundsätzlich nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 NG 1990 zu erteilen. Bisherige Verbote gelten als bewilligungspflichtige Maßnahmen (§ 23 Abs. 2). § 5 findet jedenfalls Anwendung, ebenso § 9 für sämtliche Bauvorhaben aller Art; die in den Verordnungen geregelten Zuständigkeiten bleiben mit der Einschränkung, daß Vorhaben in Wohn-, Dorf-, Geschäfts- und gemischten Baugebieten (§ 14 Abs. 3 lit. a, b, c, e Raumplanungsgesetz 1969 i.d.g.F.) keiner naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürfen, unberührt.
Gemäß § 81 Abs. 6 NG 1990 gelten Verbote in Teilnatur- und Landschaftsschutzgebieten mit Ausnahme von Einschränkungen der Jagd als bewilligungspflichtige Maßnahmen. Neben den Voraussetzungen für Bewilligungen in Landschaftsschutzgebieten (Abs. 5) dürfen Bewilligungen nur erteilt werden, wenn in dem von besonderen Naturschutzinteressen berührten Gebiet des Teilnatur- und Landschaftsschutzgebietes eine nachhaltige Beeinträchtigung des Schutzzweckes ausgeschlossen werden kann.
Gemäß § 5 lit. a Z. 1 NG 1990 bedürfen die Errichtung und Erweiterung von Gebäuden und anderen hochbaulichen Anlagen auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde nicht als Wohn-, Dorf-, Geschäfts- und Industriegebiete, gemischte Baugebiete oder als Verkehrsflächen (§§ 14 Abs. 3 lit. a bis e, 15 Raumplanungsgesetz i.d.g.F.) ausgewiesen sind, einer Bewilligung.
Gemäß § 6 Abs. 1 NG 1990 sind Bewilligungen im Sinne des § 5 zu erteilen, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme einschließlich des Verwendungszweckes nicht
- a) das Landschaftsbild nachteilig beeinflußt wird,
- b) das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachteilig beeinträchtigt wird oder dies zu erwarten ist oder
- c) der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachteilig beeinträchtigt wird.
Als Versagungsgrund wurde von der belangten Behörde eine nachteilige Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes im Sinne des § 6 Abs. 1 lit. c NSchG angenommen.
Die Beschwerde macht zu Recht geltend, daß den Anforderungen an die gesetzmäßige Begründung eines Bescheides, der auf dem eben erwähnten Versagungsgrund beruht, nicht entsprochen wurde.
Unter dem "Charakter des betroffenen Landschaftsraumes" ist die beherrschende Eigenschaft der Landschaft zu verstehen; diese kann grundsätzlich auch in der völligen Unberührtheit durch Äußerungen der Zivilisation bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1983, Slg. 11163/A). Der "betroffene Landschaftsraum" ist jener Bereich, in dem Auswirkungen des Vorhabens auf den Charakter der Landschaft festzustellen sind (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 93/10/0187, und die dort zitierte Vorjudikatur). Um überprüfen zu können, ob der Charakter der Landschaft durch ein Vorhaben beeinträchtigt wird, ist es erforderlich, daß die Behörde ihrem Bescheid eine auf hinreichenden Ermittlungsergebnissen beruhende, großräumige und umfassende Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der Landschaft zugrundelegt. Erst eine solche Beschreibung erlaubt es, aus der Vielzahl jene Elemente herauszufinden, die der Landschaft ihr Gepräge geben und die daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 94/10/0176 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Der angefochtene Bescheid begründet seine Annahme, es liege eine nachteilige Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft "durch die Gebäude" vor, mit dem Hinweis auf die Darlegungen des Sachverständigen, wonach der Charakter der Landschaft "durch geschlossene Ortschaften und Siedlungsgebiete und die davon abgegrenzte Bebauung (Gebäude) freie Landschaft geprägt" werde. Mit diesen sprachlich mangelhaften Darlegungen wird offenbar die Auffassung vertreten, die beherrschende Eigenschaft des betroffenen Landschaftsraumes bestehe darin, daß außerhalb der abgegrenzten Ortschaften bzw. Siedlungsgebiete keine Gebäude vorhanden seien. Diese Begründung allein vermag die Abweisung eines Bewilligungsantrages nicht zu tragen; denn daraus geht weder eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die Annahme hervor, daß das völlige Fehlen von Gebäuden bzw. baulichen Anlagen außerhalb der geschlossenen Ortschaften die beherrschende Eigenschaft des betroffenen Landschaftsraumes wäre, noch lassen sich diesen Darlegungen andere Gründe für die Annahme entnehmen, daß das Vorhaben in seiner konkreten Gestaltung mit der beherrschenden Eigenschaft der betreffenden Landschaft in Konflikt stünde und somit zu deren nachteiliger Beeinträchtigung führe. Solche Darlegungen wären im Beschwerdefall insbesondere angesichts des Umstandes geboten gewesen, daß die belangte Behörde einerseits eine nachteilige Beeinträchtigung des Landschaftscharakters annahm, andererseits aber die Auffassung vertrat, daß eine nachteilige Beeinflussung des Landschaftsbildes nicht vorliege, weil "die Hütte aufgrund der Ölweiden kaum sichtbar und deshalb ins Landschaftsbild eingebunden" sei.
Es trifft zu, daß es sich bei der "nachteiligen Beeinflussung des Landschaftsbildes" (§ 6 Abs. 1 lit. a NG 1990) und der nachteiligen Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes (§ 6 Abs. 1 lit. c leg. cit.) um verschiedene Tatbestände und bei "Landschaftsbild" und "Landschaftscharakter" um verschiedene Begriffe handelt. Im Beschwerdefall stellt aber angesichts des Umstandes, daß die belangte Behörde das Vorliegen einer nachteiligen Beeinflussung des Landschaftsbildes durch das Vorhaben ausdrücklich verneinte, das Fehlen von Darlegungen, mit welchen nicht zum Landschaftsbild zu zählenden Elementen des Landschaftscharakters das Vorhaben in Konflikt steht, einen relevanten Begründungsmangel dar.
Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß sich die belangte Behörde mit ihrer im Ergebnis vertretenen Auffassung, nachteilige Wirkungen eines Gebäudes auf das Landschaftsbild könnten durch Sichteinschränkungen auf das Objekt durch Baum- und Strauchbestand hintangehalten werden, nicht im Einklang mit der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes befindet (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 17. Mai 1993, Zl. 92/10/0038, vom 14. Juni 1993, Zl. 92/10/0126, und vom 25. März 1996, Zlen. 94/10/0122, 95/10/0054).
Die Auffassung, es liege der Versagungsgrund nach § 6 Abs. 1 lit. c NG 1990 vor, beruht somit nicht auf einer vollständig ermittelten Sachverhaltsgrundlage. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben, wobei sich ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdegründe erübrigt.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren für eine zweite Ausfertigung des angefochtenen Bescheides war abzuweisen, weil deren Vorlage zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)