VwGH 92/10/0012

VwGH92/10/00123.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des M in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 22. August 1991, Zl. IVe-223/162, betreffend Verfügung der Einstellung der Arbeiten zur Errichtung eines Parkplatzes sowie Wiederherstellungsauftrag nach dem Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §1 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §1 Abs2 lita;
LSchG Vlbg 1982 §26 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §27 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs3;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs4;
LSchV Uferschutzbereich Bodensee 1987 §1;
VwRallg;
B-VG Art118 Abs2;
B-VG Art118 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §1 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §1 Abs2 lita;
LSchG Vlbg 1982 §26 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §27 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs3;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs4;
LSchV Uferschutzbereich Bodensee 1987 §1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 8. Juni 1990 untersagte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 lit. a des Landschaftsschutzgesetzes, Neukundmachungsverordnung der Vorarlberger Landesregierung LGBl. Nr. 1/1982 (im folgenden: Vlbg LSchG 1982), die Fortsetzung der Arbeiten für die Errichtung eines Parkplatzes auf der Gp 19/3, KG R, und trug ihm gemäß § 12 Abs. 2 leg. cit. auf, binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides das auf der genannten Grundparzelle aufgebrachte Schüttmaterial wieder zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Festgestellt wurde, daß umfangreiche Aufschüttungsarbeiten im 20 m-Uferschutzbereich eines Fließgewässers durchgeführt worden bzw. noch im Gange seien.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin machte er unter anderem geltend, daß das gegenständliche "Gerinne" nur etwa 200 m lang und als solches kaum erkennbar sei, sich mitten im Stadtgebiet befinde und meist auch kein Wasser führe.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde ein Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz eingeholt. Im Gutachten vom 3. September 1990 heißt es unter anderem, unmittelbar an den Uferbereich eines ehemaligen Fischhälterungsteiches und eines Gerinnes sei in den letzten Wochen eine Schüttung vorgenommen worden. Die Schüttungen bestünden hauptsächlich aus Konglomeratgestein (Nagelfluh), die bis unmittelbar an den Gerinne- und Teichrand geschüttet worden seien. Dadurch habe bereits eine Veränderung der Pflanzengesellschaft stattgefunden. An die Stelle des ursprünglich für den Uferbereich typischen Schilfs und Rohrkolbenbewuchses trete nun schon der Japanische Knöterich.

... Nur noch einige mächtige Weiden beim Parkplatz der

Tennisanlage und im unmittelbar angrenzenden Siedlungsbereich ließen die Seenähe und die ursprünglich typische Seelandschaft erkennen.

Über Ersuchen der belangten Behörde, ein Gutachten über die Fließgewässereigenschaft zu erstatten, übermittelte der wasserbautechnische Amtssachverständige des Wasserbauamtes der belangten Behörde folgende Stellungnahme vom 24. Juni 1991:

"Für die Beantwortung Ihrer Frage, ob es sich bei dem auf der Gst.Nr. 19/3, KG. R, befindlichen "Gerinne" um ein fließendes Gewässer handelt, wäre u.a. zur Abklärung aller offenen wasserbautechnischen Fragen der gesamte Vorakt und insbesondere die Berufungsschrift des Herrn B von Bedeutung. Unabhängig davon wird jedoch im folgenden zu dieser Frage Stellung bezogen:

Beim Lokalaugenschein am 19. Juni 1991 wurde festgestellt, daß durch die Schüttung zu einem Parkplatz direkt ein auf dem Gst.Nr. 19/3 befindliches stehendes Gewässer berührt wurde. Ob es sich hier um einen durch Baggerungen künstlich angelegten Tümpel handelt oder ob dies Reste einer ursprünglichen Bucht des Bodensees sind, kann nicht beurteilt werden, zumal das Bodenseeufer in diesem Bereich in den vergangenen Jahrhunderten, insbesondere jedoch in den letzten Jahrzehnten, durch menschliche Eingriffe immer wieder verändert wurde. Neben diesem Tümpel bzw. auch als Zufluß und Abfluß fließt jedoch entlang der Gst.Nr. 19/3 zur Gst.Nr. 19/1 ein offener, natürlicher Graben ab. Im nördlichen Bereich der Gst.Nr. 19/3 wurde jedenfalls auch bis zu dessen Böschungsoberkante geschüttet und somit dieses Fließgewässer berührt. Der Graben wies neben dem rückstaubedingten Hochwasserstand auch eine deutliche Wasserführung und die entsprechende Flora und Fauna eines natürlichen, langsam fließenden Gewässers auf. Der Graben wird - wie zahlreiche andere Gießenbäche im Bregenzer Bodenseeufer - vom aufstoßenden Grundwasser gespeist. Somit schwankt dessen Wasserführung in Abhängigkeit des Seewasserstandes und des Grundwasserspiegels.

Ein Trockenfallen während lang andauernder Grundwassertiefstände ist nicht auszuschließen. Ob auch Regenwasserkanäle in den vor Jahrzehnten verrohrten Oberlauf einmünden, ist dem Unterfertigten nicht bekannt, wäre jedoch beim Stadtbauamt Bregenz allenfalls zu erfragen. Neben der natürlichen jahreszeitlich stark schwankenden Wasserführung, der entsprechenden Flora und Fauna, weisen auch die Eintragungen im Katasterplan darauf hin, daß es sich hier um einen Graben und somit um ein Fließgewässer, handelt. Der mit keiner separaten Grundparzelle ausgestattete Grenzgraben mündet durch eine Querung unter der Druckergasse in eine eigens ausgewiesene Grabenparzelle und im weiteren in einen Kanal und erst im Anschluß daran in den Bodensee aus.

Weder das langsame Abfließen während Seehochwasserständen als auch das zeitweise Trockenfallen bei Grundwasser- und Seewassertiefständen können darüber hinwegtäuschen, daß es sich hier um ein Fließgewässer gemäß § 4 Abs. 3 Landschaftsschutzgesetz bzw. § 38 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1990 handelt.

Gemäß einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dez. 1984, Zl. 84/10/0193/5, bedeutet "fließend" nicht etwa, daß das Gewässerbett dauernd oder auch nur den überwiegenden Teil des Jahres unter Wasser stehen müßte. Unter "Gewässer" im Sinne des Wasserrechts ist auch das Wasserbett zu verstehen. Für die Gewässereigenschaften ist es nicht erforderlich, daß das Wasserbett ständig von Wasser bedeckt ist.

Durch das Wort "fließend" wird im Zusammenhang der Gegensatz zu "stehend" hergestellt, wobei für stehende Gewässer das Landschaftsschutzgesetz in der Regel einen noch höheren Schutzgrad durch die Ausdehnung von bewilligungspflichtigen Maßnahmen auf 500 m gegenüber 20 m vorsieht. Eine genaue Definition von Fließgewässern und stehenden Gewässern in rechtlicher Hinsicht ist weder im Wasserrechtsgesetz noch im Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz enthalten. Diesbezüglich können sich bei der Beurteilung von langsam durchflossenen Gewässern Probleme ergeben. Die meisten mitteleuropäischen Seen werden nämlich von Bächen und Flüssen durchflossen. Sie haben somit einen Zu- und Ablauf und deutlich schwankende Wasserstände. In der Regel handelt es sich dabei jedoch um große, postglaziale Aufweitungen der Flußtäler mit einer flächenhaften Ausdehnung gegenüber der linienförmigen Charakteristik eines Flußlaufes. Neben der Form sind aber auch die Fließcharakteristik und Flora und Fauna unterschiedlich ausgebildet.

Der gegenständliche Graben ist am ehesten als ein Fließgewässer im Mündungsbereich in einen See anzusprechen."

Der Beschwerdeführer wendete dagegen ein, daß diese Stellungnahme keine nachvollziehbare Befundaufnahme über die Länge, Breite und Tiefe des Grabens, die Durchflußmenge pro Sekunde und Kubikmeter sowie die Tatsache enthalte, daß der ehemalige Graben vom Grund des Beschwerdeführers aus landeinwärts gesehen nicht verrohrt, sondern total zugeschüttet, also endgültig beseitigt worden sei. Dieses minimale Rinnsal sei infolge Grundwasserabsenkung auf Dauer vertrocknet.

1.2. Mit Bescheid vom 22. August 1991 gab die Vorarlberger Landesregierung der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Nach der Begründung dieses Bescheides seien auf der Grundparzelle des Beschwerdeführers umfangreiche Aufschüttungsarbeiten zum Zwecke der Errichtung eines Parkplatzes mit einer Fläche von ca. 500 bis 600 m2 im 20 m-Uferschutzbereich eines Fließgewässers bewilligungslos durchgeführt worden. Durch die Schüttung habe eine Veränderung der Pflanzengesellschaften stattgefunden. Zwischen den bestehenden Bauten befänden sich noch Restbestände der ehemaligen charakteristischen Bodenseelandschaft. Entlang der Gp 13/3 zur Gp 19/1, KG R, "fließe" ein offener, natürlicher Graben. Der Graben weise neben dem zeitweisen rückstaubedingten Hochwasserstand auch eine deutliche Wasserführung und die entsprechende Flora und Fauna eines natürlichen, langsam fließenden Gewässers auf. Der Graben werde - wie zahlreiche andere Gießenbäche im Bregenzer Bodenseeufer - vom aufstoßenden Grundwasser gespeist. Somit schwanke dessen Wasserführung in Abhängigkeit des Seewasserstandes und des Grundwasserspiegels. Ein Trockenfallen sei nicht auszuschließen. Auch aus den Eintragungen im Katasterplan gehe hervor, daß es sich um einen Graben und somit um ein Fließgewässer handle. Es liege ein Fließgewässer im Sinne des § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 vor, und zwar unabhängig vom langsamen Abfließen bei Seehochwasserständen und zeitweisem Trockenfallen bei Grundwasser- und Seewassertiefständen.

Die Qualifikation als fließendes Gewässer ergebe sich aus dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 24. Juni 1991, der den Graben als "Fließgewässer im Mündungsbereich in einen See" bezeichne. Für die Gewässereigenschaft sei es nicht erforderlich, daß das Wasserbett ständig von Wasser bedeckt sei. Es sei daher ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne die erforderliche Bewilligung nach § 4 Abs. 3 leg. cit. vorgenommen worden.

Die vom Berufungswerber ins Treffen geführte Verordnung der Vorarlberger Landesregierung LGBl. Nr. 42/1987 beziehe sich ausschließlich auf Ausnahmen vom Uferschutz nach § 4 Abs. 1 Vlbg LSchG 1982.

Den im Antrag des Beschwerdeführers vom 15. Oktober 1990 bezeichneten Bauprojekten anderer Personen im

20 m-Uferschutzbereich komme im vorliegenden Verfahren keine rechtliche Relevanz zu.

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 2. Dezember 1991, B 1163/91, ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

1.4. In seiner Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf bewilligungsfreie Vornahme der Aufschüttungsarbeiten im Bereich der im angefochtenen Bescheid fälschlich als Fließgewässer bezeichneten Rinne sowie in dem Recht auf ein gesetzmäßiges Ermittlungsverfahren verletzt.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, auf die der Beschwerdeführer replizierte.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 1 Vlbg LSchG 1982 lautet:

"(1) Die Vorarlberger Landschaft ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu schützen und zu pflegen.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes ist

a) Landschaftsschutz die Abwehr von Eingriffen, die geeignet sind, die Landschaft zu beeinträchtigen, zu verunstalten und zu schädigen oder den Naturgenuß zu stören;

b) Landschaftspflege die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart und die Sanierung landschaftlicher Schäden.

(3) Durch dieses Gesetz werden das Naturschutzgesetz und Angelegenheiten, die in Gesetzgebung oder Vollziehung Bundessache sind, nicht berührt."

§ 4 leg. cit., betreffend den Uferschutz, bestimmt auszugsweise:

"(1) Im Bereich von Seen und eines daran anschließenden 500 m breiten Uferstreifens, gerechnet bei mittlerem Wasserstand, ist jegliche Veränderung in der Landschaft verboten. Als Veränderungen in der Landschaft gelten insbesondere die Errichtung oder Änderung von Bauwerken, Einfriedungen, Ankündigungen und Werbeanlagen sowie sonstigen Anlagen, das Aufstellen von Wohnbooten, die Einrichtung von Zelt-, Lager- und Ablagerungsplätzen, das Ablagern von Abfällen, wie Altmaterial, Bauschutt u. dgl., oder die Veränderung, Beschädigung oder Beseitigung von Gehölzen, Bäumen, Hecken, Tümpeln und Schilfgürteln.

(2) ...

(3) Im Bereich von fließenden Gewässern innerhalb des Hochwasserabflußgebietes und eines daran anschließenden 20 m breiten Geländestreifens bedürfen Veränderungen im Sinne des Abs. 1, soweit nicht die §§ 3 oder 13 Anwendung finden, der Bewilligung der Behörde. Ausgenommen von der Bewilligungspflicht sind ortsübliche Einfriedungen für land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke.

(4) Die Landesregierung hat auf Antrag der betroffenen Gemeinden oder nach deren Anhörung durch Verordnung bestimmte Seen oder bestimmte fließende Gewässer von der Geltung des Abs. 1 bzw. des Abs. 3 auszunehmen oder die Uferschutzbereiche einzuschränken, soweit auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere der Bebauung in diesen Gebieten, eine Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes durch Veränderungen in der Landschaft nicht zu erwarten ist. Einer Kundmachung zeichnerischer Darstellungen von eingeschränkten Uferschutzbereichen im Landesgesetzblatt bedarf es nicht. Die zeichnerischen Darstellungen sind während der Geltungsdauer der Verordnung beim Amt der Landesregierung sowie bei den berührten Bezirkshauptmannschaften und Gemeindeämtern zur allgemeinen Einsicht aufzulegen; darauf ist in der Verordnung hinzuweisen."

§ 12 Vlbg LSchG 1982 lautet auszugsweise:

"(1) Die Behörde kann die Einstellung der Arbeiten verfügen, wenn

a) Vorhaben, die nach den §§ 3 bis 6 oder nach einer auf Grund des § 8 erlassenen Verordnung verboten oder bewilligungspflichtig sind, ohne Bewilligung oder abweichend von der Bewilligung ausgeführt werden oder

b) ...

(2) Die Behörde hat demjenigen, der Vorhaben im Sinne des Abs. 1 ausführt, und, falls dieser nicht herangezogen werden kann, dem Grundeigentümer die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes mit Bescheid aufzutragen. ..."

2.2.1. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, daß durch die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung LGBl. Nr. 42/1987 bestimmte, in der zeichnerischen Darstellung des Amtes der Landesregierung ausgewiesene Flächen von der Geltung des § 4 Abs. 1 Vlbg LSchG 1982 ausgenommen worden seien. Die Parzellen des Beschwerdeführers lägen innerhalb dieser ausgenommenen Fläche. Die Erhaltung der Landschaft bei Seeuferflächen sei gegenüber dem Schutz im Bereich fließender Gewässer weit vorrangig. Damit bewirke die Ausnahme vom Landschaftsschutz einer Seeuferzone automatisch auch die Ausnahme vom Landschaftsschutz bei fließenden Gewässern, soweit diese innerhalb einer Seeuferzone lägen. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn das angeblich fließende Gewässer kaum 200 m lang sei und innerhalb der Seeuferzone von 500 m "entspringe".

2.2.2. § 1 der auf § 4 Abs. 4 Vlbg LSchG 1982 gestützten Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Einschränkung des Uferschutzbereiches des Bodensees in Bregenz, Fußach, Hard und Lochau lautet:

"Die Uferbereiche des Bodensees in Bregenz, Fußach, Hard und Lochau, die in der zeichnerischen Darstellung des Amtes der Landesregierung im Maßstab 1 : 5000 vom 7. Juli 1987, Zl. IVe-210/2, ausgewiesen sind, werden von der Geltung des § 4 Abs. 1 des Landschaftsschutzgesetzes ausgenommen."

Gemäß § 2 der Verordnung liegt die zeichnerische Darstellung beim Amt der Landesregierung, der Bezirkshauptmannschaft Bregenz sowie bei den Gemeindeämtern der genannten Gemeinden zur allgemeinen Einsicht während der Amtsstunden auf.

Der sachliche Geltungsbereich dieser Ausnahmeverordnung ist klar umschrieben: Die in der zeichnerischen Darstellung ausgewiesenen Uferbereiche des Bodensees werden von der Geltung des § 4 Abs. 1 Vlbg LSchG 1982, das ist vom Uferschutz im Bereich des Bodensees und eines daran anschließenden 500 m breiten Uferstreifens, ausgenommen. Eine Ausnahme vom Schutzbereich fließender Gewässer nach § 4 Abs. 3 leg. cit. ist nicht erfolgt, obwohl die Verordnungsermächtigung des § 4 Abs. 4 des Gesetzes sowohl die Ausnahme vom Schutzbereich nach Abs. 1 als auch von jenem nach Abs. 3 ermöglicht. Die Schutzobjekte nach § 4 Abs. 1 und nach § 4 Abs. 3 leg. cit. sind voneinander verschieden. Der dem Beschwerdeführer vorschwebende Größenschluß ist nicht gerechtfertigt, weil eine Ausnahme aus der (großräumigeren) Sicht des Seeuferschutzes (Schutz des durch den See und die Seeufervegetation geprägten Landschaftsbildes) keineswegs ausschließt, daß der Verordnungsgeber die betreffenden Grundstücke unter dem Gesichtspunkt des Fließgewässerschutzes weiterhin als schutzwürdig (etwa wegen des Anblickes der hiefür typischen Vegetation) angesehen hat. Daß das fließende Taggewässer dabei nur eine Länge von etwa 200 m aufweist, schließt diese vom Gesetzgeber den Fließgewässern zugewiesene Schutzwürdigkeit nicht aus.

Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid nicht dadurch mit Rechtswidrigkeit belastet, daß sie die Ausnahmeverordnung LGBl. Nr. 42/1987 auf die gegenständliche Maßnahme des Beschwerdeführers nicht angewendet hat.

Bei diesem Ergebnis war auch die Beischaffung der zeichnerischen Darstellung des Geltungsbereiches dieser Verordnung für die belangte Behörde entbehrlich, sodaß auch die diesbezügliche Verfahrensrüge nicht zu Recht besteht.

Weiters kam es im Hinblick auf den selbständig zu betrachtenden Landschaftsschutzbereich des Seeufers einerseits und des Schutzbereiches des Fließgewässers andererseits im vorliegenden Zusammenhang auf eine Erörterung der typischen Landschaftselemente des Bodenseeuferbereiches nicht an.

2.3.1. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß die Aufschüttung - wenn überhaupt von einem Schutzobjekt gesprochen werden könnte - nicht Regelungsgegenstand des Vlbg LSchG 1982 sei, sondern durch die örtliche Gemeinschaft innerhalb ihrer Grenzen besorgt werden müsse. Verwiesen werde auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1984, Zl. 84/10/0193, und vom 15. Februar 1980, Zl. 617/79.

2.3.2. Der Beschwerdeführer vertieft den Hinweis auf die genannten Vorerkenntnisse nicht, wirft damit aber offenkundig die Frage auf, ob das Vorhaben des Beschwerdeführers allenfalls nur örtliche Interessen am Landschaftsschutz berühre, weil es sich in seinen Auswirkungen als so unbedeutend erweisen könnte, daß die diesbezügliche Wahrnehmung des Landschaftsschutzes im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet wäre, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Damit würde er nach den Ausführungen des Vorerkenntnisses die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden des Landes in Frage stellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei Beantwortung dieser Frage vom § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 auszugehen, wonach im

Bereich von fließenden Gewässern ... Veränderungen im Sinne des

§ 4 Abs. 1 der Bewilligung der Behörde bedürfen und davon nur ortsübliche Einfriedungen für land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke ausgenommen sind. Mit dieser Regelung wurde die Bewilligungspflicht der genannten Eingriffe im Bereich von fließenden Gewässern vom Landschaftsschutzrecht dem überörtlichen Landschaftsschutz zugeordnet (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11.619/A, und vom 21. September 1987, Zl. 87/10/0101 = ZfVB 1988/3/916). Gemäß § 4 Abs. 4 leg. cit. hat die Landesregierung auf Antrag der betroffenen Gemeinde oder nach deren Anhörung durch Verordnung bestimmte fließende Gewässer von der Geltung des § 4 Abs. 3 leg. cit. auszunehmen, soweit auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere der Bebauung in diesen Gebieten, eine Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes durch Veränderungen in der Landschaft nicht zu erwarten ist. Gemäß § 27 Abs. 2 leg. cit. sind u.a. die in § 4 Abs. 4 geregelten Aufgaben der Gemeinde solche des eigenen Wirkungsbereiches. Gegen diese Regelung des § 4 Abs. 3 und 4 leg. cit. sind verfassungsrechtliche Bedenken aus Anlaß des Beschwerdefalles nicht entstanden. Eine Verordnung im Sinne des § 4 Abs. 4 leg. cit. wurde für das gegenständliche Fließgewässer nicht erlassen (siehe Punkt 2.2.). Daher besteht die Bewilligungspflicht für die geplanten Maßnahmen unter der Tatbestandsvoraussetzung, daß es sich tatsächlich um ein Fließgewässer handelt und der Eingriff im Schutzbereich erfolgen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 91/10/0129).

Ähnlich wie im hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11.619/A, ist der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall der Auffassung, daß die Bezirkshauptmannschaft zu Recht die Einstellung der Arbeiten zur Errichtung des Parkplatzes verfügt und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes angeordnet hat, ließ sich doch eine Beeinträchtigung überörtlicher Interessen nicht von vornherein ausschließen. Letzteres nicht nur deswegen, weil die Erheblichkeitsschwelle des Eingriffes für den Landschaftsschutz evident überschritten ist, sondern auch im Hinblick auf das Fehlen einer Verordnung im Sinne des § 4 Abs. 4 Vlbg LSchG 1982, was die Ausnahme vom Uferschutz des gegenständlichen Gerinnes anlangt.

Die Beurteilung der Bewilligungspflichtigkeit des Eingriffes als Tatbestandsvoraussetzung des Auftrages zur Arbeitseinstellung und zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes wurde also zuständigerweise von den Landschaftsschutzbehörden des Landes in Anspruch genommen.

2.4.1. In der Beschwerde wird schließlich geltend gemacht, es wäre unerläßlich gewesen, daß die belangte Behörde den zu beurteilenden "Graben (besser: Rinne)" zunächst hinsichtlich seiner Länge, Breite und Tiefe exakt ermittelt und dies in sachverhaltsmäßiger Hinsicht festgestellt hätte. Auch wären entsprechende Feststellungen über etwaige Durchflußmengen bzw. -geschwindigkeiten vorzunehmen gewesen. Erst danach hätte beurteilt werden können, ob es sich bei der nur rund 200 m langen Rinne um ein fließendes Gewässer im Sinne des § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 gehandelt habe oder nicht.

2.4.2. Der Begriff des fließenden Gewässers im Sinne des § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 setzt nicht voraus, daß es sich um ein ganzjährig wasserführendes Gerinne handeln muß, vielmehr ist ein Oberflächen-Gerinne auch dann als fließendes Gewässer zu beurteilen, wenn es z.B. in längeren Trockenperioden austrocknet. Ebensowenig kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob das Gerinne natürlich entstanden oder das Ergebnis von menschlichen Maßnahmen ist (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 21. September 1987, Zl. 87/10/0101 = ZfVB 1988/3/916), etwa aus dem Überwasser von Quellfassungen oder Drainagewässern gespeist wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 91/10/0129).

Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. Dezember 1984, Slg. N.F. Nr. 11.619/A, Feststellungsmängel hinsichtlich der dauernden Wasserführung für relevant erachtete, so erfolgte dies vor dem Hintergrund der Beeinträchtigung von Landschaftsschutzinteressen, nicht aber hinsichtlich der hier erörterten zunächst vorrangigen Frage der Eigenschaft des Gewässers als fließendes Gewässer und damit der Bewilligungspflichtigkeit des Vorhabens.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage reichen die getroffenen Feststellungen der belangten Behörde allerdings nicht aus, um den in Rede stehenden Graben und das darin enthaltene Wasser als fließendes Gewässer im Sinne des § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 zu qualifizieren.

Das Gutachten des Sachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz vom 3. September 1990 spricht von einem ehemaligen Fischhälterteich und einem Gerinne, gibt aber keinerlei Aufschluß über die vom Beschwerdeführer bestrittene Eigenschaft als Fließgewässer.

Der um ein Gutachten ersuchte wasserbautechnische Amtssachverständige hat am 24. Juni 1991 kein Gutachten, sondern eine bloße Stellungnahme abgegeben, wobei er bemerkte, daß für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei dem "Gerinne" um ein fließendes Gewässer handle, unter anderem zur Abklärung aller offenen wasserbautechnischen Fragen der gesamte Vorakt und insbesondere die Berufungsschrift von Bedeutung wären, unabhängig davon jedoch werde zu dieser Frage Stellung bezogen. Sodann beschreibt er, daß die Schüttung für einen Parkplatz direkt ein stehendes Gewässer und einen offenen natürlichen Graben berühre. Letzterer werde "am ehesten als ein Fließgewässer im Mündungsbereich in einen See anzusprechen" sein. Zu Recht verweist der Beschwerdeführer zunächst darauf, daß der Hinweis des Amtssachverständigen auf Pflanzen und Tiere, die für ein Fließgewässer typisch seien, mangels jeglicher Konkretisierung derselben nicht aussagekräftig ist. Gleiches gilt wohl für den Hinweis des Sachverständigen auf die Bezeichnung als "Graben" im Katasterplan, die er als weiteres Indiz für ein Fließgewässer wertet, da es im Hinblick auf mögliche veränderte Verhältnisse bei der Wasserführung auf den gegenwärtigen Charakter des Gewässers ankommt. Zwar spricht der Sachverständige von einem Fließgewässer und vom "Abfließen des Grabens"; ein klarer Befund, er selbst habe beim Lokalaugenschein das Fließen eines Gewässers wahrgenommen, enthält die Stellungnahme jedoch nicht. Vielmehr wird lediglich festgehalten, und zwar ohne die Darlegungen im Tatsachenbereich ausreichend zu konkretisieren, der Graben habe neben dem rückstaubedingten Hochwasserstand auch eine deutliche Wasserführung und die entsprechende Flora und Fauna eines natürlichen, langsam fließenden Gewässers aufgewiesen. Aufklärungsbedürftig erscheint auch die unklare Formulierung "Neben diesem Tümpel bzw. auch als Zufluß und Abfluß fließt jedoch entlang der Gst.Nr. 19/3 zur Gst.Nr. 19/1 ein offener, natürlicher Graben ab." Diese Formulierung läßt das Verhältnis des Grabens zum Tümpel und die diesbezüglichen Zu- und Abflußverhältnisse offen. Ferner enthält die Stellungnahme die Feststellung, daß der Graben vom aufstoßenden Grundwasser gespeist werde, somit schwanke dessen Wasserführung in Abhängigkeit des "Seewasserstandes und des Grundwasserspiegels"; damit im Zusammenhang formuliert sodann der Sachverständige selbst das Ergebnis seiner Überlegungen sehr vorsichtig, wenn er abschließend feststellt, der gegenständliche Graben sei "am ehesten als ein Fließgewässer im Mündungsgebiet eines Sees anzusprechen".

Wegen der Ergänzungsbedürftigkeit der Befundaufnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen fehlten der belangten Behörde ausreichende Sachverhaltsgrundlagen (über Länge, Breite und Tiefe des Gewässers und die periodische Wiederkehr der Wasserführung sowie vor allem über die Fließbewegung, letzteres zum Zwecke der nachvollziehbaren Unterscheidung eines Fließgewässers von see- oder grundwassergespeisten "stehenden" Gewässern), die es ihr ermöglicht hätten, die Rechtsfrage zu klären, ob der gegenständliche, Wasser führende Graben als ein fließendes Gewässer im Sinne des § 4 Abs. 3 Vlbg LSchG 1982 zu beurteilen ist. Das Verwaltungsverfahren erweist sich daher als ergänzungsbedürftig und mangelhaft, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

2.5. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in der entscheidenden Frage nach der Eigenschaft des Gewässers als fließendes Gewässer und damit in der Frage der Bewilligungspflichtigkeit der vorgenommenen Aufschüttungen zwecks Errichtung eines Parkplatzes mit einer für das Verfahrensergebnis relevanten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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