Normen
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs7;
VwRallg;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §4 Abs7;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 19. Dezember 1989 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 4 Abs. 3 und 7 iVm § 34 Abs. 1 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65 (im folgenden: Stmk NSchG 1976), aufgetragen, die widerrechtlich aufgestellte Werbetafel im Ausmaß von ca. 7 m Länge und 3,5 m Höhe auf dem Grundstück Nr. 34/1 der KG S zu entfernen. Nach der Begründung dieses Bescheides sei die Ankündigung außerhalb "geschlossener Ortschaften" angebracht; eine standortbezogene Notwendigkeit könne nicht nachgewiesen werden; die Einrichtung sei geeignet, das Landschaftsbild zu verunstalten.
Die beschwerdeführende Partei, vertreten durch den nunmehrigen Beschwerdevertreter, erhob Berufung. Darin wird die Begründungslosigkeit des erstinstanzlichen Bescheides geltend gemacht. Die Werbetafel befinde sich innerhalb der geschlossenen Ortschaft. In einem Radius von 20 bis 25 m - zum Teil auch wesentlich darunter - befänden sich verschiedene Gebäude. In Blickrichtung H befinde sich in einer Entfernung von 23 m ein Wohnhaus; daneben verlaufe die Bundesstraße 54, in Richtung G gesehen stehe rund 35 bis 40 m entfernt ein Wohnhaus, weitere Gebäude stünden in einem Radius von rund 40 m.
Die Berufungsbehörde holte folgendes Gutachten des Amtssachverständigen der Fachstelle Naturschutz ein:
"Die ggstdl. Werbeanlage befindet sich westlich der Wechselbundesstraße im Bereich einer Straßenkreuzung auf einer Grünfläche. Westlich des Standplatzes der Ankündigungsanlage dehnt sich das geschlossen bebaute Gebiet von S aus. Östlich hingegen befinden sich Bauobjekte in Streulage innerhalb der freien Landschaft, die durch ihre großen Abstände untereinander nicht den Eindruck eines geschlossenen, bebauten Gebietes vermitteln.
Da der Abstand der Werbeeinrichtung von den letzten Objekten der geschlossenen Ortschaft von S im Norden 55 m und im Süden 35 m beträgt und diese Werbeanlage deshalb aus dem Schatten der Gebäude der geschlossenen Ortschaft deutlich hervortritt, ist der Standplatz der Werbeeinrichtung der freien Landschaft zuzuordnen.
Auch bei großräumiger Betrachtungsweise ist festzustellen, daß sich die Werbeanlage nicht auf einer Grünfläche innerhalb geschlossen bebauten Gebietes befindet. Die im Osten anschließende lückenhafte Verbauung kann den großräumigen Charakter der freien, unverbauten Landschaft nicht durchbrechen, da in weiterer Folge ausgedehnte landwirtschaftliche Freiflächen anschließen und auch zwischen den einzelnen Bauobjekten die freie Landschaft vorherrscht.
Aus den oben genannten Gründen wäre aus fachlicher Sicht die Entscheidung der I. Instanz deshalb zu bestätigen."
Dieses Gutachten wurde von der Berufungsbehörde der Außenstelle der beschwerdeführenden Partei in Graz zur Stellungnahme im Sinne des § 45 AVG zugeleitet.
1.2. Mit Bescheid vom 4. Februar 1991 wies die Steiermärkische Landesregierung die Berufung als unbegründet ab.
Die getroffenen Feststellungen dieses Bescheides sind die wörtliche Wiedergabe des Amtssachverständigengutachtens. Sodann heißt es, wenn der Amtssachverständige feststelle, daß sich im Osten der Werbetafel nur eine lückenhafte Verbauung befinde und kein räumlicher Zusammenschluß einer Vielfalt von Bauwerken, dann habe die Behörde davon auszugehen, daß die freie Landschaft im Osten bis zur Werbetafel reiche. Wenn darüberhinaus der Abstand der Werbetafel zum letzten Gebäude des geschlossen verbauten Gebietes viel zu groß sei, um davon zu sprechen, daß sich die Tafel innerhalb des Schattens des letzten Gebäudes befinde, dann stehe für die Behörde zweifelsfrei fest, daß sich die Werbetafel im Freiland befinde.
Der Hinweis auf den Begründungsmangel des erstinstanzlichen Bescheides sei nicht ganz unberechtigt, jedoch hätte die Behörde selbst bei Einhaltung des § 60 AVG auf Grund der faktischen Gegebenheiten nicht zu einer anderen Entscheidung kommen können.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach der Begründung der Beschwerde befänden sich in einem Radius mit einem Streubereich zwischen 25 und 35 m von der Werbetafel entfernt mehrere Gebäude. Die Tafel selbst stehe im Kreuzungsbereich der Wechselbundesstraße mit einer Nebenstraße. 23 m südlich der Werbetafel befinde sich ein Wohnhaus, an dieses schließe wiederum im Süden eine Tankstelle an. 35 m nördlich der Werbetafel befinde sich, etwas nach Westen versetzt, ebenfalls ein Wohnhaus. Nordöstlich der Werbetafel, jenseits der Wechselbundesstraße, stehe ein größeres Stallgebäude, daneben eine Werbetafel eines Konkurrenzunternehmens. Der Amtssachverständige lasse völlig außer Betracht, daß sich in allen Himmelsrichtungen und im unmittelbaren Nahebereich der Werbetafel Gebäude befänden. Die Feststellungen der belangten Behörde, welche ausschließlich auf dem Aktenvermerk des Amtssachverständigen aufbauten, seien somit unvollständig. Eine großflächige Betrachtung bestätige, daß sich die Werbeeinrichtung innerhalb der geschlossenen Ortschaft befinde, stünden doch im unmittelbaren Nahebereich mehrere Wohnhäuser, Tankstellen und Wirtschaftsgebäude. Allein wegen der lückenhaften Verbauung im Osten der Werbetafel hätte das Vorliegen einer geschlossenen Ortschaft nicht verneint werden dürfen.
Das Parteiengehör sei nicht ordnungsgemäß gewährt worden, da der namhaft gemachte Parteienvertreter von der Behörde übergangen worden sei.
Der Amtssachverständige habe sich unzulässigerweise in Rechtsfragen eingemengt, wenn er zum Ergebnis gelange, daß die großen Abstände nicht den Eindruck eines geschlossen bebauten Gebietes vermittelten.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides habe sich mit den in der Berufung vorgebrachten Tatsachen nicht auseinandergesetzt, zumal die Entfernungsangaben nicht völlig mit jenen des Amtssachverständigen übereinstimmten.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz Stmk NSchG 1976 dürfen Ankündigungen (Werbeeinrichtungen, Bezeichnungen, Hinweise und nichtamtliche Bekanntmachungen) außerhalb geschlossener Ortschaften nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden. Nicht bewilligte Ankündigungen sind gemäß § 4 Abs. 7 leg. cit. binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde von demjenigen zu entfernen, der sie veranlaßt hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof, seine ständige Rechtsprechung zusammenfassend, etwa in seinem Erkenntnis vom 21. November 1994, Zl. 91/10/0061, ausgesprochen hat, liegt eine "geschlossene Ortschaft" im Sinne des § 4 Abs. 1 leg. cit. insoweit vor, als das äußere Erscheinungsbild des Ortes oder Ortsteiles überwiegend von einer größeren Ansammlung von Bauwerken einschließlich der sie etwa umgebenden Grünanlagen geprägt wird, oder von einem räumlichen Zusammenschluß einer Vielheit von Bauwerken gesprochen werden kann, der sich durch den Zusammenschluß von einzelnen verstreut liegenden Baulichkeiten sichtbar abhebt. Da nur jene Störungen des Landschaftsbildes erfaßt sind, die von Ankündigungen außerhalb geschlossener Ortschaften ausgehen, kommt es dabei nicht etwa auf den Ausblick auf die Landschaft, sondern nur auf die Umgebung des Standortes an, so zwar, daß selbst ausgedehntere Grünflächen inmitten stark verbauten Gebietes allenfalls noch innerhalb der geschlossenen Ortschaft liegen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1994, Zl. 92/10/0391). Für die Beurteilung der Frage, ob eine geschlossene Ortschaft, die sich von der verbliebenen natürlichen Landschaft abhebt, vorliegt oder nicht, ist daher eine großflächige Betrachtungsweise geboten (vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1981, Zl. 81/10/0040 = ZfVB 1982/5/1728, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ob sich der fragliche Bereich in oder außerhalb des Bereiches von Ortstafeln befindet, ist ohne Belang (vgl. das Erkenntnis vom 1. Juni 1981, Zlen. 81/10/0006, 0015 = ZfVB 1982/5/1727). Werbeeinrichtungen, die außerhalb des letzten Gebäudes, das zu einer geschlossenen Ortschaft zählt, aufgestellt sind, liegen außerhalb der geschlossenen Ortschaft im Sinne des § 4 Abs. 1 Stmk NSchG 1976. Von diesem Grundsatz ist jedoch insofern eine Ausnahme denkbar, als eine Werbeeinrichtung an einem Gebäude selbst angebracht ist oder sich in einem derartigen räumlichen Naheverhältnis zu einem Gebäude befindet, daß die Werbeeinrichtung sozusagen nicht aus dem Schatten des Gebäudes hervortritt (vgl. das Erkenntnis vom 13. August 1991, Zl. 91/10/0073 = ZfVB 1992/4/1554).
2.2. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zur Lage der Werbeeinrichtung innerhalb oder außerhalb einer geschlossenen Ortschaft zum einen festgestellt, daß sich im Osten der Werbetafel nur eine lückenhafte Verbauung befinde und kein räumlicher Zusammenschluß einer Vielfalt von Bauwerken bestehe, sodaß die freie Landschaft im Osten bis zur Werbetafel reiche. Zum anderen sei der Abstand der Werbetafel zum letzten Gebäude des geschlossen verbauten Gebietes viel zu groß, um davon zu sprechen, daß sich die Tafel innerhalb des Schattens des letzten Gebäudes befinde.
Diese Feststellungen gründen sich ausschließlich auf das Gutachten des Amtssachverständigen der Fachstelle für Naturschutz der Steiermärkischen Landesregierung vom 24. Juli 1990. 2.2.1. Dieses im Zuge des Berufungsverfahrens erstellte Gutachten wurde allerdings nicht dem rechtsfreundlichen, im Berufungsverfahren eingeschrittenen Vertreter der beschwerdeführenden Partei, sondern dieser selbst, und zwar ihrer Außenstelle Graz, zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt. Die ausgewiesene Vollmacht des Vertreters (des nunmehrigen Beschwerdevertreters) umfaßte auch die Bevollmächtigung, Zustellungen aller Art entgegenzunehmen, wobei auf die Rechtsprechung hingewiesen sei, daß auch eine allgemeine Vollmacht eine Zustellungsbevollmächtigung im Sinne des § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes umfaßt. Die Bestellung eines Vertreters bedeutet jedenfalls, daß Zustellungen im Verfahren an den Vertreter zu erfolgen haben (vgl. Walter-Mayer, Zustellrecht, Anm. 5 zu § 9). Die prozeßleitende Verfügung der Einräumung des Parteiengehörs im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG hätte daher an den Vertreter der beschwerdeführenden Partei gerichtet werden müssen (vgl. zB das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 7. Februar 1958, Slg. N.F. Nr. 4557/A, und das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1969, Zl. 213/67).
2.2.2. Die beschwerdeführende Partei ist ihrer in der Rechtsprechung geforderten, bei einer Verletzung des Parteiengehörs freilich nicht zu überspannenden Verpflichtung, die Relevanz des Verfahrensmangels vor dem Verwaltungsgerichtshof zu behaupten und darzutun, erkennbar nachgekommen. Sie hat eine eigene Gegendarstellung des Sachverhaltes gegeben, insbesondere auch behauptet, es befänden sich auch im Osten ("in allen Himmelsrichtungen und im unmittelbaren Nahbereich") der Werbetafel Gebäude, während der Amtssachverständige und ihm folgend der angefochtene Bescheid einen Sachverhalt zugrundelegt, den die belangte Behörde sodann in ihrer Gegenschrift als eine von Osten bis zur Werbetafel reichende "Freilandzunge" bezeichnet hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, daß die beschwerdeführende Partei im vorliegenden Fall, in dem sich Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit des dem Sachverständigengutachten (zu dem ihr rechtliches Gehör nicht eingeräumt worden war) zugrundegelegten Sachverhaltes ergeben, ihrer Behauptungslast in ausreichender Weise entsprochen hat. Der unterlaufene Verfahrensmangel ist auch tatsächlich relevant. Es kann nämlich auf dem Boden der Begründung des angefochtenen Bescheides nach der Aktenlage nicht davon ausgegangen werden, daß die im angefochtenen Bescheid festgestellte Art und Lage der Verbauung in der Umgebung der Werbetafel offenkundig mit der Natur übereinstimmt und die Darstellung der beschwerdeführenden Partei offenkundig unzutreffend wäre. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof schon in bestimmten Fragestellungen (etwa der Höhenlage von Siedlungen) die Darstellung auf Landkarten (etwa der ÖK 50 des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen) als offenkundige Tatsache behandelt (vgl. im Ergebnis das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 90/17/0386), im vorliegenden Fall fehlt dazu allerdings jegliche Grundlage. Die in den Akten erliegende Ablichtung einer Plandarstellung (Ausschnitt eines Katasterplanes) enthält nämlich weder eine Maßstabsangabe noch eine Datierung. Ersteres wäre für die Entfernung der Gebäude voneinander (insbesondere in der fraglichen "Freilandzone") von entscheidender Bedeutung, letzteres für die Frage der Bewilligungsbedürftigkeit der Werbeeinrichtung im Zeitpunkt ihrer Errichtung. Es kann daher nicht gesagt werden, daß die belangte Behörde auch bei Vermeidung der Verfahrensmängel zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.
2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensfehlern belastet hat, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)