VwGH 95/21/0404

VwGH95/21/040418.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Mag. B, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 7. September 1994, Zl. FrB-4250/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (belangte Behörde) vom 7. September 1994, mit welchem gegen den Beschwerdeführer ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden ist.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer, ein italienischer Staatsangehöriger, mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Konstanz vom 23. März 1989 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei, weil er in den Jahren 1983 und 1984 in Konstanz mit Heroin und Kokain in nicht geringen Mengen Handel getrieben habe. Gegen den Beschwerdeführer sei ein nationaler Haftbefehl des Bezirksamtes Kreuzlingen/Schweiz vom 18. Dezember 1990 wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz aufrecht. Der Polizeidirektion Konstanz lägen neuerlich Hinweise vor, wonach der Beschwerdeführer im Suchtgifthandel tätig sei. Im Jahre 1994 seien gegen den Beschwerdeführer Vorerhebungen wegen Drogenhandels geführt worden, das diesbezügliche Strafverfahren sei vom Landesgericht Feldkirch am 27. Juli 1994 gemäß § 109 StPO eingestellt worden. Der Beschwerdeführer bestreite zwar, in seinem Leben jemals etwas mit Suchtgift zu tun gehabt zu haben, dies sei jedoch nicht glaubwürdig. Es bestehe vielmehr "kein Zweifel, daß er wiederholt in der Suchtgiftszene tätig war". Diese Annahme sei deswegen gerechtfertigt, weil der Beschwerdeführer gegen das gegen ihn erlassene Urteil keine Rechtsmittel eingebracht und auch - entgegen seiner Ankündigung - mit den schweizerischen Behörden nicht in Kontakt getreten sei.

Der Beschwerdeführer lebe seit zweieinhalb bis drei Jahren in Österreich und habe sich in dieser Zeit jeweils für vier Monate beim Meldeamt in H polizeilich angemeldet und sei danach jeweils für ein bis eineinhalb Monate nach Italien gefahren, wo er in Neapel gemeinsam mit seinem Bruder ein Friseurgeschäft betreibe. Er lebe in Österreich mit einer österreichischen Staatsangehörigen, die im fünften Monat von ihm schwanger sei. Seinen eigenen Angaben zufolge bestreite er seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen seiner Lebensgefährtin sowie durch Billard- bzw. Kartenspiele.

Die belangte Behörde sah die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z. 1 und auch jene der §§ 18 Abs. 1 und 31 des Fremdengesetzes (FrG) für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt, welches sie auch im Hinblick auf das im Bundesgebiet bestehende Familienleben des Beschwerdeführers angesichts der §§ 19 und 20 FrG als gerechtfertigt ansah. Die Vernetzung der Vorarlberger Drogenszene mit jener der Ostschweiz und dem süddeutschen Raum ließe auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auch in Österreich schließen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, "wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft." Gemäß Abs. 2 Z. 1 der genannten Gesetzesstelle hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder "von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten ... rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht". Gemäß § 31 Abs. 1 FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger "nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist". Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 19 FrG nur zulässig, "wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist"; ein Aufenthaltsverbot darf weiters gemäß § 20 Abs. 1 FrG dann nicht erlassen werden, "wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung". Bei dieser Abwägung ist auf "die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen" sowie "die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen" Bedacht zu nehmen.

4. Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellung der belangten Behörde nicht, daß er am 23. März 1989 vom Landesgericht Konstanz wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Er meint jedoch, daß diese Verurteilung bereits sechs Jahre zurückliege, weshalb schon allein aus diesem Grund ein Aufenthaltsverbot nicht gerechtfertigt sei. Er stelle für Österreich keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, zumal er noch nie in seinem Leben etwas mit Suchtgift zu tun gehabt habe. Während seines bisher zweieinhalb bis drei Jahre währenden Aufenthaltes in Österreich habe er sich keiner gerichtlichen strafbaren Handlung schuldig gemacht. Ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren des Landesgerichtes Feldkirch sei eingestellt. Von einer Gefahr des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet könne keine Rede sein.

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich dieser Auffassung des Beschwerdeführers nicht anschließen. Die belangte Behörde konnte zu Recht davon ausgehen, daß die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne der §§ 18 Abs. 1 sowie 31 Abs. 1 FrG bildet. Sie hat die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe noch niemals mit Suchtgift zu tun gehabt, zu Recht für unglaubwürdig gefunden, zumal das Urteil des Landesgerichtes Konstanz rechtskräftig ist. Zwar lagen die vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schon zehn Jahre und das diesbezügliche Urteil fünf Jahre zurück. Angesichts der von der Suchtgiftkriminalität ausgehenden schweren Gefährdungen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0753), des weiterhin aufrechten schweizerischen Haftbefehls sowie des Lebenswandels des Beschwerdeführers vermögen diese Umstände an der Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im vorliegenden Fall aber nichts zu ändern. Daß der Beschwerdeführer die diesbezüglichen strafbaren Handlungen im Ausland begangen hat und deswegen im Ausland bestraft worden ist, fällt im vorliegenden Fall nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht, zumal § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG ausdrücklich anordnet, daß eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht einer solchen durch ein inländisches Gericht dann gleichzuhalten ist, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet. Im übrigen kann nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde aus dem im Bodenseeraum gesetzen strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auch in Österreich schloß.

Auch die Anwendung des § 31 Abs. 1 FrG, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger nur zulässig ist, wenn aufgrund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wurde von der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht rechtswidrig vorgenommen. Sie konnte aufgrund des persönlichen Verhaltens des Beschwerdeführers zurecht von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung ausgehen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. EuGH vom 27. Oktober 1977, Rs-C 30/77 (Bouchereau) Slg. 1977, 1999, 2013).

5. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde auch vor, sie habe seine privaten Interessen in Österreich nicht ausreichend berücksichtigt. Er halte sich mit Unterbrechungen seit zweieinhalb bis drei Jahren in Österreich auf, habe in dieser Zeit in Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen gelebt, die mittlerweile ein gemeinsames Kind zur Welt gebracht habe. Eine Abwägung zwischen den öffentlichen und seinen privaten Interessen falle eindeutig zugunsten des Beschwerdeführers aus.

Auch dieser Vorwurf ist im Ergebnis nicht berechtigt. Es begegnet nämlich keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde angesichts des dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verbrechens des Suchtgifthandels davon ausging, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und des Schutzes der Gesundheit dringend geboten sei. Der Verwaltungsgerichtshof mißt bei Anwendung des § 20 Abs. 1 FrG im Falle von Suchtgiftdelikten eines Fremden aufgrund der besonderen Gefährlichkeit dieser Delikte den maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch gegenüber starker sozialer Integration des Fremden im Bundesgebiet ein sehr hohes Gewicht bei (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0025, m.w.N.). Auch im vorliegenden Fall läßt daher die Tatsache, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mit Unterbrechungen seit zweieinhalb bis drei Jahren mit einer österreichischen Staatsangehörigen, welche von ihm ein Kind erwartete, in Lebensgemeinschaft gelebt habe, den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig erscheinen.

Schließlich begegnet die mit zehn Jahren erfolgte Befristung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 21 Abs. 1 FrG keinen Bedenken, zumal zwar die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Strafdelikte schon einige Zeit zurückliegen, andererseits aber im Hinblick auf § 21 Abs. 1 FrG auch die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig gewesen wäre (vgl. z.B. die genannten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1995 und vom 28. April 1995).

6. Aus den genannten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte