VwGH 95/18/0753

VwGH95/18/075328.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Februar 1995, Zl. SD 70/95, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs2;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §23a;
StGB §43;
StGB §46;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs2;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §23a;
StGB §43;
StGB §46;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Februar 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer wegen Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z. 3 des Suchtgiftgesetzes (SGG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei (laut Beschwerde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. September 1994). Die verhängte Strafe übersteige das im § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG vorgesehene Mindestmaß um ein Mehrfaches und es bestehe nicht der geringste Zweifel, daß bei einem solchen Delikt der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Sicherheit gefährde und auch den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe (§ 18 Abs. 1 FrG).

Dem Beschwerdeführer - der im Bundesgebiet keine Familienangehörigen habe - sei zuzugestehen, daß er sich seit Anfang des Jahres 1991 aufgrund von Sichtvermerken bzw. einer noch gültigen Aufenthaltsbewilligung in Österreich aufhalte. Selbst wenn man im Hinblick darauf einen relevanten Eingriff in sein Privatleben durch das Aufenthaltsverbot annehmen würde, sei die Erlassung dieser Maßnahme in Anbetracht des hohen Stellenwertes, welcher der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität zukomme, und der solchen Delikten geradezu wesensimmanenten Wiederholungsgefahr zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und daher gemäß § 19 FrG zulässig. Bei solchen Delikten seien die öffentlichen Interessen und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes so schwerwiegend, daß die Auswirkungen auf die Lebenssituation eines Fremden selbst bei völliger sozialer Integration nicht berücksichtigt werden könnten (§ 20 Abs. 1 FrG). Daß sich der Beschwerdeführer seit seiner Verurteilung, also während eines Zeitraumes von drei Monaten bis zur Einbringung der Berufung, nichts habe zuschulden kommen lassen, könne wohl nicht ernsthaft zu seinen Gunsten verbucht werden. Dem Umstand, daß sich der Beschwerdeführer einer Drogentherapie unterziehe und deshalb ein Aufschub der Vollstreckung der Strafe bewilligt worden sei, vermöge an der vorliegenden Entscheidung nichts zu ändern und könne auch die Wiederholungsgefahr nicht ausschließen.

Im übrigen sei vorliegend auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht, weil der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom 15. Juni 1994 in zwei Fällen wegen Übertretung des Meldegesetzes bestraft worden sei. Darüber hinaus sei er im Jahr 1992 wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkerberechtigung sowie wegen Fahrerflucht bestraft worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt der - auf den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen beruhende - Schluß auf das Vorliegen sowohl des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) als auch des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit., die Berechtigung der im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme sowie das Dringend-geboten-sein und damit die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. unbekämpft. Die rechtliche Beurteilung, daß in einem Fall wie dem vorliegenden die Annahme nach § 18 Abs. 1 FrG gerechtfertigt und auch die Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. zu bejahen sei, begegnet keinen Bedenken; sie steht allein schon in Ansehung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. durch die gerichtliche Verurteilung wegen Verbrechens des Suchtgifthandels in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. September 1994, Zl. 94/18/0600, und vom 5. April 1995, Zl. 94/18/0989).

2.1. Die Beschwerde erachtet die von der belangten Behörde nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Es sei die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer einer Drogentherapie unterziehe, nicht berücksichtigt worden. Das Gericht habe mit Beschluß vom 2. Jänner 1995 dem Beschwerdeführer gemäß § 23 a Abs. 1 SGG Strafaufschub für zwei Jahre gewährt, damit sich dieser der notwendigen Therapie unterziehen könne. Es könne nicht i.S. des Gesetzgebers sein, daß ein Gericht "einem Verurteilten die Möglichkeit gibt, sich von einem Laster zu befreien und auf der anderen Seite eine Verwaltungsbehörde durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dieser Möglichkeit entgegentritt". Da sich der Beschwerdeführer derzeit in Therapie befinde, wiege die Erlassung des Aufenthaltsverbotes für seine private Situation sehr viel schwerer als die Gefährdung der Allgemeinheit und die Bedrohung der inneren Sicherheit der Republik Österreich.

2.2. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde den Umstand, daß er sich einer Drogentherapie unterziehe, in ihre Erwägungen im Rahmen der Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG miteinbezogen. Daß sie dies nicht i.S. der Vorstellungen des Beschwerdeführers getan hat, macht das Ergebnis der Abwägung nicht rechtswidrig. So wie im Fall einer gerichtlich ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe die zur Vollziehung des Fremdengesetzes zuständige Behörde nicht an die hiebei vom Gericht angestellten Erwägungen gebunden ist, sie vielmehr die im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu treffen hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/1028, mwN), so ist sie auch in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Gericht einen Aufschub des Vollzuges der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe bewilligt hat, um ihm eine notwendige ärztliche Behandlung zu ermöglichen (§ 23 a SGG), dieser selbständigen und den fremdenrechtlichen Normen verpflichteten Abwägung nicht enthoben. Der Umstand, daß das Gericht aus seiner Sicht zur Ermöglichung einer Therapie einen Vollzugsaufschub für angezeigt hält, führt nicht dazu, daß - wie die Beschwerde meint - die belangte Behörde allein aufgrund des darin begründeten Interesses des Beschwerdeführers, weiter in Österreich zu bleiben, seine privaten Interessen bzw. die Auswirkung des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation als schwerer wiegend zu werten hätte als die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gravierend beeinträchtigten gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Wenn die belangte Behörde im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die mit ihr verbundene große Wiederholungsgefahr den maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht beigemessen hat als den mit dieser Maßnahme für den Beschwerdeführer verbundenen negativen Auswirkungen, so kann dieses Abwägungsergebnis angesichts der insgesamt nicht stark ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal nicht ersichtlich ist und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet wird, daß er sich nicht auch in einem anderen Land als Österreich einer Drogentherapie unterziehen könne. Überdies sei hiezu abschließend festgehalten, daß auch die den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllenden verpönten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers im Rahmen der Abwägung nach § 20 Abs. 1 leg. cit. zu seinen Lasten zu berücksichtigen waren.

3. Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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