VwGH 95/21/0067

VwGH95/21/006718.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1994, Zl. 103.912/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §1 Abs2;
AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs2;
AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §9 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AufG 1992 §1 Abs2;
AufG 1992 §2 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs2;
AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §9 Abs3;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der am 10. Dezember 1993 im Wege der österreichischen Botschaft Preßburg gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgewiesen.

Gemäß § 9 Abs. 3 AufG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese Höchstzahl sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens habe ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können.

Angesichts dieser Rechtslage sei, ohne auf das weitere Berufungsvorbringen einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, daß die belangte Behörde keine Erhebungen dahingehend getätigt habe, weshalb die Behörde erster Instanz nicht unverzüglich über den Antrag meritorisch positiv entschieden habe. Eine solche Anfrage hätte ergeben, daß die Behörde erster Instanz offensichtlich bloß im Hinblick auf die Mitte des Jahres zu erwartende Ausschöpfung der Höchstzahl den begründeten Antrag des Beschwerdeführers nicht unverzüglich rasch erledigt habe.

Dem ist zu entgegnen, daß sowohl die belangte Behörde als auch die Behörde erster Instanz bei ihrer Entscheidung auf die zu diesem Zeitpunkt maßgebende Sachlage und geltende Rechtslage abzustellen hatten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0639). Von daher gesehen entbehrt die Frage, weshalb die Behörde nicht früher entschieden habe, der rechtlichen Relevanz; der Umstand allein, daß das Verfahren mehr als sechs Monate gedauert hat, macht die Entscheidung nicht rechtswidrig.

In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen sei. Auch der Gerichtshof hegt gegen diese Feststellung keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer meint aber, daß in seinem Fall eine Anwendung des § 3 AufG zum Tragen käme. Er sei seit 19. Mai 1993 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Da diese Ehe bereits seit mehr als eineinhalb Jahren bestehe, habe er einen Rechtsanspruch gemäß § 3 AufG auf Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung. Auch wenn die Jahresfrist im Zeitpunkt der Antragstellung zu prüfen sei, sei gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. diese Frist dann zu verkürzen, wenn der Ehegatte im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und auf Dauer der Lebensunterhalt und die Einkünfte ausreichend gesichert seien. Er habe darauf hingewiesen, daß er seit 15. Juni 1994 einer Beschäftigung als Lagerarbeiter nachgehe. In diesem Zusammenhang habe er auch entsprechende Lohnnachweise erbracht. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde daher gemäß § 9 Abs. 3 AufG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 AufG den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bewilligen müssen, jedenfalls aber die Entscheidung über den anhängigen Antrag unter Berufung auf die erschöpfte Landeshöchstzahl auf das Jahr 1995 verschieben müssen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0598 und seither in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 94/18/0870) zum Ausdruck gebracht hat, kommt es im Grunde des § 9 Abs. 3 AufG nicht allein darauf an, ob ein Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 AufG besteht, vielmehr schließt die Wendung "Anträge gemäß § 3" die Bedachtnahme auch auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 leg. cit. mit ein. Die Behörde hat somit - bei entsprechendem Vorbringen des Fremden im Verfahren - auch diese Bestimmung in ihre Erwägungen einzubeziehen.

Daß der Beschwerdeführer entgegen seiner Ansicht keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AufG hatte, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt erliegenden Heiratsurkunde, die als Tag der Eheschließung den 19. Mai 1993 ausweist, somit belegt, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung

(21. Dezember 1993) - auf den allein gemäß § 3 Abs. 2 AufG abzustellen ist - erst etwa sieben Monate (die genannte Bestimmung erfordert mindestens ein Jahr) mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war.

Eine Verkürzung der Frist des § 3 Abs. 2 AufG erfordert gemäß § 3 Abs. 3 erster Satz leg. cit. u.a., daß der Ehegatte im gemeinsamen Haushalt mit dem Fremden gelebt hat, wobei sich der Fremde während der Zeit des Zusammenlebens mit dem Ehegatten, sofern dies im Bundesgebiet der Fall war, dort grundsätzlich rechtmäßig aufgehalten haben muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1995, Zl. 95/21/0042, mit weiterem Nachweis).

Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, nur das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AufG prüfen zu müssen, hat die belangte Behörde Feststellungen über die Voraussetzungen der Ermessensbestimmung des § 3 Abs. 3 leg. cit. nicht getroffen.

Auf diese Vorschrift hat der Beschwerdeführer in seinem Antrag insofern der Sache nach bezug genommen, als er anführte:

"In Österreich/Wien seit über drei Jahren gemeinsame Lebensgemeinschaft". Weiters ergibt sich aus dem Antrag, daß der Beschwerdeführer seit 20. Jänner 1993 an einer bestimmt bezeichneten Anschrift in Wien wohne. Dies wird durch einen diesbezüglichen Meldezettel belegt; aus dem Meldezettel ergibt sich, daß der Beschwerdeführer vor diesem Datum keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet unterhielt. Dem Akteninhalt ist weiters entnehmbar, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers an einer anderen Adresse gemeldet ist, und sich der Beschwerdeführer aufgrund eines Touristensichtvermerkes vom 22. September 1993 bis 28. Dezember 1993 im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Die Verneinung der Voraussetzungen für die Anwendung der Ermessensbestimmung des § 3 Abs. 3 AufG setzt voraus, daß der Beschwerdeführer nicht (oder nicht in relevanter Dauer) im gemeinsamen Haushalt mit seiner Gattin lebt (gelebt hat) und/oder er sich während eines solchen gemeinsamen Haushaltes im Bundesgebiet hier nicht rechtmäßig aufhielt. Aufgrund der Aktenlage können diese Fragen weder verneint, noch bejaht werden. Um Feststellungen im aufgezeigten Sinne treffen zu können, bedarf es nämlich weiterer - als laut Akteninhalt bereits getätigter - Ermittlungen sowohl zur behaupteten "gemeinsamen Lebensgemeinschaft seit über drei Jahren in Österreich/Wien", als auch zur Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers vor der Gültigkeitsdauer des genannten Touristensichtvermerkes. Letzteres schon deshalb, weil die im Akt befindliche Fotokopie des Reisepasses zeigt, daß dieser erst am 20. September 1993, also zwei Tage vor Beginn der Gültigkeitsdauer des Touristensichtvermerkes, ausgestellt wurde.

Da die belangte Behörde ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsauffassung solche Feststellungen nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig abzuweisen.

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