VwGH 95/18/1329

VwGH95/18/13299.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. August 1995, Zl. SD 1074/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. August 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 20. Jänner 1992 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Aufgrund der Ehe und des ihm antragsgemäß ausgestellten Befreiungsscheines sei ihm ein Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 28. Februar 1994 erteilt worden. Mittlerweile sei die Ehe des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Floridsdorf gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des mit 12. Juli 1994 in Rechtskraft erwachsenen Urteiles ergebe sich, daß die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen.

Angesichts dieses Sachverhaltes sei die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Denn auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0315).

Im vorliegenden Fall sei das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 leg. cit. entgegenstünden.

Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten.

Da der Beschwerdeführer aber mit seinen beiden Kindern aus erster Ehe im gemeinsamen Haushalt lebe, sei zweifellos von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen.

Dennoch sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen lasse.

Ebenso sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG erforderlichen Interessensabwägung zu bejahen, zumal das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei. Die belangte Behörde sei jedenfalls zur Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner (minderjährigen) Kinder keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - auf der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellung beruhende - Rechtsansicht der belangten Behörde, daß vorliegend die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung) gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten und demnach im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, unbekämpft. Der Gerichtshof pflichtet dieser rechtlichen Subsumtion bei und verweist hiezu aus seiner ständigen Judikatur etwa auf die Erkenntnisse vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0441, und Zl. 95/18/0464, sowie das Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1197).

Die Beschwerdemeinung, daß die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes eine Strafe darstelle und im Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer seine (für nichtig erklärte) Ehe eingegangen sei, eine Strafe für ein derartiges Verhalten nicht vorgesehen gewesen sei, ist schon vom Ansatz her verfehlt, weil die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes keine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche Maßnahme darstellt.

2.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe die Interessenabwägung (gemäß § 20 Abs. 1 FrG) zu Unrecht zu seinen Ungunsten durchgeführt. Es seien seine "familiären Bindungen zu Österreich" (seine beiden Kinder lebten hier und gingen hier zur Schule; seine Schwester sei österreichische Staatsbürgerin, sei hier verheiratet und habe drei Kinder, wobei Ehegatte und Kinder ebenfalls österreichische Staatsbürger seien) ebenso wie seine Berufstätigkeit im Bundesgebiet nicht entsprechend berücksichtigt worden.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Daß der Beschwerdeführer mit seinen beiden minderjährigen Kindern (aus erster Ehe) in einem gemeinsamen Haushalt lebt, wurde von der belangten Behörde zu seinen Gunsten berücksichtigt. Auf den Aufenthalt seiner Schwester (samt Familie) in Österreich war im Rahmen der Interessenabwägung nicht Bedacht zu nehmen, da Beziehungen zu Geschwistern - sofern sie nicht mit dem Fremden zusammenleben (was hier nicht behauptet wird) - vom Schutzumfang des § 20 Abs. 1 FrG nicht erfaßt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491, uva). Zutreffend hat die belangte Behörde schließlich darauf hingewiesen, daß sowohl der Aufenthalt des Beschwerdeführers als auch seine Beschäftigung in Österreich hinsichtlich ihrer Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen seien, folglich im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliches Gewicht seien. Angesichts des somit nicht allzu großen Gewichtes der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers einerseits und des sehr großen Gewichtes der Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen durch den Beschwerdeführer andererseits kann das die letztgenannten Interessen (die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) höher veranschlagende Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung nicht als rechtswidrig angesehen werden.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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