Normen
ABGB §861;
ABGB §914;
ABGB §915;
ABGB §916;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
ASVG §11 Abs1;
ASVG §11 Abs3 lita;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
VwRallg;
ABGB §861;
ABGB §914;
ABGB §915;
ABGB §916;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
ASVG §11 Abs1;
ASVG §11 Abs3 lita;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 16. September 1994 beim Arbeitsamt Voitsberg einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Darin behauptete sie, vom 1. Dezember 1993 bis 15. September 1994 in der Trafik L "im Verkauf" arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen und nunmehr geringfügig beschäftigt zu sein. Nach der zugleich vorgelegten Arbeitsbescheinigung des Steuerberaters der Inhaberin der genannten Trafik vom 15. September 1994 sei das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin mit 15. September 1994 durch "einverständliche Lösung" beendet worden. Nach einer weiteren (vom Arbeitsamt angeforderten) Arbeitsbescheinigung vom 28. September 1994 sei die Beschwerdeführerin seit 16. September 1994 in der genannten Trafik als "Aushilfe" mit einer die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. b ASVG unterschreitenden Entlohnung beschäftigt.
Mit Bescheid vom 18. November 1994 gab das Arbeitsamt dem Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Begründet wurde dies damit, daß die Beschwerdeführerin seit 16. September 1994 ohne Unterbrechung bei der gleichen Firma L geringfügig beschäftigt sei und somit Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG nicht angenommen werden könne.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, es handle sich um eine kleine, in der Regel von der Inhaberin allein betriebene Trafik. Nach der Sommersaison sei die Wirtschaftlichkeit der Beschwerdeführerin nicht mehr gegeben und sie daher "sinngemäß gekündigt" worden. Eine weitere Beschäftigung sei auf der Basis der Geringfügigkeit vereinbart worden. Hiebei werde besonders erwähnt, daß ihre Tätigkeit ausschließlich auf die Vertretung der Inhaberin bei Behörden und auf Arztwege beschränkt sei und auch dies nur stundenweise pro Woche erfolge. Als Beweis dafür führe sie die in den Monaten September und Oktober 1994 ausgestellten Lohnbestätigungen an. Da das Gesetz auch für stundenweise (geringfügig) beschäftigte Personen eine Meldepflicht vorsehe, sei dies auch von ihrer Arbeitgeberin durchgeführt worden. Da aus den Lohnbestätigungen ersichtlich sei, daß das Einkommen bei weitem nicht an die Geringfügigkeitsgrenze herankomme, sei somit nicht spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. In der Bescheidbegründung wird nach Zitierung der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es werde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin seit 1. Dezember 1993 in einem Beschäftigungsverhältnis zur Inhaberin der genannten Trafik stehe und der Antrag auf Arbeitslosengeld vom 16. September 1994 datiere. In rechtlicher Hinsicht folge daraus: Nach den eingangs zitierten gesetzlichen Bestimmungen sei eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld das Vorliegen von Arbeitslosigkeit, wobei arbeitlos insbesondere nicht sei, wer in einem Dienstverhältnis stehe. Da die Beschwerdeführerin - unbestritten - über den 15. September 1994 hinaus in einem Beschäftigungsverhältnis zu ein und demselben Dienstgeber stehe, komme einer Änderung der Entlohnung auf Geringfügigkeit keine rechtlich erhebliche Bedeutung zu, sodaß sich die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung als zutreffend erweise.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0125 und Zl. 93/08/0198, vom 22. Juni 1993, Zl. 92/08/0036, und vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11.600/A) setzt die Annahme der (gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderlichen) Arbeitslosigkeit (im Sinne des § 12 AlVG auch in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994) voraus, daß EINERSEITS - sieht man von den im Beschwerdefall nicht revelanten Bestimmungen der Absätze 7 und 8 des § 12 leg. cit. ab - das Beschäftigungsverhältnis des Anspruchswerbers, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpft, beendet ist und ANDERERSEITS weder ein Fall des § 12 Abs. 3 lit. c sowie e bis h AlVG vorliegt, noch der Anspruchswerber eine (nicht unter einen der Tatbestände des § 12 Abs. 6 AlVG fallende) neue Beschäftigung (im Sinne der zitierten Erkenntnisse) gefunden hat.
Die Beschwerdeführerin hält der Feststellung der belangten Behörde, sie stehe seit 1. Dezember 1993 in einem (ununterbrochenen) Beschäftigungsverhältnis zur Inhaberin der genannten Trafik, entgegen, es habe das Dienstverhältnis durch Dienstgeberkündigung mit 15. September 1994 geendet, die Beschwerdeführerin habe aber am 16. September 1994 ein neues (unter die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG fallendes) Dienstverhältnis begonnen. Auch habe die Beschwerdeführerin in der Berufung angeführt, daß sie ab 16. September 1994 eine völlig andere Beschäftigung gehabt habe. Während sie bis 15. September 1994 in der Trafik beschäftigt gewesen sei, habe sich ihre Tätigkeit ab 16. September 1994 ausschließlich auf die Verrichtung von Behördenwegen und die Begleitung der Inhaberin der Trafik zu diversen Ärzten beschränkt. Obwohl die Beschwerdeführerin diese Umstände ausführlich in der Berufung dargelegt habe, habe sich die belangte Behörde in keiner Weise mit ihnen auseinandergesetzt. Dies sei deshalb relevant, weil mit dem Ende des Dienstverhältnisses am 15. September 1994 auch die Arbeitslosenversicherungspflicht geendet habe und damit im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11.600/A, Arbeitslosigkeit vorgelegen sei.
Darauf repliziert die belangte Behörde in der Gegenschrift, sie sei davon ausgegangen, daß Dienstnehmer, Dienstgeber und zu verrichtende Arbeit (abgesehen vom Arbeitsumfang) ident geblieben seien, sowie davon, daß eine Lösung des Dienstverhältnisses mit 15. September 1994 nicht erfolgt sei; letzteres deshalb, weil der nahtlose Übergang vom 15. zum 16. September 1994 (von einer Vollversicherten zu einer "auf Basis der Geringfügigkeit" ausgeübten Beschäftigung), die "einverständliche Lösung" laut Arbeitsbescheinigung vom 15. September 1994 und die Textierung der Berufung von der "sinngemäßen Kündigung" als deutliche und hinreichende Hinweise für die Nicht-Lösung des Dienstverhältnisses angesehen werden könnten. Die von der Beschwerdeführerin in der Berufung angesprochene Wirtschaftlichkeit ihrer Person, die nicht mehr gegeben gewesen sei, und die ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach, wie eine zunehmende Anzahl bekannt werdender Fälle zeige, meine, daß gleiche bzw. vergleichbare Vorgangsweisen in der Praxis gewählt würden, um dienstgeberseitig bewährte Arbeitskräfte zu halten und sozusagen einen Teil der Kosten auf die Versicherungsgemeinschaft der Arbeitslosen zu übertragen, deute ebenfalls in diese Richtung. Da im Beschwerdefall von einer Weiterarbeit zwischen identen Arbeitsvertragspartnern mit identem Arbeitsinhalt auszugehen gewesen sei, hätten sich im Sinne der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1989, Zl. 87/08/0159 und Zl. 87/08/0099, Feststellungen zum Ausmaß der Tätigkeit erübrigt, und sei das Vorliegen von Arbeitslosigkeit ab 16. September 1994 zu verneinen gewesen.
Diese Ausführungen in der Gegenschrift machen deutlich, daß die belangte Behörde - ungeachtet der unzutreffenden Verwendung des Wortes "unbestritten" in der Bescheidbegründung im Zusammenhang mit dem Fortbestehen der Beschäftigungsverhältnisse - erst in Würdigung der genannten Umstände zum Ergebnis gelangt ist, es liege trotz der auf eine Beendigung des (arbeitslosenversicherungspflichtigen) Dienstverhältnisses und die Neubegründung eines (nicht arbeitslosenversicherungspflichtigen) Dienstverhältnisses hinweisenden Wendungen in den beiden Arbeitsbescheinigungen ("Dauer der Beschäftigung vom 1.12.1993 bis 15.9.1994 als Angestellte", "einverständliche Lösung" sowie "Dauer der Beschäftigung ... seit 16.9.1994 als Aushilfe") und in der Berufung ("sinngemäß gekündigt", "eine weitere Beschäftigung wurde auf der Basis der Geringfügigkeit vereinbart") ein ununterbrochenes Dienstverhältnis vor, und es sei deshalb - im Sinne der in der Gegenschrift zitierten Erkenntnisse - Arbeitslosigkeit ab 16. September 1994 auszuschließen.
Zu dieser Argumentation der belangten Behörde ist vorerst in rechtlicher Hinsicht zu bemerken, daß es, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt im Zusammenhang mit der Unterscheidung einer Vereinbarung über die Unterbrechung (Beendigung und Neubegründung) eines Arbeitsverhältnisses von der bloßen Aussetzung (Karenzierung) ausgeführt hat (vgl. außer dem grundlegenden Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11.600/A, die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0047, vom 20. April 1993, Zl. 91/08/0184, vom 21. September 1993, Zl. 92/08/0157, und vom 21. März 1995, Zl. 93/08/0126), es den Vertragspartnern des Arbeitsvertrages (innerhalb bestimmter Grenzen) freisteht, bei Aufrechterhaltung des als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu qualifizierenden Arbeitsverhältnisses bloße Karenzierung der beiderseitigen Hauptpflichten oder aber dessen Beendigung und eine "spätere Fortsetzung" (d.h. eine "echte Unterbrechung") zu vereinbaren, und dem spezifisch arbeitslosenversicherungsrechtliche Grundsätze nicht entgegenstehen. Bei der Lösung der demnach entscheidenden privatrechtlichen Vorfrage, ob eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses oder eine bloße Karenzierung vorliegt, kommt es auf den nach den §§ 914 ff ABGB zu ermittelnden Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragspartnern abgeschlossenen Vereinbarung an. Das gilt ebenso für die Lösung der Frage, ob eine Beendigung eines (arbeitslosenversicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses und die sofortige Neubegründung eines (nicht arbeitslosenversicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses oder (ungeachtet der Änderung der Modalitäten des Arbeitsverhältnisses) ein Fortbestand desselben vorliegt (so in den von der belangten Behörde - zu Unrecht für ihren Standpunkt - zitierten Erkenntnissen vom 14. März 1989, Zl. 87/08/0099 und Zl. 87/08/0159).
Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang aber keine Tatsachenfeststellungen getroffen, sondern für ihre Feststellung eines ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses in der Bescheidbegründung selbst überhaupt keine, in der Gegenschrift aber nur die obgenannten Argumente angeführt, die letztlich darauf hinauslaufen, daß ihr die behauptete Beendigung und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses nicht glaubhaft erschienen, sondern nur zu Lasten der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung vorgeschützt worden seien.
Zufolge Unterlassung der Anführung der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen in der Bescheidbegründung hat die belangte Behörde der ihr nach den §§ 60, 67 AVG obliegenden Begründungspflicht (ein ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis war ja, wie bereits ausgeführt, keinesfalls "unbestritten") verletzt. Die in der Gegenschrift nachgetragenen Argumente halten aber (abgesehen davon, daß auf sie zu Lasten der Beschwerdeführerin nicht Bedacht genommen werden könnte) einer Schlüssigkeitsprüfung der Beweiswürdigung (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 24. Mai 1974, Slg. 8.619/A, und vom 27. April 1993, Zl. 93/08/0007) nicht stand: Weder der "nahtlose" Übergang von einer Beschäftigung zur anderen noch die unterschiedliche Textierung der Beendigungsart des ersten Arbeitsverhältnisses können als "deutliche und hinreichende Hinweise für die Nicht-Lösung des Dienstverhältnisses" angesehen werden; es ist aber auch arbeitslosenversicherungsrechtlich zulässig, wegen der nicht mehr gegebenen "Wirtschaftlichkeit einer Person" ein (arbeitslosenversicherungspflichtiges) Arbeitsverhältnis unter Bedachtnahme auf die privat(arbeits)rechtlichen Bestimmungen zu beenden (und einer solchen Beendigung entsprechend abzurechnen) und zugleich ein neues (mangels einer entsprechenden Entgelthöhe nicht arbeitslosenversicherungspflichtiges) Arbeitsverhältnis zu begründen, auch wenn dies (wegen Bezuges des Arbeitslosengeldes) auf Kosten der Versichertengemeinschaft geht (was ohnedies nur dann der Fall ist, wenn der betreffende Arbeitslose u.a. im Sinne der §§ 9, 10 AlVG arbeitswillig, d.h. bereit ist, eine angebotene Arbeit anzunehmen, freie Stellen aber nicht verfügbar sind). Die belangte Behörde hätte demnach vor einer abschließenden rechtlichen Beurteilung entsprechende Tatsachenfeststellungen über den Inhalt der Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien, nach Durchführung diesbezüglicher Ermittlungen, insbesondere deren Vernehmung, treffen müssen.
Da sie diesen verfahrensrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
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