VwGH 95/07/0078

VwGH95/07/007824.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des Dr. E R in J, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. April 1995, Zl. III/a1-13.363/3, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Wasserrechtsangelegenheit (mitbeteiligte Partei: W Gesellschaft mbH, vertreten durch H M), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;
AVG §8;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §12 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei (mP) beantragte mit Eingabe vom 10. Oktober 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für den Neubau einer Brücke über den K.-Bach.

Die BH führte eine mündliche Verhandlung durch, zu der auch der Beschwerdeführer geladen wurde. Dieser wandte zunächst ein, die Verhandlung verstoße gegen das Konzentrationsprinzip des § 110 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959); er sei der Meinung, die Verhandlung sei zusammen mit der Bauverhandlung sowie einer eventuellen Gewerbe- und Straßenverhandlung durchzuführen. Dann erhob der Beschwerdeführer die Forderung, bei Erstellung der Rampe sei auf eine ausreichende Isolierung der bestehenden Bauwerke zu achten. Es sei ausdrücklich festzuhalten, daß zur Zeit keinerlei Feuchtigkeit ins Haus eindringe. Weiters werde die Bestellung einer Bauaufsicht gemäß § 120 WRG 1959 beantragt. Eine gemeinsame Beweissicherung zusammen mit der mP auf deren Kosten sei vor Baubeginn durchzuführen.

Nach Zusendung einer Ausfertigung der mittels Schallträger aufgenommenen Verhandlungsschrift begehrte der Beschwerdeführer eine Korrektur der Verhandlungsschrift. Er machte u.a. geltend, es fehle der von ihm vorgebrachte Einwand, auf Grund der Brückenlänge ergäben sich negative Auswirkungen auf die Hochwassergefahr.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 1994 erteilte die BH gemäß § 38 WRG 1959 der mP die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Brücke über den K.-Bach.

Unter Spruchabschnitt III wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers betreffend Verhandlungskonzentration gemäß § 110 WRG 1959 und unter Spruchabschnitt IV der Antrag zur Bestellung einer Bauaufsicht gemäß § 120 WRG 1959 zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer berief. Er machte geltend, § 110 WRG 1959 sei zu Unrecht nicht angewendet worden. Weiters hätte das Projekt in der vorliegenden Form nicht bewilligt werden dürfen. Durch den Brückenbau werde eine Verklausungsgefahr hervorgerufen. Bei stärkeren Regenfällen oder Hochwasser bestehe die Gefahr einer Verklausung des Bachbettes, wodurch das Ortsgebiet und damit auch die vom Beschwerdeführer bewohnte Liegenschaft erheblich gefährdet sei. Die Brückenlänge von 8 m wirke im gegebenen Zusammenhang erheblich gefahrenverschärfend. Die der mP vorgeschriebenen Nebenbestimmungen seien nicht ausreichend im Sinne des Schutzes der vom Beschwerdeführer bewohnten Liegenschaft vor Regenwasser und der Gefährdung der Statik des Gebäudes durch die Bauausführung.

Mit Bescheid vom 6. April 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurück.

In der Begründung heißt es, die bloße Grundnachbarschaft begründe keine Parteistellung, ebenso nicht die Berufung auf amtswegig wahrzunehmende öffentliche Interessen.

Wasserrechtlich geschützte Rechte könnten aus dem Umstand des Eigentums an Liegenschaften, die an das vom bewilligten Projekt betroffene Grundstück angrenzten, nicht abgeleitet werden. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers sei weiter anzuführen, daß bloße Folgewirkungen eines eine Duldungspflicht nicht normierenden Bescheides die aus dem ersten Halbsatz des § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 erfließende Parteistellung nicht auslösten. Zur Verfahrenskonzentration nach § 110 WRG 1959 sei anzumerken, daß diese - ohne subjektiv-öffentliche Rechte zu schaffen - nur für Wasserbenutzungsrechte gelte, nicht aber für § 38 WRG 1959.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe ihm zu der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, zwischen der von ihm bewohnten Liegenschaft und der linken Ufermauer befinde sich ein Grundstück und zu der aus dem Bescheidinhalt nur erschließbaren Unterstellung, er werde durch den erstinstanzlichen Bescheid zu keiner Handlung (Leistung), Duldung oder Unterlassung verpflichtet, kein Parteiengehör gewährt. Die Behauptung der belangten Behörde, die Grundnachbarschaft könne keine Parteistellung vermitteln, sei in dieser allgemeinen Form rechtlich verfehlt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es für die Erlangung der Parteistellung nicht entscheidend, ob das Grundeigentum tatsächlich beeinträchtigt werde; es genüge vielmehr die Möglichkeit einer Beeinträchtigung. Diese Möglichkeit bestehe aber im Beschwerdefall. Wenn die belangte Behörde ihre Argumentation darauf stütze, daß sich zwischen der vom Beschwerdeführer bewohnten, in seinem Miteigentum stehenden Liegenschaft und dem linksufrigen Widerlager der Brücke noch ein Grundstück befinde, so übersehe sie dabei, daß sich das Projekt laut Kundmachung und erstinstanzlichem Bescheid nicht auf die Errichtung der Brücke und dieses Widerlagers beschränke, sondern daß die vom Wasserrechtsbescheid umfaßten Baumaßnahmen bis an die Hausmauer heranreichten. Da die Fundamente des Brückenbauwerkes mindestens 1,5 m unter die Bachsohle zu fundieren seien, müßten die Fundamente der vom Beschwerdeführer bewohnten Liegenschaft bloßgelegt und der Untergrund unmittelbar an der Hausmauer bis unterhalb der Fundamente abgetragen werden. Die mögliche Beeinträchtigung des Grundeigentums liege damit auf der Hand. Unabhängig von der durch das Grundeigentum vermittelten Parteistellung ergebe sich letztere auch aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer durch den erstinstanzlichen Bescheid zu einer Handlung verpflichtet worden sei. Punkt 17 der Nebenbestimmungen dieses Bescheides sehe nämlich vor, daß eine gemeinsame Beweissicherung durch die mP und den Beschwerdeführer durchzuführen sei.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 sind Parteien im Wasserrechtsverfahren diejenigen, die zu einer Leistung, Duldung oder Unterlassung verpflichtet werden sollen oder deren Rechte (§ 12 Abs. 2) sonst berührt werden.

Bei den im § 102 Abs. 1 lit. b erwähnten Rechten nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 handelt es sich um rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum.

Parteistellung kommt einem Grundeigentümer in einem Wasserrechtsverfahren dann zu, wenn seine Rechte durch den Bescheid berührt werden können. Ob eine Beeinträchtigung tatsächlich stattfindet, ist Gegenstand des Verfahrens, berührt jedoch nicht die Parteieigenschaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1981, Zl. 07/1199/80, u.a.).

Die Parteistellung des Beschwerdeführers kann nicht aus der Nebenbestimmung Nr. 17 des erstinstanzlichen Bescheides abgeleitet werden, wonach eine gemeinsame Beweissicherung durch die mP und dem Beschwerdeführer durchzuführen ist. Diese Nebenbestimmung verpflichtet, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend ausführt, nicht den Beschwerdeführer, sondern die mP zur Durchführung einer Beweissicherung und ist so zu verstehen, daß der Beschwerdeführer bei der Beweissicherung anwesend sein kann.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren eingewendet, durch die geplante Brücke verschärfe sich die Gefahr einer Verklausung und dadurch die Hochwassergefahr; daraus resultiere eine Gefahr für sein Haus. Wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Liegenschaft des Beschwerdeführers besteht, dann kommt ihm im Wasserrechtsverfahren auch Parteistellung zu. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt; sie hat insbesondere nicht dargetan, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Gefahr einer Beeinträchtigung für seine Liegenschaft von vornherein nicht in Betracht kommt.

Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Verwaltungsverfahrens auch Beeinträchtigungen der von ihm bewohnten und in seinem Miteigentum stehenden Liegenschaft durch die Bauführung und damit einen weiteren Eingriff in das Grundeigentum behauptet. Auch damit hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt. Erst in der Gegenschrift wird vorgebracht, die durch die BH erteilte wasserrechtliche Bewilligung habe sich lediglich auf die Errichtung einer Brücke über den K.-Bach bezogen, die im Projekt mitangeführte Anhebung des Straßenniveaus der P.-Gasse um ca. 30 cm aus verkehrstechnischen Erwägungen habe gar keiner wasserrechtlichen Bewilligung bedurft, da sich dieses Vorhaben nicht im Hochwasserabflußbereich des K.-Baches befinde. Ob diese - ein Sachverhaltselement betreffende - Behauptung zutrifft, läßt sich aus dem angefochtenen Bescheid und dem sonstigen Akteninhalt nicht feststellen. Fehlende Sachverhaltsfeststellungen aber können in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden.

Da es die belangte Behörde verabsäumt hat, sich mit den für eine Parteistellung sprechenden Behauptungen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, leidet der angefochtene Bescheid an wesentlichen Begründungsmängeln. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Stempelgebühren: Der angefochtene Bescheid war nur in einer Ausfertigung vorzulegen; der Vorlage des erstinstanzlichen Bescheides bedurfte es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht.

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