VwGH 95/05/0178

VwGH95/05/017829.8.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A und des JH in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. April 1995, Zl. MD-VfR - B XXIII - 33/94, betreffend Einwendungen in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: W, Z), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauO Wr §79 Abs6 idF 1976/018;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauO Wr §79 Abs6 idF 1976/018;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien wurde der mitbeteiligten Partei aufgrund ihres am 2. Juli 1991 bei der Behörde eingelangten Ansuchens gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) die nachträgliche Bewilligung erteilt, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen auf der Liegenschaft Wien, G-Gasse 44, folgende Bauführung vorzunehmen:

"Im hinteren - nördlichen - Liegenschaftsbereich wurden Geländeanschüttungen bis zu einer Höhe von rund 2,50 m über dem natürlichen Gelände durchgeführt.

Entlang der nördlichen und östlichen Grundgrenze wurde auf einer Länge von rund 21 m eine bis zu 1,62 m hohe Stützwand aus Holzbohlen im Abstand von 30 cm von der Grundgrenze hergestellt."

Die rechtzeitig erhobenen Einwendungen der Beschwerdeführer des Inhaltes

"Wir erheben Einspruch gegen eine Bewilligung der Anschüttung und der Stützwand in der gegenwärtigen Form, da die Höhe der Anschüttung erstens eine starke optische Störung des Landschaftsbildes darstellt, die Anschüttung mit lockerem Erdmaterial keine genügende Sicherheit im Falle einer Undichtheit des im Anschüttungsbereich geplanten Biotops gegen einen Wasserandrang auf unsere Liegenschaft darstellt, die statische Sicherheit derzeit nicht nachgewiesen ist und auf Grund des natürlichen Verfalles des verwendeten Materials (alte Eisenbahnschwellen) auf Dauer nicht sichergestellt werden kann und schließlich die Verwendung der alten Eisenbahnschwellen auf Grund der Möglichkeit, daß giftige Imprägnierstoffe ausgeschwemmt werden und über Grund- und Oberflächenwässer auf unsere Liegenschaft gelangen und Schäden anrichten können, äußerst bedenklich erscheint.",

wurden als im Gesetz nicht begründet abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, Stützwand und Anschüttungen sollen projektsgemäß in einem Bereich hergestellt werden, dessen gärtnerische Ausgestaltung der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan anordne; entsprechende Einwendungen seien von den Beschwerdeführern jedoch nicht erhoben worden, obwohl die Einladung zur mündlichen Verhandlung den ausdrücklichen Hinweis auf die Präklusionsfolgen des Unterbleibens der rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen enthalten habe. Die erhobenen Einwendungen hätten so vorgebracht werden müssen, daß die Behauptung der Verletzung des Rechtes auf Nichtbebauung der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche erkennbar gewesen wäre. Tatsächlich hätten sich die erhobenen Einwendungen auf die Störung des Landschaftsbildes und auf Sicherheitsfragen bezogen. Die in der mündlichen Berufung versuchte Neuinterpretation der bei der mündlichen Bauverhandlung erhobenen Einwendungen führe nicht zum Ziel. Diese Einwendungen ("starke optische Störung") hätten eindeutig das äußere Erscheinungsbild zum Gegenstand, somit eine Frage, in der dem Nachbarn nach der Bauordnung für Wien das Mitspracherecht verwehrt sei. Die Standsicherheit der Holzbohlenwand sei bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch die Vorlage eines Gutachtens eines Zivilingenieurs und dessen Überprüfung durch den Amtssachverständigen der MA 35 nachgewiesen. Dadurch, daß in der Natur eine höhere als die vorgesehene Stützwand ausgeführt worden sei, verlören die Aussagen der Sachverständigen nicht ihren Wert, da sich diese nicht auf das tatsächlich ausgeführte Bauwerk, sondern auf jenes Vorhaben bezögen, das Gegenstand des Bewilligungsverfahrens sei. Was die Verwendung karbolineumgetränkter Eisenbahnschwellen als Baumaterial anlange, enthalte die Bauordnung für Wien keine besonderen Vorschriften. Zur Anwendung komme § 97 Abs. 1 dieses Gesetzes, wonach alle baulichen Anlagen nach den Erfahrungen der technischen Wissenschaften herzustellen seien. Die dabei verwendeten Baustoffe und Bauteile und angewendeten Bauarten hätten den geltenden Vorschriften zu entsprechen und müßten brauchbar sein. Im Berufungsverfahren sei zur Prüfung der Gesundheitsschädlichkeit der Bahnschwellen ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt worden, welcher zusammenfassend zum Schluß gekommen sei, eine Verwendung von Eisenbahnschwellen als Baumaterial sei prinzipiell dann möglich, wenn die letzte chemische Behandlung mehr als zwanzig Jahre zurückliege, danach keine Bearbeitung der Schwellen erfolgt sei und diese ausschließlich im Freien eingesetzt würden. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren habe das Gutachten des umwelttechnischen Sachverständigen ergeben, daß die gegenständlichen Schwellen von den österreichischen Bundesbahnen nach etwa zwanzig Jahren Einsatzdauer ausgewechselt worden und der Witterung voll ausgesetzt gewesen seien. Die mitbeteiligten Parteien hätten unbearbeitete Bahnschwellen verwendet. Die Beschwerdeführer hätten sich zu dem medizinischen Sachverständigengutachten trotz gebotener Gelegenheit nicht geäußert. Unter Zugrundelegung der schlüssigen Ausführungen der Sachverständigen und unter Bedachtnahme auf die nähere Beschreibung des Baumaterials werde daher davon ausgegangen, daß die Holzbohlenstützwand im bewilligten Ausmaß standfest sei und das verwendete Baumaterial keine gesundheitlichen Gefahren für die Nachbarschaft in sich berge. Das Bauvorhaben verletze somit keine von den Beschwerdeführern rechtzeitig und zulässigerweise geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf Nichtabweisung der Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben und somit in ihrem Recht auf Berücksichtigung der gesetzlich vorgeschriebenen Nachbarrechte verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer tragen zunächst vor, die verfahrensgegenständliche Stützwand und die Anschüttungen würden in einem Bereich hergestellt, dessen gärtnerische Ausgestaltung der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan anordne. Dieses Bauvorhaben sei nach § 79 Abs. 6 der Wiener Bauordnung bewilligungspflichtig, welche Bestimmung gemäß § 134a lit. e leg. cit. dem Schutz der Nachbarn diene. Im Sinne dieser Gesetzeslage hätten sie entsprechende Einwendungen erhoben. Ihre Einwendung "Störung des Landschaftsbildes" könne im konkreten Zusammenhang nicht anders verstanden werden.

Gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (BO), in der im Hinblick auf das am 2. Juli 1991 bei der Baubehörde eingelangte Bauansuchen hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 34/1992, sind im Baubewilligungsverfahren außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren sonstigen Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG).

Gemäß § 79 Abs. 6 leg. cit. sind Vorgärten und Abstandsflächen, soweit auf diesen Flächen zulässige Baulichkeiten, Gebäudeteile oder bauliche Anlagen nicht errichtet werden, gärtnerisch auszugestalten und in gutem Zustand zu erhalten. Befestigte Wege und Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen u.ä. sind nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässig.

Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1985, Zl. 82/05/0185, BauSlg. 440). Die eingangs wörtlich wiedergegebenen, von den Beschwerdeführern fristgerecht erhobenen Einwendungen stellen jedoch kein Parteivorbringen mit Bezugnahme auf eine konkrete Rechtsverletzung des § 79 Abs. 6 BO im Sinne der vordargestellten Rechtslage dar. Die Einwendung, die bewilligte Anschüttung bewirke eine starke optische Störung des Landschaftsbildes, bezieht sich auf kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht (vgl. hiezu auch Hauer, Der Nachbar im Baurrecht, 4. Auflage, Seite 286) und stellt auch keinen Bezug zu § 79 Abs. 6 BO her.

Die Behauptung, daß die "Anschüttung mit lockerem Erdmaterial keine genügende Sicherheit im Falle einer Undichtheit des im Anschüttungsbereich geplanten Biotops gegen einen Wasserandrang" auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer gewährleistet und die "statische Sicherheit" nicht gegeben ist, wird in der Beschwerde nicht mehr aufrechterhalten. Die diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführer wurden von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - gestützt auf nicht als unschlüssig bemängelte Gutachten von Sachverständigen - ohne Rechtsirrtum als unbegründet abgewiesen.

Bereits im Erkenntnis vom 25. Juni 1991, Zl. 87/05/0197, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf § 79 Abs. 6 BO ausführlich dargelegt, daß für die Zulässigkeit von Einbauten in Vorgärten und Abstandsflächen die Vereinbarkeit mit dem vom Gesetzgeber angestrebten Ziel, eine gärtnerische Ausgestaltung zu erreichen, wesentlich ist. Ob dies bei den im gegenständlichen Fall bewilligten Eisenbahnschwellen im Hinblick auf eine entsprechende Begrünung der gesamten Fläche der Fall ist, kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil sich die Beschwerdeführer gegen die Verwendung der alten Eisenbahnschwellen in ihren Einwendungen nur mit der Behauptung ausgesprochen haben, "daß giftige Imprägnierstoffe ausgeschwemmt werden und über Grund- und Oberflächenwässer auf unsere Liegenschaft gelangen und Schäden anrichten können", somit eine Möglichkeit der Verletzung eines im § 79 Abs. 6 BO gewährleisteten Nachbarrechtes auch diesbezüglich nicht in konkreter Form behauptet haben.

Den eingehenden Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, welche auf das darin vollständig wiedergegebene, schlüssig begründete und nachvollziehbare Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen gestützt sind, kann entnommen werden, daß die behaupteten Gesundheitsschädigungen durch aus den Eisenbahnschwellen ausgeschwemmte giftige Imprägnierstoffe nicht eintreten können.

Entgegen den Beschwerdeausführungen hat sich die belangte Behörde mit den Einwendungen der Beschwerdeführer, soweit sie öffentlich-rechtlicher Natur sind, in der Begründung des angefochtenen Bescheides auseinandergesetzt und diese - aus den vordargelegten Erwägungen - ohne Rechtsirrtum als unbegründet abgewiesen. Insoweit die belangte Behörde auch Einwendungen, die keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Beschwerdeführer begründen konnten, als unbegründet abgewiesen und nicht als unzulässig zurückgewiesen hat, kann dies nur als ein Vergreifen im Ausdruck beurteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1983, Zl. 05/0112/80, BauSlg. 85) und vermag daher eine Rechtsverletzung nicht zu begründen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer schließlich eine Verletzung der die belangte Behörde treffenden Manuduktionspflicht nach § 13a AVG, weil sie nicht angeleitet worden seien, "als es zunächst geheißen hat, das Vorhaben sei nicht bewilligungsfähig, erst während der Verhandlung diese Auffassung von der Behörde erster Instanz jedoch geändert wurde". Dadurch sei es nicht möglich gewesen, die Einwendungen so darzulegen, daß sie von der Behörde erster Instanz und folglich auch von der Berufungsbehörde und nunmehrigen belangten Behörde jedenfalls hätten verstanden werden können.

Mit diesem Vorbringen versuchen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die im § 13a AVG normierte Anleitungspflicht der erstinstanzlichen Behörde, jedoch nicht der belangten Behörde aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Bauoberbehörde für Wien und des diesem zugrundeliegenden Verfahrens vor der Berufungsbehörde zu beurteilen. Mängel des Verfahrens erster Instanz wären von den Beschwerdeführern in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid geltend zu machen gewesen. Worin in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde liegen soll, wird von den Beschwerdeführern hingegen nicht aufgezeigt.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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