Normen
AVG §18 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2;
BauRallg;
AVG §18 Abs4;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §2 Z5;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2;
BauRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 7. Juni 1993 beantragte die erstmitbeteiligte Partei beim Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Partei als Baubehörde erster Instanz die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung von Plakatwänden entlang der Grenze des Grundstückes Nr. 34 KG N, G-Gasse 1 - 5 und S-Gasse 5 - 11. Laut der diesem Antrag zugrundeliegenden Baubeschreibung ist vorgesehen, entlang der Grenze des Grundstückes Nr. 34 zur G-Gasse 7 mm dicke Sperrholzplatten in einer Größe von 1,70 m X 2,60 m und einer verzapften Holzrahmenkonstruktion in den Abmessungen 3/5 cm aufzustellen, wobei die Platten auf die Holzrahmenkonstruktion aufgenagelt werden sollen. Die Unterkonstruktion besteht aus drei horizontalen Querstaffeln im Abstand von 86 cm in den Abmessungen von 5/8 cm. Auf diesen Querstaffeln werden die Tafeln mittels Gestellschrauben befestigt. Die Tragkonstruktion wird durch in den Boden gerammte, druckimprägnierte Rundholzsteher gebildet, sofern es sich um eine freistehende Plakatwand handelt, andernfalls durch eine Gebäudewand oder Einfriedungsmauer. Die Einspanntiefe in den Boden wird der jeweiligen Bodenbeschaffenheit angepaßt und beträgt mindest 1 m. Die verschiedenen Plakatwandgrößen entstehen durch Aneinanderreihung von Tafeln und messen in der Höhe 3 m und in der Länge ein Vielfaches von 1,70 m.
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des dem Grundstück Nr. 34 KG N gegenüberliegenden Grundstückes Nr. 1080 derselben Katastralgemeinde. Beide Grundstücke sind durch die ca. 7 m breite öffentliche Verkehrsfläche "G-Gasse" getrennt.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen die beantragte Baubewilligung rechtzeitig Einwendungen, wobei sie geltend machte, alle in der G-Gasse anfallenden Verkehrsimmissionen würden infolge der Plakatwände, vergleichbar einer Talsperre ("Talkesseleffekt") verstärkt, weil sie nicht rasch genug entweichen könnten und sodann langsam erst über diese Plakatmauer in das Restgrün dieser Liegenschaft sowie über die Mauern anderer Liegenschaften mit Garten-Grünbereich entweichen. Bei Bewilligung des vorgesehenen Bauvorhabens würden die Widmungsbestimmungen verletzt. Auf die Einhaltung derselben habe die Beschwerdeführerin ein subjektiv-öffentliches Recht, weil durch die Verletzung von Widmungsbestimmungen ein Schaden an Leib (Gesundheit) und Gut (Liegenschaft, Garten) befürchtet werden müßte. Die Immissionen seien im wesentlichen Autoabgase, die auf der G-Gasse erzeugt würden, welche infolge der zu errichtenden Plakatwände nur schwer und langsam wieder nach außen entweichen könnten. Die bereits deutlich spürbaren "Lärm-Reflexionen" würden bei einer weiteren Verbauung durch die Plakatwände mit Häuserflucht-Wirkung die bereits bestehende Lärmsituation verschlechtern. "Dies wäre die Wirkung der Plakatfront zusätzlich zu ihrem Konzentrations-Verstärkungs-Effekt für alle Arten der hier verkehrsbedingt anfallenden Emissionen". Durch die Errichtung der Plakatwände werde befürchtet, daß der Lichteinfall in die Wohnräume des Wohnhauses der Beschwerdeführerin verringert werde und dadurch gesundheitliche und finanzielle Schäden entstehen könnten.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei vom 16. August 1993 wurde der erstmitbeteiligten Partei antragsgemäß die baubehördliche Bewilligung erteilt und die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Partei vom 3. November 1993 als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid vom 16. Jänner 1995 wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.
§ 118 Abs. 9 Z. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 gewähre den Nachbarn den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke durch ein zu bewilligendes Bauprojekt ausdehnen könnten. Diese Gesetzesbestimmung habe jedoch nicht mittelbare Gefahren, wie sie sich aus dem Verkehrsaufkommen ergäben, sondern nur durch den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens unmittelbar herbeigeführte Gefahren zum Inhalt. Durch eine 3 m hohe Plakatwand werde der Lichteinfall auf das Grundstück der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall nicht beeinträchtigt.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem sich aus der Nö BO ergebenden Recht gemäß §§ 118 und 99 der NÖ BO verletzt".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß außer acht gelassen worden sei, daß der Bescheid der Baubehörde erster Instanz nichtig sei. Die der Beschwerdeführerin zugestellte Ausfertigung dieses Bescheides sei mit unleserlicher Unterschrift und der Bemerkung "der Bürgermeister" versehen. Für die Beschwerdeführerin sei jedoch nicht erkennbar, wer diesen Bescheid erlassen habe, weshalb es diesem an den Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 AVG mangle.
Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, daß gemäß § 18 Abs. 4 letzter Satz AVG bei vervielfältigten Ausfertigungen die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen ist. Für die Frage der Zulässigkeit des Unterbleibens einer Beglaubigung einer Bescheidausfertigung im Falle der Vervielfältigung ist ausschließlich das Faktum der Vervielfältigung maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/05/0105 mit weiteren Nachweisen). Im Beschwerdefall läßt sich auf Grund des Akteninhaltes unzweifelhaft erkennen, daß die Ausfertigungen des erstinstanzlichen Bescheides im Vervielfältigungsverfahren hergestellt worden sind. Bei vervielfältigten Ausfertigungen ist aber gemäß § 18 Abs. 4 letzter Satz AVG die Unterschrift und deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die ihr zugestellte Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides enthalte nicht die "Beisetzung des Namens des Genehmigenden" stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (§ 41 Abs. 1 VwGG).
Die Beschwerdeführerin trägt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, sie habe rechtzeitig Einwendungen gegen das bewilligte Projekt wegen gesundheitsgefährdender Immissionen und wegen das ortsübliche Ausmaß überschreitenden Lärmes und Geruchsbelästigung erhoben. Die Behörden wären verpflichtet gewesen, auf Grund dieser Einwendungen ihr Sachvorbringen durch Sachverständige überprüfen zu lassen. Sowohl die Beiziehung eines umwelttechnischen als auch eines medizinischen Sachverständigen wäre erforderlich gewesen.
Gemäß § 118 Abs. 8 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG im Baubewilligungsverfahren, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.
Gemäß Abs. 9 dieses Paragraphen werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
...
2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
...
Gemäß § 62 Abs. 2 BO sind für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, der Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Baubehörde auch die Pfanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.
§ 62 Abs. 2 BO verpflichtet somit die Baubehörde, wenn die in einer geplanten Baulichkeit nach deren Zweckbestimmung zu erwartenden Vorgänge erfahrungsgemäß das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarschaft erwarten lassen, durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, daß durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung der Baulichkeit ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen dieser Art sichergestellt ist. Diese Vorschrift dient nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Aus § 62 Abs. 2 BO i.V.m. § 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. erwächst daher den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor Geruchs- und Lärmbelästigung sowie Gesundheitsgefährdung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0284).
Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 8 BO bedarf die Aufstellung oder Anbringung von Werbeanlagen einer Bewilligung der Baubehörde. Gemäß § 89 Abs. 2 leg. cit. dürfen Werbeanlagen das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigen und müssen so beschaffen sein, daß sie mit amtlichen Hinweisen nicht verwechselt werden können und von derartigen Hinweisen nicht ablenken.
Insoweit eine Werbeanlage - wie das hier zu beurteilende Projekt - ein Bauwerk im Sinne des § 2 Z. 5 BO, also ein Objekt ist, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist, können durch deren Errichtung auch Gefahren für Personen und Sachen entstehen und Rechte der Nachbarn verletzt werden (§ 92 Abs. 1 Z. 2 BO). Der auf Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigung und unzumutbare Belästigung durch Lärm und Geruch gerichtete Einwand vermag jedoch auf die Bewilligungsfähigkeit eines Bauprojektes nur dann rechtlich relevante Auswirkungen zu erzeugen, wenn die zu beurteilende Anlage selbst Verursacher dieser Immissionen ist.
Die Beschwerdeführerin behauptet in ihren Einwendungen eine Vergrößerung des Lärms, des Geruchs und der gesundheitsschädlichen Abgase durch den auf der G-Gasse verursachten Verkehr. Um dies zu verhindern, müßten die Verkehrsverhältnisse auf der öffentlichen Verkehrsfläche geändert werden. Hierauf besitzt aber der Nachbar im Baubewilligungsverfahren keinen Rechtsanspruch (vgl. die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 286 referierte hg. Judikatur). Ein Verbot eines Bauvorhabens, wenn durch dessen Verwirklichung die Luft infolge der Abgase von auf öffentlichen Straßen sich bewegenden Kraftfahrzeugen verschlechtert wird, kennt die BO nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1979, Zl. 1511/78). Selbst wenn durch die zu bewilligende Anlage der Verkehr auf öffentlichen Straßen vergrößert werden sollte, kann dies vom Nachbarn nicht erfolgreich bekämpft werden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärten Senates vom 10. Oktober 1979, Slg. Nr. 9943/A).
Ausgehend von dieser Rechtslage vermag daher der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken, wenn die belangte Behörde ohne Einholung der von der Beschwerdeführerin beantragten Sachverständigengutachten zu dem Schluß gekommen ist, daß die Beschwerdeführerin durch die behaupteten Immissionen in dem von ihr geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt sein kann, und deshalb die Vorstellung als unbegründet abgewiesen hat.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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