VwGH 95/05/0016

VwGH95/05/001628.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des GE und der IE in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. November 1994, Zl. BauR-011298/11-1994 Ba/Lan, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:

1. H in S, 2. C in G, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, und 3. Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO OÖ 1976 §23 Abs2;
BauO OÖ 1976 §33 Abs1 litb;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauRallg;
BauV OÖ 1985;
ÖNORM B 1800;
ROG OÖ 1972 §16 Abs3;
ROG OÖ 1972 §20 Abs4 Z2;
VwRallg;
AVG §8;
BauO OÖ 1976 §23 Abs2;
BauO OÖ 1976 §33 Abs1 litb;
BauO OÖ 1976 §46 Abs3;
BauRallg;
BauV OÖ 1985;
ÖNORM B 1800;
ROG OÖ 1972 §16 Abs3;
ROG OÖ 1972 §20 Abs4 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den Erst- und Zweitmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Die Erst- und Zweitmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Bauwerber) haben mit dem am 20. September 1993 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Ansuchen die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines 8-Familienhauses auf dem Grundstück 204/12, KG K, beantragt. Aufgrund dieses Ansuchens wurde zunächst für den 27. Oktober 1993 eine mündliche Verhandlung anberaumt, die nach Einbringung von Anrainereinwendungen mit der Begründung wieder abgesetzt wurde, daß kein verhandlungsreifes Projekt vorliege.

Aufgrund einer neuen Planparie vom 26. November 1993 beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde eine mündliche Verhandlung für 15. Dezember 1993 an, zu der auch die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG als Nachbarn geladen wurden. In der Verhandlung führten die Beschwerdeführer im wesentlichen aus, durch den Neubau würde sich eine erhebliche Mehrbelastung durch Emissionen für die Nachbarn ergeben, die gerade in diesem Bereich das Siedlungsgebiet, das erheblichen Erholungswert biete, unzumutbar belasteten. Die bisherige Widmungskategorie gewährleiste hingegen einen Emissionsschutz für die Nachbarn, der durch den Neubau nicht mehr gegeben sei. Die Einhaltung des Bebauungsplanes sei erforderlich, überdies schlossen sie sich den Einwendungen anderer Anrainer an, die ausgeführt hatten, daß nach dem Flächenwidmungsplan nur Ein- und Zweifamilienhäuser zulässig seien. Die Fluchtlinie werde durch die eingezeichneten Loggien überbaut, womit überdies auch die im Bebauungsplan festgelegte Drei-Zehntel-Bebauung der Grundfläche überschritten werde.

In der mündlichen Verhandlung führte der beigezogene bautechnische Sachverständige aus, auf dem Grundstück Nr.204/12, das aufgrund des anzuwendenden Flächenwidmungsplanes als "Wohngebiet" gewidmet sei und für dessen Bereich der Bebauungsplan "Sachsenlager" vom 15. Jänner 1975 gelte, betrage der Abstand des eingereichten Objektes zur südwestlichen Grundgrenze zwischen 3 m und 3,10 m, der geringste Abstand zur nördlichen Straßengrundgrenze 5 m, jener zur nordwestlichen Straßengrundgrenze 10 m. Die Zufahrt zum Baugrundstück sei über die öffentliche Wegparzelle Nr. 205/24 gegeben. Die auf dem Bauplatz insgesamt vorgesehenen 8 befestigten PKW-Abstellplätze würden eine Neigung von maximal 3 % aufweisen. Aus einem vom Bürgermeister eingeholten Gutachten des Amtes des Sachverständigen der O.ö. Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, vom 3. März 1994 geht hervor, daß durch die geplanten 8 Stellplätze aufgrund der örtlichen Gegebenheiten aus technischer Sicht keine wesentlichen Änderungen der bestehenden Immissionssituation zu erwarten sei, dies aufgrund der zahlenmäßig geringen Fahrbewegung in bezug zu der auf der öffentlichen Verkehrsfläche herrschenden Verkehrssituation.

Mit Bescheid vom 20. April 1994 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Bauwerbern die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer und anderer Anrainer wurden zum Teil abgewiesen, zum Teil als unzulässig zurückgewiesen.

Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 13. Juli 1994 keine Folge. Die dagegen eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 25. November 1994 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die erst- und zweitmitbeteiligten Bauwerber haben jeweils in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 2 der O.ö. Bauordnung 1976 (BauO) können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind öffentlich-rechtliche Einwendungen im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Das zu bebauende Gebiet ist nach dem Flächenwidmungsplan 1986 der mitbeteiligten Gemeinde als "Wohngebiet" im Sinne des § 16 Abs. 3 ROG 1972 festgesetzt. Demnach sind als Wohngebiete solche Flächen vorzusehen, die für Wohngebäude bestimmt sind; andere Bauten und sonstige Anlagen dürfen in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren oder unzumutbare Belästigung für die Bewohner mit sich bringt.

Die Errichtung eines Gebäudes mit 8 Wohnungen samt den dazugehörigen Stellplätzen ist grundsätzlich im Wohngebiet zulässig. Die mit dem Wohnen üblicherweise verbundenen Immissionen haben die Nachbarn hinzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/06/0146). Den Nachbarn kommt aber nicht nur der Immissionsschutz des § 16 Abs. 3 ROG 1972 zugute, sie können auch aus § 23 Abs. 2 O.ö. BauO ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 46 Abs. 3 leg. cit. ableiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1994, Zl. 94/05/0239, u.v.a.). Die Nachbarn haben somit ein Recht darauf, daß schädliche Umwelteinwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen, möglichst vermieden werden.

Schon das von der Baubehörde erster Instanz durchgeführte Ermittlungsverfahren in bezug auf die zu erwartenden Umwelteinwirkungen durch Befahren der Pflichtstellplätze hat keinerlei Hinweise dafür ergeben, daß erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeigeführt werden könnten. Da die Pflichtstellplätze auch nur eine Neigung von 3 % aufweisen, konnte auch nicht davon ausgegangen werden, daß aufgrund der besonderen örtlichen Situation mit einer besonderen Immissionsbelastung zu rechnen sei, auch die Beschwerdeführer konnten derartiges nicht behaupten.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann dem Bebauungsplan der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 1. Juni 1975 nicht entnommen werden, daß die Grundflächen im Bereich des "Sachsenlagers" nur mit Ein- bzw. Zweifamilienhäusern bebaut werden dürften. In diesem Bebauungsplan wird die offene Bebauung mit einem Höchstausmaß der bebauten Grundflächen für Wohnbauten mit maximal drei Zehntel der Größe der Grundparzelle, die Anzahl der Geschoße mit 2 Vollgeschoßen und der Seitenabstand mit mindestens 3 m festgesetzt. Weiters ist in diesem Bebauungsplan die Verpflichtung zur Errichtung einer Garage bzw. eines PKW-Abstellplatzes pro Wohnung auf dem eigenen Bauplatz normiert, überdies wird die Gestaltung der Einfriedungen determiniert und festgesetzt, daß die bindenden Fluchtlinien zu tangieren sind, die möglichen nicht überbaut werden dürfen. Weder die planliche Darstellung noch die Erläuterungen zum Bebauungsplan lassen eine Interpretation im Sinne der Beschwerdeführer zu, wonach nur Ein- bzw. Zweifamilienhäuser zulässig wären; aus dem Umstand, daß allenfalls bisher in der Siedlung "Sachsenlager" nur Ein- bis Zweifamilienhäuser erbaut wurden, erwächst den Beschwerdeführern kein subjektiv-öffentliches Recht.

Während der erste Einreichplan im Bereich der vier Gebäudeecken die Errichtung von "Loggien" vorsah, ist im Einreichplan, der der Bauverhandlung vom 15. Dezember 1993 zugrundelag und auf den sich auch die erteilte Baubewilligung bezieht, "Balkon Holzkon." (Holzkonstruktion) eingetragen. Diese Gebilde schließen mit ihrer Längsseite (2,5 m) jeweils an die in diesem Bereich um einen halben Meter zurückspringenden Gebäudefronten an, im Bereich des Gebäuderücksprunges ragt das Gebilde um 1,20 m vor die Gebäudefront, an der gegenüberliegenden Seite um 1,70 m. Diese "Gebilde" befinden sich im Erdgeschoß und im 1. Stock, über den "Balkonen" im

1. Stock ist ein Schutzdach angebracht, sodaß jeder "Balkon" oben abgedeckt, jedoch an den Seitenwänden offen ist. In den äußeren Ecken ist jeweils eine Säule mit quadratischem Grundriß (Seitenlänge von ca. 15 cm) vorgesehen.

Strittig ist nun, ob diese Gebilde als "Balkon" zu qualifizieren sind und mit ihnen über die Baufluchtlinie gerückt werden darf und ob die Grundfläche, die mit diesen Gebilden beansprucht werden, der bebauten Fläche zuzurechnen sind.

Die hier anzuwendende O.ö. BauO 1976 enthält zwar in ihrem § 33 in der Fassung LGBl. Nr. 82/1983 in Abs. 1 lit. b die Bestimmung, wonach mit Balkonen, Terrassen, Freitreppen, Vordächern,Schutzdächern und Werbeeinrichtungen bis zu 2 m über die Baufluchtlinie eines Bebauungsplanes vorgebaut darf, sie enthält aber keine Definition der verwendeten Begriffe. Zur Klärung der Frage, ob die im Bauplan eingezeichneten Gebilde als "Balkone" oder als "Loggien" zu qualifizieren seien, hat die belangte Behörde von der Abteilung "Raumordnung und bautechnischer Sachverständigendienst" eine entsprechende Stellungnahme eingeholt. In der Anfragebeantwortung, die den Beschwerdeführern zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde, hat die genannte Fachabteilung unter Berufung auf eine Definition des Duden-Fremdwörterbuches die Auffassung vertreten, daß es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben um einen Balkon (... "ist ein offener Vorbau an einem Haus, auf den man hinaustreten kann") mit oberhalb angeordnetem Schutzdach handle. An dieser Beurteilung der belangten Behörde kann der Verwaltungsgerichtshof in Ansehung des Bauvorhabens keine Rechtswidrigkeit erkennen; die Gebilde stellen sich tatsächlich überwiegend als offener Vorbau an dem Gebäude dar und entsprechen damit auch der Definition von Architektur-Wörterbüchern (vgl. u.a. "Bildwörterbuch der Architektur", Koepf, A. Kröner Verlag Stuttgart). Zutreffend sind daher schon die Baubehörden davon ausgegangen, daß mit diesen Gebilden über die Baufluchtlinien vorgebaut werden darf.

Zur Frage, ob diese Balkone bei der Ermittlung der bebauten Fläche zu berücksichtigen sind, ist ebenfalls vorweg festzustellen, daß weder die O.ö. BauO 1976 noch die O.ö. Bauverordnung 1985 eine ausdrückliche Definition des Begriffes "bebaute Fläche" enthält. Wenn sich die belangte Behörde bei der Lösung der Frage, ob diese Flächen der bebauten Fläche zuzuzählen seien, der Beurteilung des Sachverständigen angeschlossen hat, der sich seinerseits auf die ÖNORM B 1800 gestützt hat, wonach sowohl Vordächer als auch Balkone als untergeordnete Bauteile nicht zu berücksichtigen sind, so kann diese Beurteilung nicht als rechtswidrig erkannt werden, entspricht dies doch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Zudem darf mit Balkonen gemäß § 33 Abs. 1 lit. b BO über die Baufluchtlinie hinausgeragt werden, woraus geschlossen werden kann, daß diese Flächen nicht in die bebauten Flächen einzubeziehen sind. Mit Recht wurden daher die von den Balkonen beanspruchten Grundflächen nicht der bebauten Fläche zugerechnet. Bei einer Grundstücksgröße von 927 m2 beträgt die laut Bebauungsplan zulässige bebaubare Fläche von 3/10 278,10 m2. Laut dem einen Bescheidbestandteil bildenden Plan beträgt die bebaute Fläche (ohne Balkone) 276,92 m2. Da wie ausgeführt, mit Recht die Balkone nicht in die bebaute Fläche einberechnet wurden, wurde durch das bewilligte Bauvorhaben die laut Bebauungsplan zulässige bebaubare Fläche nicht überschritten.

Dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Einwand der Beschwerdeführer auseinandergesetzt, wonach zwischen der S-Bezirksstraße und dem für die Bebauung vorgesehenen Grundstück ein Lärmschutzdamm errichtet und durch das in Frage stehende Objekt die Schutzwirkung dieses Dammes nicht mehr gewährleistet sei, ist zu entgegnen, daß die Vorstellung der Beschwerdeführer keinerlei Vorbringen in bezug auf den Lärmschutzdamm enthält. Im übrigen ist auch nicht nachvollziebar, inwieweit die Wirkung eines Lärmschutzdammes durch ein zwischen diesem Damm und dem Grundstück der Beschwerdeführern errichtetes Gebäude vermindert werden sollte.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der Erst- und Zweitmitbeteiligten, die durch denselben Anwalt vertreten werden und wortgleiche Gegenschriften eingebracht haben, war unter Hinweis auf § 49 Abs. 6 VwGG abzuweisen, ein Gebührenersatz war nur für die erforderlichen 2 Ausfertigungen der Gegenschrift zuzuerkennen.

Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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