Normen
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
VwRallg;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §4 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
VwRallg;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §4 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Dezember 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerinnen gegen den Bescheid der Berghauptmannschaft Leoben vom 13. September 1994, betreffend die Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen im Kalksteinbergbau St. E., als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerinnen seien im bergbehördlichen Verfahren durch ihren gemeinsamen bevollmächtigten Vertreter
Dipl. Ing. Johann R. vertreten gewesen.
Der erstbehördliche Bescheid sei daher Dipl. Ing. R. an seine Wohnung in G., Sch-Gasse 26/4, durch die Post zugestellt worden und zwar sei der Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch am 15. September 1994 beim Postamt nnn8 hinterlegt und eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden. Als Beginn der Abholfrist sei am Zustellschein der 15. September 1994 angegeben. Die Berufungsschrift der Beschwerdeführerinnen sei laut Aufgabestempel am 3. Oktober 1994 zur Post gegeben worden. Über Anfrage, wann der gegenständliche Bescheid den Beschwerdeführerinnen zugestellt worden sei, verbunden mit dem Hinweis, daß "andernfalls" davon ausgegangen werde, daß der Bescheid am 15. September 1994 durch Hinterlegung an den gemeinsamen Vertreter der Beschwerdeführerinnen zugestellt worden sei, habe Dipl. Ing. R. mitgeteilt, "daß ihm der gegenständliche Bescheid am 19. September 1994 (am Postamt) übergeben worden sei". Es sei nicht behauptet und diesbezüglich auch nichts vorgebracht worden, daß Dipl. Ing. R. wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang hätte Kenntnis erlangen können. Der erstbehördliche Bescheid gelte ihm somit als am 15. September 1994 zugestellt, sodaß die Berufungsfrist am
29. Setpember 1994 geendet habe und die erst danach eingebrachte Berufung verspätet sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerinnen erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in unseren Rechten insoferne verletzt, als die belangte Behörde die Frage der Zustellung
(sprich: Zustellgesetz) des Bescheides der Berghauptmannschaft Leoben vom 13. September 1994 nicht richtig beurteilt hat. Des weiteren liegt eine Rechtsverletzung zu unseren Lasten insoferne vor, als die belangte Behörde überhaupt unterlassen hat, Sachverhaltsfeststellungen i.S.d. § 60 AVG zur Abwesenheit unseres Vertreters, Dipl. Ing. R. von der Abgabestelle zu treffen. Sie hat es weiters unterlassen, hinsichtlich der Abwesenheit von der Abgabestelle des Dipl. Ing. R. den Sachverhalt ausreichend aufzuklären". Sie bringen in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 3. Dezember 1994 an
Dipl. Ing. R. wörtlich wie folgt ausgeführt: "Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ersucht binnen 14 Tagen anher bekannt zu geben, wann der Bescheid der Berghauptmannschaft Leoben vom 13.9.1994, GZ. 52.724/11/94, betreffend die Vorschreibung von Sicherheitsmaßnahmen für den Kalksteinbergbau St. E. von Dipl. Ing. Dr. Kurt Sch. den Berufungswerberinnen zugestellt wurde. Andernfalls wird davon ausgegangen, daß - wie aus dem in Ablichtung beiliegenden Zustellnachweis ersichtlich - der vorgenannte Bescheid vom 15.9.1994 an den gemeinsamen bevollmächtigen Vertreter der Berufungswerberinnen Herrn Dipl. Ing. Johann R. durch Hinterlegung zugestellt worden ist." Dipl. Ing. R. habe diesem Begehren der belangten Behörde mit Schreiben vom 13. Dezember 1994 entsprochen und das Datum der Zustellung mit 19. September 1994 angegeben. Dies deshalb, weil er "vom 19.9.1994 bis 24.9.1994" nicht an der Abgabestelle anwesend gewesen sei. Er habe durch ein Telefonat mit der Zweitbeschwerdeführerin von der Verständigung des Zustellers über ein hinterlegtes Schriftstück erfahren und telefonisch die Anweisung erteilt, das Schriftstück zu beheben und zu überbringen. Die Überbringung sei am 19. September 1994 erfolgt und der Bescheid daher mit diesem Datum wirksam zugestellt worden. "Etwas irreführend" habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im dargestellten Schreiben vom 3. Dezember 1994 wissen wollen, wann der erstbehördliche Bescheid "den Berufungswerberinnen" zugestellt worden sei. Da Dipl. Ing. R. als bevollmächtigter Vertreter im genannten Verfahren ausgewiesen gewesen sei, sei er davon ausgegangen, daß damit die Zustellung an ihn gemeint gewesen sei und er habe dementsprechend der Aufforderung der belangten Behörde vollinhaltlich entsprochen. Die belangte Behörde lege dem angefochtenen Bescheid "eine Vermutung bzw. Annahme" zugrunde, die in keinster Weise durch irgendein Verfahrens- oder Beweisergebnis gedeckt sei. Ihrer Verpflichtung, die materielle Wahrheit zu erforschen und - vor Zurückweisung eines Rechtsmittel als verspätet - zu prüfen, ob die Zustellung des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt sei, sei die belangte Behörde nicht nachgekommen. Andernfalls hätte sie bereits mit Schreiben vom 3. Dezember 1994, spätestens aber nach Erhalt des Schreibens des Dipl. Ing. R. vom 13. Dezember 1994 auf jeden Fall rückzufragen gehabt, ob dieser zum Zeitpunkt der Hinterlegung an der Abgabestelle anwesend gewesen sei oder nicht. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, Dipl. Ing. R. "konkret" nach dem Tag der Rückkehr an die Abgabestelle zu befragen. Dipl. Ing. R. habe jedenfalls aufgrund des gegebenen Sachverhaltes und auch der Anfrage des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. Dezember 1994 keine Veranlassung gehabt, zu behaupten oder vorzubringen, daß er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis hätte erlangen können.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündigung mit dieser.
Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde, soferne gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, gemäß § 9 Abs. 1 ZustellG diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Gemäß § 13 Abs. 1 ZustellG ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zu hinterlegen. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereit gehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Gemäß § 22 Abs. 1 ZustellG ist die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, Zl. 93/04/0064) ist der Umstand, ob der Zustellempfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle von einem Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte, von der Behörde von Amts wegen zu prüfen
(arg.: "... ergibt sich ..." in § 17 Abs. 3 ZustellG). Zu Recht betonen die Beschwerdeführerinnen daher die diesbezüglich bestehende amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde. Sie übersehen dabei allerdings, daß mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes korrespondiert, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung faktische Grenzen gesetzt sind (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 22. Februar 1994). Wenn nämlich die belangte Behörde, gestützt auf den vom Zusteller erstellten Zustellnachweis, wonach die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 15. September 1994 vorschriftsmäßig durch Hinterlegung erfolgt ist, und auf die - über Anfrage, ob dies auch der Standpunkt der Beschwerdeführerinnen sei - erhaltene Auskunft, dieser Bescheid sei "am 19.9.1994 übergeben" worden, zur Auffassung gelangte, die Frage, ob der Zustellempfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig habe Kenntnis erlangen können, sei zu verneinen, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Denn weder hat es die belangte Behörde solcherart unterlassen, von sich aus alle ihr zur Klärung dieser Frage offenstehenden Möglichkeiten wahrzunehmen, noch läßt sich der ihr erteilten Auskunft auch nur ein Hinweis auf einen die Zustellwirkung der Hinterlegung ausschließenden Umstand, insbesondere die Abwesenheit des Zustellempfängers von der Abgabestelle im nach § 17 Abs. 3 ZustellG relevanten Zeitpunkt entnehmen. (Letzteres wird übrigens - wie in der Gegenschrift zutreffend ausgeführt - selbst in der Beschwerde nicht vorgebracht, zumal hier die Abwesenheit des gemeinsamen Vertreters der Beschwerdeführerinnen von der Abgabestelle in der Zeit zwischen 19. September 1994 bis 24. September 1994, nicht aber am 15. September 1994, dem Zeitpunkt der Hinterlegung und ersten Tag der Abholfrist, behauptet wird). Es kann daher keine Rede davon sein, daß für die belangte Behörde aufgrund dieser Auskunft Veranlassung zu weiteren Ermittlungen über den Zustellvorgang bestanden hätte.
Daß aber die Anfrage der belangten Behörde nicht ausreichend konkret gewesen wäre, um die Beschwerdeführerinnen bzw. ihren Vertreter zu einer entsprechenden Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung zu veranlassen, trifft - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerinnen - nicht zu. Denn bei verständiger Betrachtung ist daraus das von der belangten Behörde ermittelte Zustelldatum ebenso ohne weiteres ersichtlich, wie die Aufforderung, hiezu (und damit auch zur Frage der Verspätung der Berufung) Stellung zu nehmen.
Da die von den Beschwerdeführerinnen behaupteten Verfahrensverletzungen somit nicht vorliegen, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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