VwGH 95/01/0071

VwGH95/01/00714.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1994, Zl. 4.334.184/3-III/13/94, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §2 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §19 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2;
AsylG 1991 §26;
AsylG 1991 §3;
AVG §38;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1968 §2 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §19 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2;
AsylG 1991 §26;
AsylG 1991 §3;
AVG §38;
AVG §56;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde (einschließlich des sie ergänzenden Schriftsatzes) und der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß der am 16. März 1992 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen "der Jugosl. Föderation" - mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1993 gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 abgewiesen und sein weiterer Antrag vom 20. Mai 1994 auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 oder Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juni 1994 in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. Juni 1994 zurückgewiesen wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. Februar 1995, B 1717/94, nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat - im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9461/A, mit weiteren Judikaturhinweisen) - richtig erkannt, daß die bescheidmäßige Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen nur dann zulässig ist, wenn sie gesetzlich ausdrücklich vorgesehen, im öffentlichen Interesse gelegen ist oder für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Sie hat die Ansicht vertreten, daß im vorliegenden Fall "diese Möglichkeiten offensichtlich nicht gegeben sind". Auch wenn sie dies nicht näher begründet hat, kann ihr im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Auch der Beschwerdeführer geht davon aus, daß nach der früheren Rechtslage gemäß § 2 Abs. 1 Asylgesetz (1968) bescheidmäßig eine Feststellung darüber zu treffen war, ob die nach § 1 (betreffend die Flüchtlingseigenschaft) maßgebenden Voraussetzungen gegeben sind, jedoch das - im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendende - Asylgesetz 1991 "einen anderen Weg geht". Der Asylbehörde obliegt nämlich gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ausschließlich eine Entscheidung darüber, ob einem Asylwerber Asyl zu gewähren ist, wobei einem solchen Antrag nur dann stattzugeben ist, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist. Eine gesonderte Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Bescheidspruch, mit dem über die Berechtigung eines Asylantrages abzusprechen ist, kommt daher im Rahmen eines solchen Verfahrens nicht in Betracht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Zlen. 94/01/0161, 0162, und vom 20. Mai 1994, Zl. 94/01/0097); das trifft auch für die Fälle des § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zu. Es stellt sich aber die Frage, ob dessenungeachtet ein eigenes, die Flüchtlingseigenschaft betreffendes Feststellungsverfahren nach rechtskräftigem, negativem Abschluß eines Asylverfahrens, in dem die Frage der Flüchtlingseigenschaft nicht beantwortet wurde, zulässig ist. Mit dem Argument, nach § 26 Asylgesetz 1991 blieben die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention unberührt und es handle sich bei der Konvention um eine unmittelbar anwendbare, auf Gesetzesstufe stehende Norm, ist aber diesbezüglich für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Seiner daraus gezogenen Schlußfolgerung, daß "neben dem Asylverfahren nach dem AsylG 1991 ein Feststellungsverfahren im Sinne der GFK möglich ist, ähnlich dem vor dem AsylG 1968", fehlt die entsprechende Rechtsgrundlage, weil die Genfer Flüchtlingskonvention gleichfalls ein derartiges Feststellungsverfahren nicht kennt. Gerade dadurch, daß mit dem Asylgesetz 1991 das im Asylgesetz (1968) vorgesehene Feststellungsverfahren beseitigt und demnach die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr wie früher von einer derartigen Feststellung abhängig gemacht wurde, sondern sich diese nunmehr im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention an einer bestimmten konkreten Situation einer Person orientiert (siehe RV 270 BlgNR 18. GP zu § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991), erfolgte insofern eine rechtliche Anpassung an die Konvention.

Der Beschwerdeführer versucht auf verschiedene Weise, sein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung darzutun. Er verweist auf Art. 31 Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach die vertragschließenden Staaten unter bestimmten Voraussetzungen keine Strafen wegen illegaler Einreise oder Anwesenheit über Flüchtlinge verhängen sollen, auf Art. 32 Z. 1 der Konvention, wonach die vertragschließenden Staaten keinen Flüchtling, der sich erlaubterweise auf ihrem Gebiet aufhält, ausweisen sollen, es sei denn aus Gründen der Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung, sowie auf Art. 33 Z. 1 der Konvention, wonach kein vertragschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen darf, wo sein Leben oder seine Freiheit aus näher angeführten Gründen bedroht wäre. Die Frage der Flüchtlingseigenschaft sei "daher auch Vorfrage für die Unzulässigkeit der Außerlandesverweisung" des Beschwerdeführers; die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft stelle ein notwendiges Mittel zum Schutz vor Abschiebung bzw. Zurückschiebung in seinen Heimatstaat dar. Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, daß in der Folge diesbezüglich spezielle gesetzliche Regelungen getroffen wurden, und zwar entweder im Asylgesetz 1991 oder im Fremdengesetz, welchen Bestimmungen jeweils als lex posterior und lex specialis jedenfalls der Vorrang zukäme (vgl. hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Konvention und dem Asylgesetz 1991 das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/1177), weshalb auch unerörtert bleiben kann, ob den Bestimmungen des Art. 31 Z. 1 und des Art. 32 Z. 1 der Konvention im Hinblick auf das darin jeweils verwendete Wort "sollen" überhaupt normative Wirkung zukommt. Im § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 (in Ansehung der Nichtbestrafung) ist nun von einem "Asylwerber" (siehe dazu § 1 Z. 3 leg. cit.) und sowohl im § 17 Abs. 1 Fremdengesetz (in Ansehung der Ausweisung) als auch im § 37 Abs. 2 Fremdengesetz (in Ansehung der Zurückweisung oder Zurückschiebung) von "Fremden" (siehe dazu § 1 Abs. 1 leg. cit.), in beiden Fällen aber nicht von "Flüchtlingen" die Rede, sodaß es bei Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen auf die Flüchtlingseigenschaft nicht ankommt.

Der Beschwerdeführer führt weiters ins Treffen, daß die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft "Vorfrage in verschiedenen Verwaltungsverfahren" sei. So sei dann, wenn seine Flüchtlingseigenschaft feststehe, "damit der Anspruch auf Ausstellung eines Flüchtlingspasses bzw. Flüchtlingsausweises gem. Art. 27 und 28 GFK verbunden". Ungeachtet der Frage, ob sich aus diesen Bestimmungen unmittelbar ein Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Ausstellung von Identitätspapieren und Reisedokumenten ergibt (so das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1988, Slg. Nr. 12.772/A), wobei eine dem § 10 Abs. 1 Asylgesetz (1968) entsprechende weitere Bestimmung über die Ausstellung eines Identitätspapieres gemäß Art. 27 der Konvention fehlt und als Reisedokumente gemäß Art. 28 der Konvention Fremdenpässe nach dem § 55 Fremdengesetz und Konventionsreisedokumente nach § 62 leg. cit. in Frage kommen, übersieht der Beschwerdeführer, daß die Erlassung eines Feststellungsbescheides ebenfalls unzulässig ist, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 1981, Zl. 1410/80, und vom 2. Juli 1982, Zl. 81/04/0230). Wurde noch nicht in einem Asylverfahren die Frage der Flüchtlingseigenschaft bindend entschieden, so steht der Klärung dieser Frage in anderen Verwaltungsverfahren, sofern sie hiefür - worauf in dem zuletzt genannten Zusammenhang nicht näher einzugehen ist - rechtlich von Bedeutung ist, nichts im Wege.

Dies ist dem Beschwerdeführer auch zu erwidern, wenn er sich auf § 1 Abs. 2 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, wonach die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf Konventionsflüchtlinge unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden sind, bezieht, wobei hinzuzufügen ist, daß dem Ausländer gemäß § 21 leg. cit. insofern Parteistellung zukäme. Gleiches gilt für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, wobei das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - für sich allein keinen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" gemäß § 10 Abs. 3 dieses Gesetzes darstellt, jedoch auf diesen Umstand bei Ausübung des Ermessens gemäß § 11 zweiter Satz leg. cit. Bedacht zu nehmen wäre (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/1255, und vom 21. September 1994, Zl. 93/01/0397). Ebenso wäre die nach der Auffassung des Beschwerdeführers in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 82 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz maßgebliche Vorfrage, ob ihm Gefahr drohte, die er bei Berufung auf Notstand im Sinne des § 6 VStG "durch die festgestellte Flüchtlingseigenschaft dartun kann", allenfalls in einem derartigen Verfahren zu lösen, wobei nicht einmal - im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. u.a. dessen Erkenntnis vom 3. März 1971, Slg. Nr. 6392) - gesagt werden könnte, daß es ihm nicht zumutbar wäre, die Rechtslage ungeklärt zu lassen und sich damit der Gefahr einer Bestrafung auszusetzen, hätte er sich doch diesbezüglich bereits strafbar gemacht. Der bloße Umstand, daß "darüber hinaus aus Gründen der Verwaltungsökonomie angesichts der Vielzahl von Bestimmungen, für die die Flüchtlingseigenschaft die Vorfrage bildet, ein öffentliches Interesse an der begehrten Feststellung besteht", genügt nicht für die Zulässigkeit eines solchen Feststellungsbescheides.

Da somit schon ihr Inhalt erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - und daher auch ohne Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung - als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigte sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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