VwGH 95/01/0033

VwGH95/01/003328.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, in der Beschwerdesache des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Asylwesens, den Beschluß gefaßt:

Normen

AsylG 1997 1968;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §19 Abs3;
ZustG §23 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
AsylG 1997 1968;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §19 Abs3;
ZustG §23 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer macht in seiner am 9. Februar 1995 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG geltend, daß die belangte Behörde über seine Berufung vom 10. Juli 1990 gegen den "Bescheid" der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. Juni 1990, betreffend die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft, bisher noch nicht entschieden habe. Die belangte Behörde habe zwar am 29. Juli 1991 einen Bescheid "ausgefertigt, wonach dem bekämpften Emanat Bescheidqualität nicht zukomme und die Berufung daher zurückgewiesen wird", doch sei dieser Bescheid - ebenso wie der darauffolgende der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 26. November 1991 - ihm gegenüber bisher nicht rechtswirksam erlassen worden.

Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift die Auffassung, daß der Beschwerde "unstrittig" ein unzulässiges Rechtsmittel zugrunde liege, "nämlich die Berufung gegen einen Nichtbescheid", und dies dem Beschwerdeführer - wie sich aus seinen Beschwerdeausführungen ergebe - auch bewußt sei. Im Hinblick auf den "von ihm letztlich angestrebten Zweck des Gesamtverfahrens, nämlich die Asylgewährung", vermöge die "von ihm nunmehr neuerlich geforderte zurückweisliche Entscheidung über sein Rechtsmittel weder zu seinen Gunsten noch zu seinem Nachteil an seiner Rechtsstellung etwas zu ändern". "Der verfahrensgegenständliche Rechtsbehelf" stelle sich daher "mangels jeglichen Rechtsschutzinteresses der Partei als schikanös dar und sollte ihm allein schon aus diesem Grunde kein Erfolg beschieden sein". Dabei übersieht aber die belangte Behörde - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer keineswegs davon ausgeht, daß seine Berufung als unzulässig zurückzuweisen sei, und auch sonst bei Richtigkeit seines Vorbringens von einer "neuerlich geforderten Zurückweisung" der Berufung keine Rede sein könnte -, daß beschwerdeberechtigt auch ein Antragsteller ist, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die den schon genannten Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 29. Juli 1991 enthaltende und an den Beschwerdeführer unter der Anschrift V/H, J-Gasse in M, zuzustellende Sendung mit dem Vermerk des Postzustellers "verzogen" der (die Zustellung veranlassenden) Erstbehörde zurückgestellt wurde. Wenn der Beschwerdeführer meint, daß damit eine Zustellung an dieser nicht mehr existierenden Abgabestelle gemäß § 4 Zustellgesetz "ein weiteres Mal" ausgeschlossen gewesen sei, so ist ihm § 8 Abs. 2 leg. cit. entgegenzuhalten, wonach dann, wenn eine Mitteilung über die Änderung der bisherigen Abgabestelle gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen unterlassen wird, die Zustellung, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch vorzunehmen ist, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die belangte Behörde beruft sich darauf, daß die Erstbehörde im vorliegenden Falle von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht habe, indem die betreffende Sendung, entsprechend der Aktenlage, am 23. Jänner 1992 beim Postamt 2340 Mödling hinterlegt worden sei. Bemerkt wird, daß die Hinterlegung beim Postamt dem § 23 Abs. 1 Zustellgesetz entsprach und nicht, wie dies nunmehr § 19 Abs. 3 des (damals noch nicht in Geltung stehenden) Asylgesetzes 1991 vorsieht, bei der Behörde selbst zu erfolgen hatte (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 1994, Zl. 94/20/0139, und vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/1279).

Der Beschwerdeführer führt mehrere Gründe dafür, daß ihm in Ansehung der seiner Ansicht nach bisher unterbliebenen Bescheiderlassung "keine Nachlässigkeit zur Last liegt", ins Treffen, womit er auf Umstände im Zusammenhang mit der Beantwortung der maßgeblichen Frage, ob im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz eine (neue) Abgabestelle ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte, hinweist. Mit seinem Vorbringen, daß er sich "ordnungsgemäß im Dezember 1990" von der ursprünglichen Abgabestelle in M abgemeldet und am 20. Dezember 1990 an einer näher bezeichneten Anschrift in W angemeldet habe, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Der Beschwerdeführer selbst behauptet nicht, daß er bei seiner Abmeldung der Meldebehörde gegenüber eine neue Anschrift bekanntgegeben habe, und dies wird durch eine, wenn auch erst nachträglich auf Grund dieser Beschwerde, von der belangten Behörde eingeholte Meldeauskunft bestätigt, wonach der Beschwerdeführer damals "als nach "unbekannt" verzogen abgemeldet" wurde. Es hätte daher bereits auch eine vor der Hinterlegung am 23. Jänner 1992 gestellte Meldeanfrage nichts Zielführendes erbracht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0491). Ohne weiteren, besonderen Verwaltungsaufwand wäre aber die neue Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht zu ermitteln gewesen, zumal auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Beschwerdeführer anläßlich des Verlassens des (seiner Behauptung nach von der belangten Behörde geführten) Flüchtlingsheimes seine neue Anschrift hinterlassen habe. Ebenso ist die Ansicht des Beschwerdeführers, es wäre der Erstbehörde "ein leichtes" gewesen, seine neue Anschrift zu erheben, da er "im Asylverfahren darauf hingewiesen habe", daß er mit seinen beiden Brüdern, deren Asylverfahren bei der belangten Behörde anhängig gewesen sei, gemeinsam mit seinen Eltern gewohnt habe und sich seine "Zuzugsadresse aus deren Verwaltungsakt ergeben hat", schon deshalb verfehlt, weil der Umstand, daß der (inzwischen bereits über 18-jährige) Beschwerdeführer vorher mit seinen Eltern und Brüdern in diesem Flüchtlingsheim untergebracht war, noch nicht den Schluß zuließ, daß er weiterhin im Wohnungsverband mit seinen Familienangehörigen lebt, und daher Nachforschungen in dieser Richtung, die sich auf den Inhalt anderer Verwaltungsakten bezogen hätten, entbehrlich waren. Das bedeutet aber, daß von einer rechtswirksamen Zustellung des Berufungsbescheides vom 29. Juli 1991 auszugehen ist, weshalb eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung der gegenständlichen Berufung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde nicht vorgelegen ist.

Die Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, wobei darüber ein gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeter Senat entschieden hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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