VwGH 94/20/0546

VwGH94/20/054627.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Köhler und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1993, Zl. 4.343.456/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Sri Lankas, der am 7. September 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 1. Oktober 1993 den Asylantrag gestellt hatte, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Oktober 1993, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, durch den zunächst angerufenen Verfassungsgerichtshof mit Ablehnungsbeschluß vom 13. Juni 1994, B 2190/93, abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG über diese Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm die Ausschließungsgründe des § 2 Abs. 2 Z. 1 und Z. 3 leg. cit. gegeben seien.

Der Beschwerdeführer tritt der Bejahung des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 durch die belangte Behörde - wie schon der Erstbehörde - mit der Behauptung entgegen, eine Zurückweisung von Flüchtlingen an einen Staat, der lediglich - wie es in Rußland und Bulgarien der Fall sei - "vorübergehend Asyl" gewährt habe, sei unzulässig. Verfolgungssicherheit liege nur vor, wenn die Schutzbedürftigkeit (zum aktuellen Zeitpunkt) weggefallen sei. Weder Rußland noch Bulgarien entsprächen den Sicherheitskriterien. Der bloße Beitritt zur Flüchtlingskonvention stelle lediglich ein Indiz dar, sei jedoch nicht in jedem Fall geeignet, die Annahme der tatsächlichen Einhaltung der Nonrefoulementverpflichtung zu begründen. Damit rügt der Beschwerdeführer aber "nicht offenkundige" Mängel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens. Soweit die belangte Behörde das Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ebenso wie die Erstbehörde auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Rußland und Bulgarien gestützt hat, fällt der vorliegende Beschwerdefall in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 leg. cit. und gleicht mit in allen für die Entscheidung (in diesem Umfang) relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die belangte Behörde hat aber die Abweisung des Asyls nicht nur mit dem Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 begründet, sondern auch mit jenem des § 2 Abs. 2 Z. 1 leg. cit., wonach einem Flüchtling dann kein Asyl gewährt wird, wenn er unter Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention fällt. Nach Art. 1 Abschnitt C Z. 1 dieses Abkommens wird dieses auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat. Dabei ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe sich mit Schreiben vom 29. September 1993 an den Botschafter seines Heimatlandes in Österreich um Schutz gegen die österreichischen Behörden gewandt und sich dadurch unter den diplomatischen Schutz seines Heimatlandes gestellt.

Dem von der belangten Behörde herangezogenen Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 (Unterschutzstellung) hält der Beschwerdeführer in der Beschwerde entgegen, er sei im Zeitpunkt der Verfassung des Schreibens vom 29. September 1993 bereits fast einen ganzen Monat in Schubhaft gesessen, ohne daß ihm jemand mitgeteilt habe, was mit ihm geschehen werde. Aus verständlichen Gründen habe er schnell das Gefängnis wieder verlassen wollen und daher dem Botschafter gegenüber nicht den wahren Grund seiner Flucht erwähnen können. Bereits in der Berufung habe er dargelegt, weshalb er sich an seine Botschaft gewandt habe, doch habe es die belangte Behörde im gegenständlichen Bescheid in rechtswidriger Weise unterlassen, sich mit seinem diesbezüglichen Vorbringen auseinanderzusetzen. Hätte sie den Sachverhalt vollständig geklärt, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zur Anwendung zu bringen gewesen wäre. Die belangte Behörde hätte sich jedenfalls mit seinen diesbezüglichen Berufungsausführungen auseinanderzusetzen gehabt, ganz davon abgesehen, daß der angefochtene Bescheid den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 60 AVG nicht entspräche.

Der Beschwerdeführer wendet sich zwar gegen die zur Frage der "Unterschutzstellung" der von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung, nicht jedoch gegen den dieser zugrundegelegten Sachverhalt, wonach der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29. September 1993 infolge seiner bereits 21 Tage andauernden Schubhaft den Botschafter seines Heimatlandes um möglichst schnelle Ausstellung von Reisedokumenten (Rückreisezertifikate) ersuchte. Anläßlich seiner Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 5. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu diesem Schreiben befragt, aus seiner Vernehmung ergab sich jedoch auch kein Anhaltspunkt dafür, daß sein an den Botschafter seines Heimatlandes in Österreich gerichtetes Ersuchen in anderen Umständen als seiner bereits längere Zeit andauernden Schubhaft in Österreich begründet gewesen sei. Bei rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes kommt es daher nur darauf an, ob die bereits zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Schreibens 21 Tage andauernde Schubhaft des Beschwerdeführers die "Freiwilligkeit" der Unterschutzstellung im Sinn des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention ausschließt. Auf Grund der sich aus der Aktenlage ergebenden Umstände dieses Falles ist davon auszugehen, daß der am 7. September 1993 illegal unter Zuhilfenahme einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer erst am 1. Oktober 1993 den Asylantrag gestellt hat, zu einem Zeitpunkt also, in dem er das von ihm an den Botschafter seines Heimatlandes gerichtete Schreiben bereits verfaßt hatte. Diese in kurzer zeitlicher Aufeinanderfolge gesetzten, einander diametral entgegengesetzten Handlungen des Beschwerdeführers lassen einzig den Schluß zu, daß das Motiv sowohl für die eine, als für die andere Handlung lediglich die Beendigung der Schubhaft gewesen sei. Diese sich aus den Umständen ergebende Motivation beeinträchtigt jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die freie Willensbildung noch nicht. Ist jedoch die Willensbildung frei von physischen oder psychischen Zwängen gewesen, ist der Beschwerdeführer auch für das von ihm gewollte Tun (die Unterschutzstellung) verantwortlich; diese entfaltet Wirkungen dann auch gegen ihn. Weiters zu berücksichtigen ist der Umstand, daß der Beschwerdeführer in seinem Schreiben sich nicht nur insoweit dem Schutz seines Heimatlandes unterstellte, wie dies im Falle von Reisepaßanträgen oder Verlängerungen der Fall ist, sondern darüber hinaus von seinem Heimatland aktives Einschreiten gegen österreichische Behörden, also Behörden desjenigen Landes, in welchem er anschließend um Asyl ansuchte, erbat. Damit aber erscheinen die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Konvention erfüllt.

Insoweit der Beschwerdeführer die Unterlassung weiterer Ermittlungen zu dieser Frage rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß er auch in der Beschwerde nicht zu erkennen gibt, welche anderen bzw. zusätzlichen Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen können, um bei geänderter Sachverhaltsgrundlage zu einem anderen Ergebnis kommen zu können.

Aus diesen Gründen mußte die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte