VwGH 94/20/0468

VwGH94/20/046825.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Köhler und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juni 1994, Zl. 4.301.064/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AVG §39 Abs2;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AVG §39 Abs2;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, der am 5. August 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Februar 1992, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 10. Juni 1994 wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 18. Mai 1994 in die Türkei verzogen sei und eine neue Abgabestelle nicht bekannt gegeben habe, wobei eine solche nicht ohne Schwierigkeiten habe eruiert werden können. Zufolge der Bestimmung des § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 sei der Asylantrag des Beschwerdeführers daher abzuweisen gewesen. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, er sei keineswegs in die Türkei verzogen. Vielmehr habe er sich zu dem von der belangten Behörde angeführten Zeitpunkt an seiner letzten der Behörde mitgeteilten Adresse in Wien aufgehalten und habe ab 28. Februar 1994 Arbeitslosengeld bezogen. Auch sei für ihn von einem Unternehmen am 10. Mai 1994 ein Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eingebracht worden und sei er bei diesem Unternehmen seit 16. Juni 1994 beschäftigt.

Gemäß § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 sind Asylanträge in jedem Stand des Verfahrens abzuweisen, wenn der Asylwerber eine Änderung der Abgabestelle (§ 8 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1992) nicht rechtzeitig mitgeteilt hat. Hiebei steht der Terminus "rechtzeitig" nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien in Beziehung zur Beendigung des Verfahrens, woraus folgt, daß die Unterlassung der Mitteilung einer Änderung der Abgabestelle nur dann im Sinne des § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 eine Abweisung des Asylantrages rechtfertigt, wenn die Behörde das Asylverfahren andernfalls nicht abschließen könnte. Selbst wenn die unterlassene Mitteilung geeignet wäre, die Behörde an der Beendigung des Verfahrens zu hindern, könnte so lange, als es der Behörde möglich ist, durch ihr - nach der Lage des Falles - zumutbare Erhebungen eine Abgabestelle des Beschwerdeführers festzustellen, nicht davon die Rede sein, daß das Asylverfahren wegen der unterlassenen Mitteilung nicht habe abgeschlossen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/19/0599).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht dargetan, auf welche Erhebungen sie überhaupt ihre Auffassung, der Beschwerdeführer sei in die Türkei verzogen, gestützt hat. In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich in dieser Hinsicht lediglich die Ablichtung eines die aufrechte Meldung des Beschwerdeführers an seiner auch jetzt bestehenden Anschrift dartuenden Meldezettels. Auf dem Vorlageschreiben des Bundesasylamtes vom 7. April 1994, mit welchem der Meldezettel der belangten Behörde übermittelt worden war, findet sich allerdings ein handschriftlicher Vermerk vom 10. Juni 1994, demzufolge "lt. ZMA Wien" der Beschwerdeführer am 18. Mai 1994 in die Türkei verzogen sei. Hinweise, daß weitere Ermittlungen zur Erforschung der neuen Abgabestelle des Beschwerdeführers angestellt worden wären oder daß vergeblich versucht worden wäre, dem Beschwerdeführer an seiner zuletzt gemeldeten Abgabestelle zuzustellen, sind aber weder dem angefochtenen Bescheid noch den Verwaltungsakten zu entnehmen. So wurden im angefochtenen Bescheid auch weder Feststellungen darüber getroffen, daß weitere diesbezügliche Erhebungen von vornherein aussichtslos bzw. unzumutbar gewesen wären, noch darüber, daß die belangte Behörde überhaupt bereits in der Lage gewesen wäre, das Asylverfahren durch eine Entscheidung in der Sache abzuschließen, und daß dem Verfahrensabschluß ausschließlich die Unkenntnis über die Abgabestelle des Beschwerdeführers entgegengestanden wäre. Nur bei Vorliegen derartiger auf entsprechende Verfahrensschritte gegründeter Feststellungen hätte die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen der Voraussetzungen, die eine Abweisung des Asylantrages im Grunde des § 19 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991 gerechtfertigt hätten, ausgehen können.

Darüber hinaus stehen im Beschwerdefall auf Grund des vom Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde geltend gemachten Vorbringens hinsichtlich der Unrichtigkeit der Annahme der belangten Behörde, er wäre in die Türkei verzogen, - mit diesem Vorbringen unterliegt der Beschwerdeführer, da er zu diesem dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Sachverhalt im Verwaltungsverfahren nicht gehört worden ist, nicht dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot - dieser behördlichen Annahme wesentliche, durch keinerlei Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens widerlegte Behauptungen des Beschwerdeführers entgegen.

Da die belangte Behörde jedenfalls die Rechtslage verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält und eine Zuerkennung des Ersatzes von Stempelgebühren nur im gesetzlich erforderlichen Ausmaß in Frage kommt.

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