VwGH 94/13/0030

VwGH94/13/003025.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Dezember 1993, Zl. GA 5 - 2001/93, betreffend Rückerstattung von Lohnsteuer für das Jahr 1991 und 1992, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1416;
EStG §67 Abs6;
EStG §67 Abs8;
ABGB §1416;
EStG §67 Abs6;
EStG §67 Abs8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer, der von seinem Dienstgeber mit 31. Mai 1988 gekündigt worden war, wurden in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren mit Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. Juni 1991, 10 Cga n/88, folgende Ansprüche zuerkannt:

1) Gehälter für Mai und Juni 1988 S 102.194,--

2) Sonderzahlungen 1. Jänner - 30. Juni 1988 S 51.097,--

3) Abfertigung S 357.678,96

4) Urlaubsabfindung S 158.325,--

S 669.294,96

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. April 1992, 32 Ra n/92, wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf diese Bezüge bestätigt. Weiters wurde die Gegenforderung des Arbeitgebers an von diesem im Haftungswege entrichteter Lohnsteuer in Höhe von S 298.960,-- als zu Recht bestehend erkannt.

Mit Schreiben des Arbeitgebers vom 15. Juni 1992 wurde dem Beschwerdeführer die von ihm vorgenommene Abrechnung wie folgt dargestellt:

"vorerst festgestellte

Urlaubsabfindung brutto S. 158.325,--

- Lohnsteuer " - 69.227,60

S. 89.097,40 ... S. 89.097,40

4 % Zinsen 31.5.1988 -

15.06.1992 brutto S. 57.958,27

- Lohnsteuer " - 19.097,30

S. 38.860,97 ... " 38.860,97

vom Erstgericht irrtümlich

festgestellte Gegenforderung -

von uns in Abzug gebracht ... " 1.872,30

am 10.12.91 zuviel ausbezahlt ... " - 17.937,60

= AUSZAHLUNGSBETRAG ... S. 111.893,07"

In einer Beilage zu diesem Schreiben vom 15. Juni 1992 wurde die Berechnung der Zinsen folgendermaßen dargestellt:

Tage Zinszahlen

31.05.1988 51.097,-- Gehalt Mai 30 15.329

30.06.1988 618.197,96 Gehalt Juni+Sonderzlg.+Abf.+UA

669.294,96 106 709.453

14.10.1988 -298.960,-- Entrichtung Lohnsteuernachzlg.

370.334,96 1.152 4.266.259

10.12.1991 -212.009,96 Auszahlung Geh.+SZ+Abf.

15.06.1992 158.325,-- " UA 188 297.651

5.288.692

5.288.692 x 4 : 365 = S. 57.958,27 Zinsen

Mit Eingabe vom 6. Juli 1992 beantragte der Beschwerdeführer beim Finanzamt die Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer. Er begehrte, von der Urlaubsabfindung einen Teilbetrag von S 156.488,-- nach einem Steuersatz von 6 % zu besteuern. Hinsichtlich der Besteuerung des zuerkannten Zinsbetrages ging der Beschwerdeführer davon aus, daß der Abfertigungsbetrag von S 357.678,96 sowie ein Teilbetrag der Urlaubsabfertigung von S 156.488,-- zusammen 76,82 % des gesamten zugesprochenen Betrages von S 669.294,96 ausmachten. Der Beschwerdeführer beantragte, vom Zinsbetrag den Teilbetrag von S 44.523,54 (= 76,82 % von S 57.958,27) nach einem Steuersatz von 6 % zu besteuern.

Das Finanzamt wies den Rückerstattungsantrag des Beschwerdeführers ab.

In der Berufung gegen diesen Bescheid beantragte der Beschwerdeführer abermals die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Urlaubsabfindung, soweit ein Viertel der Bezüge der letzten 12 Monate nicht überschritten werde. Es handle sich dabei um eine Zahlung, bei der der Gesetzgeber einen Lohnzahlungszeitraum nicht im Auge habe. Die Zinsen seien "naturgemäß so zu behandeln wie der Hauptteil des Gesamtkapitals".

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß der Belastungsprozentsatz im Sinne des § 67 Abs. 8 EStG 1972 undifferenziert auf alle nachgezahlten Lohnbestandteile anzuwenden ist. Hinsichtlich des Begehrens, einen Teil der zuerkannten Zinsen mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern, wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, durch die unterschiedlichen Auszahlungszeitpunkte ergebe sich, daß die zuletzt ausgezahlten Bezugsteile einen wesentlich höheren Anteil an den Zinsen ausmachten, als sich im Verhältnis zur gesamten Nachzahlungssumme ergeben würde. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, daß alle Bezugsteile gleichmäßig verzinst werden. Dadurch sei eine "Herauslösbarkeit bzw. Zuordenbarkeit" der Einzelkomponenten der nachgezahlten Summe nicht möglich. Es komme daher eine Ausnahme von der Besteuerung mit dem Belastungsprozentsatz nicht in Betracht.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen

inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen), mit den Steuersätzen des Abs. 1 dieser Gesetzesstelle zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen.

Mit dem Steuersatz, der tarifmäßig dem Arbeitslohn des letzten vollen Kalenderjahres entspricht, sind gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 zu versteuern Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume, Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre, die neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber oder in einem Konkursverfahren geleistet werden und nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitraumes beruhen, sowie Vergleichssummen, gleichgültig, ob diese auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhen, und zwar auch dann, wenn sie nicht neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber gewährt werden.

Die Vorschrift des § 67 Abs. 8 EStG hat den Zweck, solche Lohnbestandteile zu erfassen, die über einen gewissen Zeitraum verteilt zu gewähren gewesen wären, tatsächlich aber nicht oder nicht in voller Höhe zur Auszahlung gelangten (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1989, 89/14/0077).

Liegt einer der Fälle des § 67 Abs. 8 EStG vor, hat die Besteuerung mit dem Belastungsprozentsatz und nicht gemäß § 67 Abs. 6 EStG zu erfolgen, auch wenn ein Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses besteht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1991, 90/14/0053).

Der im § 67 Abs. 6 EStG 1988 enthaltene Nebensatz "die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen" läßt erkennen, daß es sich hier um Bezüge handeln muß, die durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst werden. Weiters ist auch aus der beispielsweisen Aufzählung von freiwilligen Abfertigungen und Abfindungen ersichtlich, daß sich die Begünstigung nur auf Bezüge erstreckt, die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in Zusammenhang stehen (vgl. die zu § 67 Abs. 7 EStG 1953 ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1963, 2151/61, und vom 13. April 1967, 1661/66). Die dem Beschwerdeführer zugesprochene Urlaubsentschädigung (im Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien als "Urlaubsabfindung" bezeichnet) hat ihre Ursache darin, daß der Beschwerdeführer während des aufrechten Dienstverhältnisses den ihm zustehenden Erholungsurlaub nicht konsumiert hat. Es besteht demnach kein Kausalzusammenhang zwischen dieser Abgeltung des nicht konsumierten Urlaubs und der Auflösung des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers, weil es zu einer derartigen Abgeltung auch bei aufrechtem Dienstverhältnis kommen kann. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist somit die in Rede stehende Urlaubsentschädigung einer Besteuerung im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht zugänglich.

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß es sich bei den dem Beschwerdeführer ab dem 31. Mai 1988 zugesprochenen Verzugszinsen um Vorteile aus dem in Rede stehenden Dienstverhältnis handelt. Dieser dem Beschwerdeführer zugesprochene urteilsmäßige Mehrbetrag steht in einem derart engen Zusammenhang mit den einzelnen dem Beschwerdeführer zustehenden Bezugsteilen, daß er steuerlich deren Schicksal teilt (vgl. das zur Beurteilung eines Mehrbetrages einer Abfertigung auf Grund einer Wertsicherungsvereinbarung ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1983, 83/13/0083). Daraus folgt, daß die Verzugszinsen insoweit, als sie im Zusammenhang mit der begünstigt besteuerten Abfertigungszahlung stehen, in derselben Weise wie die Abfertigungszahlung zu besteuern sind.

Die demgegenüber von der belangten Behörde vertretene Auffassung, eine Ausnahme der Verzugszinsen von der Besteuerung mit dem Belastungsprozentsatz im Sinne des § 67 Abs. 8 EStG 1988 sei deswegen nicht möglich, weil die "Zuordenbarkeit" der Verzugszinsen "zu den Einzelkomponenten der nachgezahlten Summe" nicht möglich sei, ist unzutreffend. Für die Frage, welcher Zinsbetrag auf die einzelnen Bezugsteile entfiel, wird die im § 1416 ABGB angeführte Reihenfolge maßgeblich sein; als letzte Möglichkeit wäre von einer verhältnismäßigen Tilgung auszugehen (vgl. Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I9, 274). Dies gilt auch für die Kompensation mit der Lohnsteuernachzahlung von S 298.960,-- vom 14. Oktober 1988 (vgl. dazu Reischauer in Rummel2, Rz 28 zu § 1416). Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Nach Art. I Abschnitt A Z. 1 dieser Verordnung beträgt dabei der Schriftsatzaufwand S 12.500,--. In diesem pauschalierten Aufwand ist die Umsatzsteuer bereits enthalten. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ist nur erforderlich, der Beschwerde eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides anzuschließen. Der Ersatz des Beilagenstempels beträgt daher lediglich S 60,--.

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