VwGH 94/06/0032

VwGH94/06/003216.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft Z in X, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in X, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde V, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Entscheidung über einen Antrag gemäß § 16 Abs. 6 des (Salzburger) Baupolizeigesetzes (weitere Partei im Verfahren: OW in S, Bundesrepublik Deutschland), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §297;
AVG §1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauPolG Slbg 1973 §16 Abs6;
BauRallg;
B-VG Art132;
JN §1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
ABGB §297;
AVG §1;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauPolG Slbg 1973 §16 Abs6;
BauRallg;
B-VG Art132;
JN §1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. August 1986 betreffend die Erlassung eines Baueinstellungs- und Abbruchauftrages wird gemäß § 16 Abs. 6 des Salzburger Baupolizeigesetzes in Verbindung mit den §§ 42 Abs. 4 und 62 Abs. 2 VwGG zurückgewiesen.

Die Gemeinde V hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.730,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1992, Zl. 88/06/0199, verwiesen, dem auch der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist.

Für das vorliegende Beschwerdeverfahren sind folgende Umstände hervorzuheben:

F. G. war Eigentümer unter anderem der Grundstücke Gp. 889/3 und Bp. 152 je der KG V, wobei nach den vorliegenden Katasterplänen die Bauparzelle zur Gänze von der Grundparzelle umgeben wird. Mit Kaufvertrag vom 13. April 1983 veräußerte er die Bauparzelle samt einem darauf errichteten Gebäude an die weitere Partei des Verfahrens (in der Folge kurz: Bauwerberin). Diese trachtete in der Folge danach, vom Verkäufer (auch noch) einen Grundstreifen rund um diese Bauparzelle zu erwerben; die Versuche blieben aber erfolglos, weil die Grundparzelle unterdessen mit Kaufvertrag vom 14. bzw. 27. November 1984 von der Beschwerdeführerin erworben worden war und seither in deren Eigentum steht.

Mit Anbringen vom 20. August 1986 beantragte die Beschwerdeführerin beim Bürgermeister der Gemeinde als Baubehörde erster Instanz die Erlassung eines Baueinstellungs- und Abbruchauftrages gemäß § 16 des Salzburger Baupolizeigesetzes (BauPolG) weil die Bauwerberin den gemauerten Schweinestall, der sich auf ihrem Grundstück befunden habe, ohne Bewilligung in ein Wohnhaus umgebaut habe; Bauarbeiten seien noch im Gange. Der Bürgermeister wolle die Bauführung einstellen und der Bauwerberin den Auftrag zur Beseitigung des widerrechtlich errichteten Bauwerkes erteilen. Mit Schriftsatz vom 31. Juli 1987 brachte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG einen Devolutionsantrag ein, weil die Baubehörde erster Instanz schuldhaft säumig geblieben sei. Mit Bescheid vom 6. Dezember 1987 wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag mit der Begründung ab, daß nach der Aktenlage keine Säumnis der Baubehörde erster Instanz vorliege. Über Vorstellung der Beschwerdeführerin ergänzte die Vorstellungsbehörde das Verfahren und führte auch einen Ortsaugenschein durch. Im Zuge dieses Verfahrens erklärte die Beschwerdeführerin, ihr (von der Bauwerberin bestrittenes) Vorbringen, es seien die Vordächer und der Balkon, sowie auch die Außenmauern erneuert und versetzt worden, nicht aufrecht zu erhalten.

Mit Bescheid vom 12. September 1988 behob die Vorstellungsbehörde den genannten Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 1987; sie ging von der Beurteilung aus, das gesamte Gebäude sei konsenslos. Über Beschwerde der Bauwerberin wurde diese Vorstellungsentscheidung mit dem eingangs genannten Erkenntnis vom 30. April 1992, Zl. 88/06/0199, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit (mit eingehenden Hinweisen zur Rechtsfigur des "vermuteten Konsenses") aufgehoben. Demgemäß hob die Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 26. Juli 1993 den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 1987 auf und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Dieser Bescheid langte bei der Gemeinde am 30. Juli 1993 ein.

Mit der als "Bauanzeige gem. § 3 Sbg. Baupolizeigesetz" bezeichneten, an den Bürgermeister der Gemeinde gerichteten Eingabe vom 15. Juni 1993 (lt. Eingangsvermerk bei der Gemeinde am 27. Juli 1993 eingelangt) brachte die Bauwerberin vor, für die Erhaltung ihres Hauses sei "es dringend erforderlich, die Außenfassade zu sanieren - Anbringen von Holzschindeln. Da diese Baumaßnahme nur von geringer Bedeutung ist, ersuche ich um Bewilligung der gegenst. Bauanzeige".

Hierüber erging vom Bürgermeister am 29. Juli 1993 folgende, an die Bauwerberin gerichtete Erledigung:

"Der Bauanzeige gem. § 3 Baupolizeigesetz wird ha. die Bewilligung erteilt, da es sich um eine bauliche Anlage von geringerer Bedeutung handelt."

Am 29. November 1993 berichtete der Bürgermeister der Vorstellungsbehörde (unter Hinweis auf diesen Bescheid vom 26. Juli 1993) über den Verfahrensstand und vertrat (zusammengefaßt) die Beurteilung, "daß das in Rede stehende Bauwerk nicht als konsenslos errichtetes Gebäude anzusehen" sei. Zu prüfen bleibe daher nur mehr, ob der Beschwerdeführerin in Ansehung der von der Bauwerberin "im Jahre 1986 durchgeführten baulichen Adaptierung eine Parteistellung nach dem Salzburger Baupolizeigesetz zukommt". Ein Ersatzbescheid wurde aber nicht erlassen.

Mit der vorliegenden, am 8. Feber 1994 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die belangte Behörde über ihr Begehren vom 20. August 1986 in Verbindung mit dem Devolutionsantrag nicht entschieden habe.

Mit Verfügung vom 28. Feber 1994, die der belangten Behörde am 9. März 1994 zugestellt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 3 VwGG in Verbindung mit § 36 Abs. 2 VwGG das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde aufgetragen, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 1. Juni 1994 gab der Bürgermeister der Gemeinde (dem Zusammenhang nach namens der belangten Behörde) bekannt, daß eine Bescheiderlassung nicht erfolgt sei und auch nicht erfolgen werde, "und ebensowenig eine Verletzung der Entscheidungspflicht" der belangten Behörde vorliege. Unter Hinweis auf die Ausführungen in dem in dieser Sache bereits ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1992 wurde dargelegt, daß es sich beim fraglichen Bau nicht um einen "Schwarzbau" handle. Durch die "früher geringfügige Veränderung des Pultdaches am gegenständlichen Objekt" sei "der bestehende oder zumindest vermutete Konsens für das seinerzeit bestandene Bauwerk nicht zur Gänze untergegangen", weshalb der Beschwerdeführerin auch keine Parteistellung im Sinne des § 16 Abs. 6 BauPolG zukomme, "womit auch jegliche Rechtsgrundlage für die nunmehr eingebrachte Säumnisbeschwerde bzw. den dieser vorausgegangenen Verfahren fehlt. Über diesen Umstand der fehlenden Parteistellung" der Beschwerdeführerin sei vom Bürgermeister der Gemeinde mit eigenem Feststellungsbescheid förmlich entschieden worden. "Zum bestehenden, vermuteten Baukonsens für das verfahrensgegenständliche Gebäude" werde auf ein näher bezeichnetes Schreiben an die Landesregierung verwiesen. Demnach wolle die Säumnisbeschwerde kostenpflichtig zurückgewiesen werden.

Die Beschwerdeführerin nahm mit Schriftsatz vom 8. Juni 1994 zu dieser Äußerung der belangten Behörde Stellung. Darin wird vorgebracht, daß die Bauwerberin im Jahr 1983 die fragliche Bauparzelle mit einem darauf errichteten einfachen Gebäude ("Saustall") erworben habe, welches sich allerdings als Stall bzw. reines Neben- und Wirtschaftsgebäude des nahe gelegenen Berggasthofes dargestellt und keineswegs Wohnzwecken gedient habe. Insbesondere habe das Objekt im Inneren weder eine Küche noch Bade- bzw. Duschräume oder Toilettanlagen aufgewiesen, wie dies nach den vorgelegten Plänen nunmehr der Fall sei, weshalb jedenfalls eine baubewilligungspflichtige Widmungsänderung bzw. Änderung des Verwendungszweckes vorliege. Die Grundfläche der Bauparzelle messe laut näher bezeichneten Unterlagen 11,00 m bzw. 11,02 m an den Breitseiten und 15,04 m bzw. 15,08 m an den Längsseiten. Das darauf errichtete Gebäude habe laut eingereichten Plänen ein Ausmaß von

10,64 m x 15,13 m, "wozu noch die vorstehenden Dächer und der Balkon hinzukommen, welche früher nicht in dieser Form vorhanden waren. Das Gebäude ragt sohin mit dem Balkon gegen Südwesten und dem Dach rundum auf den Nachbargrund". Die Abwässer aus Küche und Bädern versickerten zwangsläufig auf Nachbargrund. Betrachte man frühere Lichtbilder, werde evident, daß sich nicht nur die Widmung des Gebäudes sondern auch dessen Aussehen, "die oberirdische Gestalt", schon durch die bisherigen Maßnahmen der Bauwerberin erheblich verändert hätten. Habe das Objekt früher ein nicht vorstehendes Pultdach aufgewiesen, so habe es nun ein Satteldach, welches an allen Seiten über das Gebäude und damit über die Grundgrenzen der Bauparzelle rage. Ebenso habe das Objekt früher keinen Balkon aufgewiesen.

Gemäß § 16 Abs. 6 BauPolG stehe dem durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung einer baulichen Maßnahme, die gegen die Bestimmungen betreffend Abstände zu der Grenze des Bauplatzes oder zu anderen Bauten verstoße, in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzten Nachbarn das Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahme nach Abs. 1 bis 4 leg. cit. (Baueinstellung, Baubeseitigung) und Parteistellung im Verfahren zu.

Im gegenständlichen Fall lägen folgende Abstandsunterschreitungen vor:

1. Die Außenmaße des Gebäudes gemäß den von der Bauwerberin vorgelegten Plänen zeigten, daß das Gebäude zwangsläufig über die Grundfläche der Bauparzelle "hinausstehe". Die von der Bauwerberin an allen vier Seiten des Gebäudes angebrachte Mauerverkleidung aus Holzschindeln stehe somit über Grund der Beschwerdeführerin.

2. Der südwestliche Balkon rage ebenfalls über den Grund der Beschwerdeführerin, was einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 lit. b des Bautechnikgesetzes (BauTG) bedeute.

3. Gleiches gelte für die Dachtraufen und die über die Gebäudekanten vorstehenden Teile des Daches schlechthin (Verstoß gegen § 15 Abs. 1 BauTG).

4. Die Änderung des bisherigen Verwendungszweckes von "Saustall, Abstell- und Wirtschaftsräume" auf Wohnraum mit Duschen bzw. Bädern, Toiletten und Küche widerspreche den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 59 BauTG, zumal die raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen für ein Wohnhaus nicht vorlägen. Die Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im Sinne des § 62 Z. 12 BauTG sei schon darin zu sehen, daß keine Abwasserentsorgung vorhanden sei, weil weder ein Anschluß an die Kanalisation möglich sei, "noch der geringste Raum für eine Kläranlage". Es sei daher zu befürchten, daß sämtliche Abwässer auf den Nachbargrund einfach zur Versickerung gebracht würden.

Demnach komme der Beschwerdeführerin entgegen der Darstellung in der Stellungnahme vom 1. Juni 1994 Parteistellung im gegenständlichen Verwaltungsverfahren zu. Der in dieser Stellungnahme genannte Feststellungsbescheid sei der Beschwerdeführerin nicht zugekommen. Damit stehe fest, daß die belangte Behörde nach wie vor säumig sei.

Mit dem genannten, mit 7. Juni 1994 datierten Bescheid hat der Bürgermeister der Gemeinde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verwaltungsverfahren "keine Parteistelung im Sinne des § 16 Abs. 6

Salzburger BauPolG" zukomme. Begründet wurde dies (zusammengefaßt) damit, daß das Gebäude als konsentiert anzusehen sei und dieser vermutete Konsens auch nicht durch die von der Bauwerberin nach dem Erwerb des Objektes im Jahr 1983 "vorgenommenen geringfügigen baulichen Umgestaltungen" untergegangen sei, weshalb die Beschwerdeführerin "auch bis heute keine Parteistellung im Sinne des § 16 Abs. 6 BauPolG erlangt hat". Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen ihr am 9. Juni 1994 zugestellten Bescheid Berufung, in der sie ua. die Unzuständigkeit des Bürgermeisters geltend machte; im übrigen entspricht das Berufungsvorbringen, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, im wesentlichen dem Vorbringen im Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 8. Juni 1994. Die belangte Behörde hat mit Berufungsbescheid vom 7. Dezember 1994 diesen Bescheid ersatzlos behoben ("da durch das anhängige Verfahren der Bürgermeister nicht zuständig war, einen Feststellungsbescheid zu erlassen"), und sodann die Akten dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Säumnisbeschwerde vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Wie bereits in dem in dieser Sache ergangenen Erkenntnis vom 30. April 1992 ausgeführt wurde, kommt der Beschwerdeführerin ungeachtet aller Erwägungen zu ihrer Parteistellung in der Sache selbst jedenfalls ein Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung ihres Antrages nach § 16 BauPolG, sei es durch Zurückweisung oder durch meritorische Erledigung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits im Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/77 = (Slg. NF 9458/A), dargelegt, daß beschwerdeberechtigt gemäß Art. 132 B-VG ein Antragsteller ist, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen könne. Die im Schreiben vom 1. Juni 1994 zum Ausdruck gebrachte Beurteilung, die Säumnisbeschwerde sei mangels Parteistellung in der Hauptsache unzulässig, ist daher ebenso unzutreffend, wie die möglicherweise ebenfalls zugrundeliegende Auffassung, eine Entscheidung der belangten Behörde über den Antrag der Beschwerdeführerin sei im Hinblick auf diesen (sodann erlassenen) Feststellungsbescheid des Bürgermeisters entbehrlich. Vielmehr ist nach dem Gesagten die Säumnisbeschwerde zulässig; da die belangte Behörde innerhalb der eingeräumten Frist nicht entschieden hat, ist die Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. In diesem Zusammenhang ist ergänzend anzumerken, daß dem genannten Feststellungsbescheid vom 7. Juni 1994 für die Frage der Verletzung der Entscheidungspflicht als solche keine rechtliche Bedeutung zukam (weil damit über den Antrag vom 20. August 1986 nicht abgesprochen wurde), noch ihm im Hinblick auf seine ersatzlose Behebung für die inhaltliche Erledigung der Säumnisbeschwerde rechtliche Bedeutung zukommt.

2. Im Beschwerdefall ist das Salzburger Baupolizeigesetz (BauPolG), LGBl. Nr. 136/1973, in der Fassung

LGBl. Nr. 13/1995, anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin als Nachbarin der Bauwerberin stützt

ihren behaupteten, in der bereits wiedergegebenen Äußerung vom 8. Juni 1994 näher dargestellten Anspruch auf § 16 Abs. 6 BauPolG.

§ 16 BauPolG lautet:

"(1) Stellt die Baubehörde fest, daß die Ausführung einer baulichen Maßnahme nicht dem Inhalt der Bewilligung einschließlich der auf die bauliche Maßnahme bezughabenden baurechtlichen Vorschriften, der Pläne und technischen Beschreibungen entsprechend erfolgt, so hat sie die Einstellung der Ausführung der baulichen Maßnahme zu verfügen, es sei denn, daß die Abweichung geringfügig ist. Eine Abweichung vom Inhalt der Bewilligung ist jedenfalls dann nicht mehr als geringfügig anzusehen, wenn hiedurch die in den raumordnungs- oder baurechtlichen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen verletzt werden oder für die Änderung selbst eine Bewilligungspflicht besteht. Die Einstellung ist unter Anordnung der notwendigen Sicherungsmaßnahmen unmittelbar gegenüber den mit der Ausführung der baulichen Maßnahme beschäftigten Personen ohne vorausgehendes Verfahren mit sofortiger Wirkung zu verfügen und erforderlichenfalls durch weitere Maßnahmen des unmittelbaren Verwaltungszwanges (Art. II Abs. 6 Z. 5 EGVG) auf Gefahr und Kosten des Bauherrn und des Bauführers sicherzustellen. Sie wird unwirksam, wenn die Baubehörde die Einstellung nicht innerhalb einer Woche nach der Einstellungsverfügung durch Bescheid aufrechterhält. Berufungen hiegegen haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Baubehörde hat die Einstellung der Ausführung der baulichen Maßnahmen auch dann und insolange zu verfügen, als

  1. a) keine Bewilligung vorliegt oder die erteilte Bewilligung nachträglich aufgehoben wurde oder nicht rechtskräftig ist, es sei denn, es handelt sich um Arbeiten nach § 12 Abs. 2;
  2. b) die bauliche Maßnahme nicht durch eine hiezu befugte Person (§ 11) ausgeführt bzw. überwacht wird;
  3. c) die im Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht erfüllt werden;
  4. d) baubehördlichen Anordnungen im Sinne des § 13 nicht entsprochen wird;
  5. e) als sie in einem Gebiet, für das eine Bausperre gemäß § 26 oder § 42 ROG 1992 gilt, ohne die gemäß dem jeweiligen Abs. 3 der zitierten Bestimmungen erforderliche besondere Bewilligung ausgeführt wird.

Abs. 1 dritter bis fünfter Satz findet Anwendung.

(3) Ist eine bauliche Anlage ohne Bewilligung ausgeführt oder ist ihre Bewilligung nachträglich aufgehoben worden, so hat die Baubehörde dem Eigentümer und allenfalls auch dem Veranlasser aufzutragen, die bauliche Anlage binnen einer angemessenen Frist zu beseitigen. Wird ein Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung gestellt, darf eine Vollstreckung des Beseitigungsauftrages nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden. Bei Versagung der nachträglichen Bewilligung beginnt die Frist zur Beseitigung ab Rechtskraft des Versagungsbescheides neu zu laufen.

(4) Die Bestimmung des Abs. 3 gilt hinsichtlich des unzulässig Hergestellten sinngemäß, wenn die Ausführung auf Grund einer baubehördlichen Bewilligung erfolgt, von deren Inhalt aber nicht nur geringfügig abweicht. Der Beseitigungsauftrag ist diesfalls an den Bauherrn bzw. den Eigentümer der baulichen Anlage zu richten.

(5) Geringfügige Abweichungen der Ausführung der baulichen Anlage vom Inhalt der Bewilligung sind von der Baubehörde, tunlichst im Überprüfungsbescheid (§ 17), nachträglich zu genehmigen. Hinsichtlich solcher Abweichungen kann die Baubehörde die Vorlage der erforderlichen Pläne und Unterlagen (§§ 4 und 5) verlangen.

(6) Wird durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung einer baulichen Maßnahme gegen eine Bestimmung betreffend Abstände zu der Grenze des Bauplatzes oder zu anderen Bauten verstoßen, so steht dem hiedurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzten Nachbarn das Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahmen nach Abs. 1 bis 4 und die Parteistellung in diesem Verfahren zu."

Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (insbesondere auch der schlüssigen Angaben der Bauwerberin) tritt der Verwaltungsgerichtshof der Annahme der Gemeindebehörden, aber auch der Vorstellungsbehörde, wie sie im Bescheid vom 12. September 1988 zum Ausdruck gebracht wurde, bei, daß die Bauwerberin das fragliche Haus bereits mit dem (nun) bestehenden, vorspringenden Satteldach und dem bestehenden Balkon erworben und an diesen Bauteilen nichts geändert hat, was die Beschwerdeführerin auch zugestanden hat.

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, hat der Bürgermeister dargelegt, daß für das Gebäude, wie es von der Bauwerberin erworben wurde, ein vermuteter Konsens spreche. Dagegen führt die Beschwerdeführerin konkret nichts aus. Der Umstand, daß das Haus infolge von Umbauten vor dem Erwerb durch die Bauwerberin nun anders aussieht, als auf den Lichtbildern aus den Jahren 1925 und 1929 (deren unbedenkliche Datierung auch nicht in Zweifel gezogen wurde) spricht noch nicht dagegen.

Geht man aber davon aus, daß der Balkon und die von der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 8. Juni 1994 näher beschriebenen übertragenden Teile des Daches konsentiert sind, kann sich die Beschwerdeführerin im Bauverfahren nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sich der Balkon und diese Teile des Daches nunmehr (infolge der durch den Eigentumserwerb der Bauwerberin nicht mehr gegebenen Eigentümeridentität hinsichtlich der Bauparzelle und der umgebenden Grundparzelle) über fremden Grund befänden.

Dieser vermutete Konsens kann freilich nicht für die von der Bauwerberin erst im Verlauf des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens angebrachte Fassadenverkleidung aus Holzschindeln gelten. Daraus ist aber für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen: Der Bestimmung des § 16 Abs. 6 BauPolG liegt, fallbezogen und vereinfachend dargestellt, das Konzept zugrunde, dem Nachbarn Abhilfe gegen rechtswidrige bauliche Maßnahmen auf fremden Grund zu verschaffen (ist doch "Nachbar" begrifflich der Eigentümer eines benachbarten Grundstückes), die die Abstände zu den Grenzen des Bauplatzes zu seinem Nachteil verletzen. Diese Bestimmung gibt aber keine Handhabe zur Beseitigung einer Fassadenverkleidung die, so das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ZUR GÄNZE (AUSSCHLIEßLICH) über ihrem Grund errichtet wurde. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin, wenn sie meint, daß hiedurch ihr Eigentumsrecht verletzt wurde (§ 297 ABGB, Luftraum über ihrem Grundstück), diesbezüglich Abhilfe bei den ordentlichen Gerichten zu suchen.

Mit der befürchteten rechtswidrigen Versickerung von Abwässern auf ihrem Grund macht die Beschwerdeführerin, wie auch mit den übrigen Ausführungen im Punkt 4. des Schriftsatzes vom 8. Juni 1994 (Änderung des Verwendungszweckes) vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles keine Verletzung von Abstandsvorschriften im Sinne des § 16 Abs. 6 BauPolG geltend.

Somit war das Begehren der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des eingeschränkten Begehrens.

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