VwGH 94/05/0345

VwGH94/05/034519.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 1. Februar 1994, Zl. MA 64 - BE 206/93, betreffend eine Angelegenheit nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
StGG Art17a;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
GebrauchsabgabeG Wr 1966 §2 Abs2;
StGG Art17a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 12. November 1993 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer als Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht gemäß § 1 i.V.m. § 2 des Gebrauchsabgabegesetzes 1966, LGBl. für Wien Nr. 20 i.d.g.F., die beantragte Gebrauchserlaubnis für ein 12 m X 8,80 m großes Staubschutznetz mit Werbebotschaften für die Firma X über öffentlichem Gemeindegrund am Gerüst vor dem Haus Wien I., Rotenturmstraße 29 in Front Franz-Josefs-Kai, versagt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 6 leg. cit. der Auftrag erteilt, das über öffentlichem Gemeindegrund befindliche, an dem Gerüst vor dem genannten Haus angebrachte, im Bescheid näher umschriebene Staubschutznetz mit Werbebotschaften für die Firma X innerhalb eines Tages nach Eintritt der Rechtskraft zu entfernen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 1. Februar 1994 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde in der Begründung hiezu aus, der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 19 habe im erstinstanzlichen Verfahren ein Gutachten erstattet und im hiezu erstellten Befund ausgeführt, daß das hier zu beurteilende Staubschutznetz im Bereich jener - in einer Schutzzone gelegenen - Gebäudeabfolge, die zwischen Rotenturmstraße und Marc-Aurel-Straße die Stadtkante gegen den Freiraum Schwedenplatz-Donaukanal bilde, angebracht sei. Differenziert betrachtet, zeige die geschilderte stadträumliche Situation für einen Betrachter eine sehr gut überblickbare Fassadenszene mit einer architektonisch qualitätsvollen gestalterischen Charakteristik. Innerhalb dieser Stadtkante entwickle die Ruprechtskirche einen weithin sichtbaren städtebaulichen Höhepunkt. Die Fotodarstellung entwickle durch Inhalt und Ausdruck für den Betrachter in erster Linie eine Werbebotschaft. Der vordergründige Werbecharakter bilde eine visuelle Gegensätzlichkeit zur gestalterischen Charakteristik der Stadtkante, wobei das Ausmaß der Darstellung keine Rolle spiele, sondern lediglich Inhalt und Wirkung von Belang seien. Das Staubschutznetz wirke ohne die plakative Wirkung in der Umgebung optisch nicht weiter auffallend. Eine an der Fassade vor dem Cafe Landtmann angebrachte bildhafte Darstellung auf einem Staubschutznetz, welche ein Stilleben mit Früchten und Blumen wiedergebe, vermittle dem Betrachter einen visuellen Eindruck, der im Sinne von Schmücken eines unansehnlichen Staubnetzes durchaus zu interpretieren sei. Das gegenständliche, eine Werbebotschaft vermittelnde Staubschutznetz befinde sich hingegen in einem architektonisch wertvollen und somit schützenswerten Bereich, was auch vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt werde. Der Beschwerdeführer habe das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des Amtssachverständigen nicht entkräften können. Dem Akt lasse sich entnehmen, daß auf dem sehr großen Plakat ein "Topmodel" in Unterwäsche abgebildet sei. Selbst wenn man zugestehe, es sei vom fotographischen Standpunkt aus ein kunstvoll und ansprechend gemachtes Foto, vermöge dies nichts daran zu ändern, daß die Botschaft einer Werbung für Wäschemode sehr stark wirksam vermittelt werde. Die Tatsache, daß für die Firma X erstellte Plakate bereits mit Kulturpreisen bedacht worden seien, lasse nicht den Schluß zu, daß auch das gegenständliche "Wäscheplakat" eine künstlerische Aussage enthalte bzw. ein künstlerisches Motiv aufweise. Der Beschwerdeführer selbst verwende in seinem Vorbringen ständig den Ausdruck "Werbebotschaft". Das vom Sachverständigen auf dem Gebiet der Baukunst verwendete Argument, der künstlerische Eindruck müsse gegenüber der Werbeaussage überwiegen, könne nicht stichhaltig angefochten werden. Im maßgeblichen Gutachten seien triftige und einleuchtende Gründe für die unzumutbare Beeinträchtigung des Stadtbildes angeführt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung der Behandlung mit Beschluß vom 27. September 1994, B 529/94-7, an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf rechtmäßige Anwendung des Gebrauchsabgabegesetzes, insbesondere dessen §§ 1 und 2 sowie 6, und der Verfahrensvorschriften des AVG verletzt". Er macht Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966, LGBl. Nr. 20 i.d.F. LGBl. Nr. 73/1990, ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffenlichen Verkehr dient, eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn der Gebrauch über die widmungsmäßigen Zwecke dieser Fläche hinausgehen soll; nach Abs. 2 dieser Bestimmung gehen die im angeschlossenen Tarif angegebenen Arten des Gebrauches von öffentlichem Gemeindegrund über den widmungsmäßigen Zweck hinaus.

Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. ist die Gebrauchserlaubnis zu versagen, wenn dem Gebrauch öffentliche Rücksichten, wie Umstände sanitärer oder hygienischer Art, Gründe der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Parkraumbedarf, städtebauliche Interessen, Gesichtspunkte des Stadt- und Grünlandbildes oder Umstände des Natur-, Denkmal- oder Bodenschutzes entgegenstehen; bei Erteilung der Gebrauchserlaubnis sind Bedingungen, Befristungen oder Auflagen vorzuschreiben, soweit dies zur Wahrung dieser Rücksichten erforderlich ist.

Im Zuge des behördlichen Verfahrens nach § 2 Abs. 2 leg. cit. ist festzustellen, ob einer beantragten Gebrauchserlaubnis Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstehen. Diese Feststellung ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es hiebei, auf Grund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Auf Grund des Sachverständigengutachtens hat sodann die Behörde zu entscheiden, ob die beantragte Gebrauchserlaubnis eine diesbezügliche Wirkung entfaltet, oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/05/0210, mit weiteren Nachweisen).

Gegen das den verwaltungsbehördlichen Entscheidungen zugrundegelegte Gutachten des Amtssachverständigen der Magistratsabteilung 19 vom 3. November 1993 wird in der Beschwerde nichts vorgebracht. Der Gutachter weist in seinem Befund darauf, daß sich das hier zu beurteilende "Staubschutznetz" nicht nur in einer Schutzzone und stadträumlich exponierten, sensiblen Lage befindet, sondern innerhalb der hier zu beurteilenden Stadtkante zwischen Rotenturmstraße und Marc-Aurel-Straße gegen den Freiraum Schwedenplatz-Donaukanal die Ruprechtskirche einen städtebaulichen Höhepunkt entwickelt, der weithin sichtbar ist. Diese stadträumliche Situation zeige für den Betrachter eine sehr gut überblickbare Fassadenszene mit einer architektonisch qualitätsvollen gestalterischen Charakteristik; die - sonstigen - vorhandenen Werbeträger setzten keinen besonderen optischen Akzent innerhalb der Fassadenbilder. Ohne die beantragte Gestaltung würde das Staubschutznetz in der geschilderten Umgebung optisch nicht weiter auffallen. Die beantragte, bereits ausgeführte gestalterische Maßnahme auf dem Staubschutznetz mit einem übergroßen Werbebild von ca. 100 m2, welches in erster Linie eine "Werbebotschaft" an den Betrachter vermittle, bewirke in Verbindung mit dem absolut vordergründigen Werbecharakter eine spürbare visuelle Gegensätzlichkeit im Erscheinungsbild bzw. in der gestalterischen Charakteristik der zitierten Stadtkante. Diese Beeinträchtigung werde dann besonders stark, wenn in der perspektivischen Übelagerung der gegenständliche Werbeträger mit der Ruprechtskirche eine "Nahebeziehung" eingehe.

Ausgehend von diesen unbekämpft gebliebenen Sachverständigenausführungen vermag es der Verwaltungsgerichtshof nicht für rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde auf der Grundlage dieses Sachverständigengutachtens davon ausging, daß die beantragte Gebrauchserlaubnis städtebaulichen Interessen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes 1966 entgegensteht.

Gegen das nach Erstellung eines ausreichenden Befundes auf Grund seines Fachwissens abgegebene nachvollziehbare Urteil des Sachverständigen über die von ihm zu beantwortenden Fragen bestehen auch seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 92/05/0132).

Mit den Ausführungen in der Beschwerde, Fassadenaufhänger für bestimmte Boulevardzeitungen seien in "unmittelbarster Nähe" der Umgebung der Ruprechtskirche bewilligt worden und man habe sich auch nicht gescheut, "gegenüber der Stephanskirche einen hypermodernen Glaspalast hinzuplatzieren", entfernt sich der Beschwerdeführer vom Gegenstand des hier zu beurteilenden Verfahrens. Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt ausschließlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, mit welchem die vom Beschwerdeführer beantragte Gebrauchserlaubnis für das gegenständliche Staubschutznetz versagt worden ist. Auch mit dem Hinweis, bisher seien von der Behörde solche Anträge bewilligt worden und die gegenständliche Entscheidung sei auf Grund einer politischen Weisung ergangen, kann eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt werden. Grundlage für die Entscheidung der belangten Behörde war das obzitierte Sachverständigengutachten, welches sich u.a. auch mit den bereits vorhandenen Werbeträgern im Umfeld der hier zu beurteilenden Örtlichkeit in schlüssig begründeter und logisch nachvollziehbarer Weise auseinandergesetzt hat.

Ob die Abbildung auf dem Staubschutznetz künstlerisch wertvolle Werbung ist, kann ebenso dahingestellt bleiben wie der Hinweis, derartige Werbeplakate hätten bereits einen Kulturpreis erhalten, kommt es doch im gegebenen Zusammenhang ausschließlich darauf an, ob Gesichtspunkte des Stadtbildes einer solchen Gebrauchserlaubnis entgegenstehen.

Der Beschwerdeführer vermag somit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Da auf Grund eines (aktenkundig) eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden kann, daß der angefochtene Bescheid trotz bereits erfolgter Demontage des Gerüstes, an welchem das Staubschutznetz mit der Werbebotschaft angebracht war, für den Beschwerdeführer nachteilige Wirkungen entfaltet, erfolgte eine materielle Überprüfung des angefochtenen Bescheides.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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