Normen
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO NÖ 1976 §61 Abs1;
BauO NÖ 1976 §61 Abs2;
BauO NÖ 1976 §61 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO NÖ 1976 §61 Abs1;
BauO NÖ 1976 §61 Abs2;
BauO NÖ 1976 §61 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Stadt Wiener Neustadt Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 29. Dezember 1988 beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Halle auf ihren Grundstücken Nr. n2/43, n/3 und n/4, sämtliche inneliegend der Liegenschaft EZ. n1 des Grundbuches Wiener Neustadt-Vorstadt. Die vorgenannten Grundstücke liegen gemäß dem gültigen Flächenwidmungsplan im Bauland-Betriebsgebiet ebenso wie die an die innere Grundstücksgrenze der Grundstücke Nr. n/43 und n/4 anschließenden Grundstücke Nr. n/2 und n/6 der Firma X-Möbel. Die übrigen, an die vorgenannten Grundstücke grenzenden Liegenschaften liegen im Bauland-Wohngebiet.
Das Grundstück Nr. n/3 grenzt an die öffentliche Verkehrsfläche A-Gasse. Daran schließen an dessen Grundstücksinnenseite Richtung Nordosten die Grundstücke Nr. n/43 und n/4; diese beiden Grundstücke grenzen an keine öffentliche Verkehrsfläche.
Auf Grund des eingereichten Projektes ist beabsichtigt, eine Halle im Ausmaß von ca. 24 m Länge, 12,8 m bis 15,6 m Breite und 6 m (Traufe) bzw. 11 m (First) Höhe zu errichten. Die Ausführung soll mit Einzelfundamenten, Stahlstehern und Stahlbindern erfolgen. Ein Satteldach mit etwa 21 Grad Neigung soll über die Längsseite gespannt werden. Für die Eindeckung ist Welleternit vorgesehen. Die nordöstliche Seitenwand soll bis auf eine Höhe von 4 m mit Trapezblech verkleidet werden. In der Halle soll ein Laufkran eingebaut werden. Laut eingereichtem Lageplan soll die Halle auf den Grundstücken Nr. n/4 und n2/43 errichtet werden, sodaß diese mit der geringsten Entfernung ca. 20 m von der öffentlichen Verkehrsfläche Annagasse entfernt wäre.
Für den Beurteilungsbereich existiert kein Bebauungsplan.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 25. März 1991 wurde den Beschwerdeführern die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 1991 wurde dieser Bescheid vom Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt über Berufung mehrerer Nachbarn gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen. Die Berufungsbehörde erachtete das Verfahren im Hinblick auf einen allfälligen Widerspruch zur bestehenden Verbauung sowie hinsichtlich der Fragen als ergänzungsbedürftig, ob die Anlage eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Anrainer herbeizuführen vermag und in welchem Ausmaß Geruchs- und Lärmbelästigungen auftreten werden.
In der Folge wies der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt mit Bescheid vom 13. September 1993 das Ansuchen der Beschwerdeführer um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung der vorbeschriebenen Halle gemäß § 100 Abs. 2 Nö BO i. V.m. § 16 Abs. 1 Z. 3 Nö ROG mit der Begründung ab, daß sich das gegenständliche Bauvorhaben nicht in das umgebende Ortsbild des Wohngebietes einfüge, weil sowohl Größenverhältnisse als auch Fassadengestaltung und Materialwahl in der geplanten Form in Wohn- bzw. Kerngebieten Wiener Neustadts nicht vorkämen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 16. Juni 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, im Berufungsverfahren sei eine "Ortsbildanalyse", beinhaltend die Aufnahme des Bestandes ortsbildrelevanter Elemente, eine Ortsbildanalyse sowie eine Beurteilung, eingeholt worden. Aus der Bestandaufnahme seien ortsbildrelevante Strukturen, wie geschlossene Straßenfront, Gliederung der Gebäude in Sockel-, Fassaden-, Gesims- und Dachzone, klare Sockelzone etc. abgeleitet worden. Unter anderem sei in diesem Gutachten festgehalten, daß die Fassaden der untersuchten Objekte durchwegs (96 Prozent) aus verputztem Mauerwerk bestünden und bei lediglich drei Objekten Metall, Beton oder Holz als bestimmendes Material nachzuweisen sei. In der Beurteilung werde in diesem Ortsbild-Gutachten ausgeführt, daß als ortsbildbestimmend/ortsbildprägend für den Beurteilungsraum ein- bis zweigeschoßige, an der Straßenfluchtlinie situierte Wohnobjekte mit Trakttiefen bis zu 14 m, erkennbare Sockelzonen, eine gemauerte, verputzte Fassade mit regelmäßiger Abfolge von Fassadenöffnungen und Mauerpfeilern, hochrechteckigen Fensterformen, deutlichen Gesimsausbildungen sowie relativ steilen Satteldächern mit schuppenartigen Deckungsmaterialien anzusehen seien. Das geplante Vorhaben lasse sich - wie aus der vorhandenen Plandarstellung und Baubeschreibung deutlich erkennbar werde - weder in Größe, Proportion, Gestaltungselementen und Materialwahl in das Ortsbild des Beurteilungsraumes einfügen. Das Bauvorhaben stelle deshalb, obwohl von der Straßenfluchtlinie abgerückt, eine erhebliche Störung des Ortsbildes dar. In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde daraus, auf Grund der durchgeführten Bestandaufnahme sei die hier zu beurteilende Halle als nicht den ortsüblichen Gegebenheiten entsprechend anzusehen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Erteilung der Baubewilligung für ihr beantragtes Projekt verletzt. Sie rügen das Ortsbildgutachten wegen der mangelnden Schlüssigkeit insbesondere mit dem Hinweis, daß die geplante Lagerhalle 20 m hinter der Straßenfluchtlinie in einem bestehenden Betriebsgelände errichtet werden soll, welches durch die Nachbarobjekte (insbesondere Betriebsstätte der Firma Elite-Möbel und des dreigeschossigen Wohnhauses an der Ecke Pottendorferstraße, Annagasse) wesentlich überragt werde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus Anlaß der Berufung mehrerer Nachbarn hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 23. Oktober 1991 den Baubewilligungsbescheid der Baubehörde I. Instanz für die Errichtung der gegenständlichen Halle vom 25. März 1991 gemäß § 66 Abs. 2 AVG u.a. mit der Begründung aufgehoben, die Baubehörde sei zur Prüfung der Frage verpflichtet, ob "sich das Projekt in seiner Erscheinungsform in das Ortsbild" einfügt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Gemäß § 61 Abs. 1 der Niederösterreichen Bauordnung 1976 (BO) dürfen Vorhaben, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, das Orts- und Landschaftsbild nicht stören. Die Bautradition des Umlandes ist, soweit dieses eine kulturelle Einheit bildet, zu berücksichtigen.
Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen ist unter Ortsbild die bestehende Eigenart bzw. die im Bebauungsplan vorgesehene Gestaltung der baulichen Ansicht eines Ortes, Ortsteiles oder anderen bebauten Gebietes unter Einschluß der bildhaften Wirkung, die von nicht bebauten Gebieten ausgeht, zu verstehen.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle sind bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben das Ortsbild stört, die charakteristischen Merkmale des vorhandenen Baubestandes, und zwar der unmittelbaren Umgebung, der angrenzenden Straße (Straßenbild), des umliegenden Ortsteiles und des gesamten Ortes oder bebauten Gebietes zu berücksichtigen. Dabei ist zu prüfen, ob das Vorhaben auf Grund seiner Lage, Größe, Proportionen und Bauform, der verwendeten Baustoffe, Bauteile und bauchemischen Mittel bzw. des zu erwartenden Erscheinungsbildes als erhebliche Störung oder Verunstaltung des vorhandenen Baubestandes wirkt.
Wie den erläuternden Bemerkungen zur letztgenannten Gesetzesstelle entnommen werden kann (siehe bei Hauer-Zaussinger, Niederösterreichische Bauordnung, 4. Auflage, Seite 252 f.), soll der Sachverständige bei der Beurteilung der Beziehung des Bauvorhabens zum Ortsbild vom Blick auf die kleinste Einheit, die unmittelbare Umgebung ausgehend bis zum Blick auf den gesamten Ort oder das gesamte bebaute Gebiet vorgehen. Unter den charakteristischen Merkmalen des Bestandes sind die Lage (Baufluchten), Größe (Baumassen), Proportion (Gliederung), Bauform (äußere Gestaltung), Baustoffe, Bauteile (technologische Gestaltung) zu verstehen.
Die Frage, ob ein Vorhaben im Sinne des § 61 Abs. 1 BO geeignet ist, das Orts- oder Landschaftsbild zu stören, ist Gegenstand des Beweises durch den Sachverständigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1985, Zl. 83/06/0084, BauSlg. Nr. 422, uva.). Die Frage der Störung des Orts- und Landschaftsbildes hat die Behörde von Amts wegen zu beantworten und das im Gegenstand erstattete Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1984, Zlen. 84/06/0056, 0057, BauSlg. Nr. 284, uva.).
Die Beschwerdeführer erachten das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Sachverständigengutachten als nicht schlüssig. Sie tragen hiezu vor, der Beurteilungsbereich im Gutachten hätte bis auf die S-Gasse ausgedehnt werden müssen, zumal jenseits der X-Gasse Richtung S-Gasse das gesamte Gebiet als Bauland-Betriebsgebiet gewidmet sei.
Ausgehend von den vorstehenden rechtlichen Erwägungen, wonach der Sachverständige bei der Beurteilung der Beziehung eines Bauvorhabens zum Ortsbild vom Blick auf die kleinste Einheit auszugehen hat und im hier zu beurteilenden Fall der Sachverständige schon bei der Betrachtung der charakteristischen Merkmale der unmittelbaren Umgebung unter Einbeziehung eines Bereiches von rund 250 m im Quadrat (W-Straße, P-Straße, X-Gasse und K-Gasse) den Widerspruch des zu beurteilenden Projektes zum Ortsbild in nicht als unschlüssig zu erkennenden Weise aufgezeigt hat, vermag auch der Verwaltungsgerichtshof das vorliegende Ortsbildgutachten nicht deshalb als unrichtig zu beurteilen, weil der Beurteilungsbereich nicht weiter ausgedehnt worden ist. Auch die Beschwerdeführer vermögen nicht aufzuzeigen, inwiefern der Gutachter bei der Einbeziehung eines größeren Beurteilungsbereiches zu einem für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte kommen sollen.
Worin ein Verfahrensmangel infolge Nichterwähnens des Baubewilligungsbescheides vom 25. März 1991 bestehen soll, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Die unter dem Titel "Chronologie des Verfahrens" enthaltenen Beschwerdeausführungen sind nicht nachvollziehbar.
Im Sachverständigengutachten wurde auch hinreichend berücksichtigt, daß das hier zu beurteilende Objekt 20 m hinter der Straßenfluchtlinie errichtet werden soll. Auch wenn der hier zu beurteilende Bau von den Nachbarobjekten der P-Straße und der A-Gasse überragt wird, darf nicht übersehen werden, wie dies auch der Sachverständige in seinem Gutachten zutreffend ausgeführt hat, daß das geplante Bauvorhaben den ortsbildbestimmenden Merkmalen (erkennbare Sockelzone, gemauerte, verputzte Fassade mit regelmäßiger Abfolge von Fassadenöffnungen und Mauerpfeiler, hochrechteckige Fensterformen, deutliche Gesimsausbildungen sowie relativ steile Satteldächer mit schuppenartigen Deckungsmaterialien) widerspricht. Von der A-Gasse her ist dieser von der Straßenfluchtlinie zurückversetzte Bau ohne Einschränkung gut einsehbar, sodaß es keiner weiteren Feststellungen zur Beurteilung der hier maßgeblichen Rechtsfrage bedurfte.
Die weiteren, allgemein gehaltenen Ausführungen in der Beschwerde vermögen die fachkundigen Ausführungen des Sachverständigen nicht zu widerlegen. Für die Frage der Störung des Ortsbildes ist es unerheblich, ob die Halle - wie die Beschwerdeführer behaupten - für Anrainer lärmdämmend wirkt.
Der Sachverständige hat auf Grund der von ihm erstellten Bestandsaufnahme der ortsbildrelevanten Elemente die ortsbildbestimmenden und -prägenden Merkmale des Beurteilungsraumes in schlüssiger Weise dargestellt, weshalb der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen zu dem Schluß gekommen ist, daß das hier zu beurteilende Bauvorhaben das Ortsbild im Sinne des § 61 Abs. 3 BO stört.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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