VwGH 94/03/0200

VwGH94/03/02008.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Juni 1994, Zl. VI/4-J-161, betreffend Rotwildfütterung, zu Recht erkannt:

Normen

JagdG NÖ 1974 §100 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs2;
JagdRallg;
JagdG NÖ 1974 §100 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §87 Abs2;
JagdRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug die Fütterung von Rotwild in den Revierteilen "H-R", "H-T" sowie "H-W beim alten Bauernhaus" des Eigenjagdgebietes T VII gemäß § 87 Abs. 2 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500 (JG), verboten. Weiters wurde für den Fall der Verwendung der vorhandenen Fütterungen für andere Wildarten vorgeschrieben, diese mit einer rotwildsicheren Umfriedung zu umgeben. Jagdausübungsberechtigter im Eigenjagdgebiet T VII und im angrenzenden Eigenjagdgebiet T XXI ist der Beschwerdeführer. Aus der Befundaufnahme im Gutachten des Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Juni 1993 ergibt sich, daß im Eigenjagdgebiet T XXI keine Fütterung existiere; zu den Fütterungen im Eigenjagdgebiet T VII wird in diesem Gutachten ausgeführt, daß die Fütterungen "H-H" und "H-R" relativ nahe beisammen lägen und die Fütterungen "H-T" und "H-W" nur 250 Meter voneinander entfernt seien.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird im wesentlichen ausgeführt, am 22. März 1993 seien im Eigenjagdrevier T VII vier Rotwildfütterungen von der Bezirksforstinspektion Lilienfeld überprüft worden; diese sei zu dem Schluß gekommen, daß die Anzahl der Fütterungsstandorte zu hoch sei. Am 24. Juni 1993 habe der Amtssachverständige der Bezirkshauptmannschaft ein Gutachten erstattet. Er sei davon ausgegangen, daß bei einer Gesamtfläche von 5.561 ha (alle Jagdgebiete rund um das Eigenjagdgebiet T VII) zehn Fütterungen bestünden. Nach den wissenschaftlichen Ergebnissen des "Forschungsinstitutes für Wildtierkunde und Ökologie" sei eine Stückzahl von 30 Tieren für einen Fütterungsstandort ideal. Für das Jagdgebiet T VII sei unter Berücksichtigung der angrenzenden Jagdgebiete ein Einzugsbereich von 260 ha anzunehmen. Selbst bei Annahme der weit überhöhten Anzahl von 7 Stück Rotwild pro 100 ha wäre gerade der Betrieb einer einzigen Fütterung gerechtfertigt. Da der Standort "H-H-Fütterung" die besten Voraussetzungen aufweise, solle nur dieser aufrecht erhalten werden. Am 26. September 1993 habe der Beschwerdeführer sodann ein jagd- und forstfachliches Privatgutachten vorgelegt; aus diesem gehe hervor, bei Belassung von nur einer Fütterung sei das Abwandern von bodenständigem Hochwild zu befürchten. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer das Revier T XXI zugepachtet habe; es sei daher insgesamt eine Fläche von 275 ha zu versorgen, was zwei Fütterungsstandorte rechtfertige. Nachdem der Beschwerdeführer gegen den Bescheid, mit welchem die Bezirkshauptmannschaft die Schließung von drei der vier vorhandenen Fütterungen verfügt und für den Fall ihrer Aufrechterhaltung die Anbringung einer rotwildsicheren Umfriedung vorgeschrieben habe, Berufung erhoben habe, habe die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt. Aus diesem - mit 4. März 1994 datierten - Gutachten ergebe sich, daß die Fütterungen "H-T" und "H-H" mit Heu und Rüben beschickt und sehr gut angenommen seien; die beiden anderen Fütterungsstandorte seien bereits aufgelassen. Der übliche Aktionsradius des Rotwildes betrage etwa 4 km. In diesem Umkreis um das Eigenjagdgebiet T VII bestünden außer den Fütterungen des Beschwerdeführers weitere

16 Fütterungskataster. Ungünstig für einen Rotwildfütterungsstandort seien nach dem Stand der Wissenschaft die Nähe zu schadenskritischen Revierteilen (schäl- bzw. verbißgefährdete Bestände) und die Nähe zu anderen Fütterungen, die ein Wechseln des Wildes bewirke. Die Fütterungsstandorte "H-H-Fütterung" und "H-T" seien für sich aus wildbiologischer und jagdlicher Sicht gut geeignet. Ein Fütterungsstandort sei aber niemals für sich allein zu beurteilen. Die Fütterung "H-T" befinde sich in einem Bereich äsungsarmer Biotope, die dort vorhandenen engen Fichtenaufforstungen würden allerdings "gemütlichen Einstand" bieten, der, was ua an der lebhaften Schältätigkeit ersichtlich sei, auch gerne benutzt werde. Die attraktive Fütterung halte einen über der ökologischen Tragfähigkeit liegenden Wildstand in diesem Gebiet. Dazu komme, daß die "H-H-Fütterung" lediglich 1,4 km von der "H-T-Fütterung" entfernt liege und sohin beide Standorte von den gleichen Individuen frequentiert würden. Das sollte durch räumliche Trennung der Rotwildfütterungen vermieden werden, weil es Unruhen und Unsicherheiten in der Sozialstruktur (Rangordnung der Rudel) bewirke. Aus forstlicher Sicht solle das Anheben des Wildstandes über ökologisch tragbare Zahlen unterbleiben. Die belangte Behörde gehe in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, daß die "H-T-Fütterung" von Flächen umgeben sei, auf denen noch für längere Zeit Bestände in schälfähigem Alter stockten. Die Nähe zu schadenskritischen Revierteilen bewirke eine Gefährdung der Interessen der Land- und Forstwirtschaft; Schädigungen seien bereits eingetreten. Die Nähe zu anderen Fütterungen, nämlich zur "H-H-Fütterung" wirke sich wildbiologisch ungünstig aus, da hieraus Unruhen und Unsicherheiten in der Sozialstruktur entstünden. Bei der "H-H-Fütterung" seien aufgrund der umgebenden Altholzbestände Schälschäden nicht zu erwarten. Aufgrund des festgestellten Wildschadens, der Schälgefährdung und der aufgezeigten wildbiologischen Problematik sei die Berufung abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 87 Abs. 1 JG ist Schalenwild, soweit dies zur Vermeidung von Wildschäden oder zur Ergänzung der natürlichen Äsung erforderlich erscheint, während einer Notzeit und des Vegetationsbeginnes in artgerechter Weise zu füttern. Gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. hat die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn dies im Interesse der durch eine Wildart geschädigten oder gefährdeten Land- und Forstwirtschaft oder aus wildbiologischen Gründen notwendig ist, für alle oder bestimmte Jagdgebiete

1. bestimmte Futterarten zu verbieten, 2. die Wildfütterung während bestimmter Zeiten zu verbieten, 3. die Wildfütterung für bestimmte Gebiete zu verbieten, 4. eine rotwildsichere Umfriedung der Futterstellen vorzuschreiben.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die Behörde dürfe die Wildfütterung nur verbieten, wenn dies im Interesse der (durch eine Wildart geschädigten oder gefährdeten) Land- und Forstwirtschaft oder aus wildbiologischen Gründen notwendig ist, so ist er damit im Recht. Es trifft aber nicht zu, daß die belangte Behörde eine derartige Notwendigkeit nicht festgestellt habe:

Der angefochtene Bescheid stützt sich zunächst auf die aus wildbiologischen Gründen gegebene Notwendigkeit. Die belangte Behörde traf aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen vom 4. März 1994 die Feststellung, die räumliche Nähe der Fütterungen - die Entfernung von der "H-H-Fütterung" zu der "H-T-Fütterung" betrage 1,4 km - bewirke Unruhe und Unsicherheit in der Sozialstruktur des Wildes, sodaß aus wildbiologischer Sicht die Untersagung von mehr als einer Fütterung notwendig sei. In der Beschwerde tritt der Beschwerdeführer diesen Ausführungen im angefochtenen Bescheid in keiner Weise entgegen. Als weitere Überlegung in diesem Bereich konnte die belangte Behörde anführen, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung selbst vorgebracht hat, bei extremen Witterungsverhältnissen sei die vollständige Beschickung nur hinsichtlich der "H-H-Fütterung" gewährleistet, aus wildbiologischer Sicht müsse die Fütterung aber gerade bei extremen Witterungsverhältnissen sichergestellt sein. Gemäß § 87 Abs. 2 JG können wildbiologische Gründe für sich allein bereits die Untersagung der Fütterung rechtfertigen.

Der angefochtene Bescheid stützt sich zusätzlich auch auf die sich aus den Interessen der Land- und Forstwirtschaft ergebende Notwendigkeit. Im Bereich der "H-T-Fütterung" seien Schälschäden an Fichtenaufforstungen und Eschen festgestellt worden; es seien in diesem Gebiet enge Fichtenaufforstungen vorzufinden, für die aufgrund der lebhaften Schältätigkeit eine konkrete Gefährdung bestehe. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, welche Schäden durch das Rotwild verursacht worden seien, so ist darauf zu verweisen, daß das Vorliegen eines bereits eingetretenen Schadens keine Voraussetzung für eine Maßnahme nach § 87 Abs. 2 JG ist, sondern es vielmehr genügt, daß die Gefahr des Eintrittes eines Schadens an der Land- und Forstwirtschaft besteht (vgl. hg. Erkenntnis vom vom 20. Mai 1992, Zl. 92/03/0020). "Interessen der gefährdeten Land- und Forstwirtschaft" setzen im übrigen nicht voraus, daß eine Gefährdung von Wald iSd § 100 Abs. 2 JG zu besorgen ist, sondern können auch andere Beeinträchtigungen des Waldes betreffen. Den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, aufgrund von Unterschieden in den Baumbeständen seien im Bereich der "H-H-Fütterung" - im Gegensatz zur "H-T-Fütterung" - Schälschäden nicht zu erwarten, tritt die Beschwerde nicht entgegen. Solcherart kann es aber nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Notwendigkeit der Einschränkung der Fütterungsmaßnahmen auf die "H-H-Fütterung" annahm, zumal auch der Beschwerdeführer nicht darzutun vermag, daß eine Erforderlichkeit für eine größere Anzahl von Fütterungen bestehe. Nicht gegen, sondern für den Standpunkt der belangten Behörde spricht das vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren beigebrachte Gutachten, nach welchem ein Verbot von Fütterungsstellen Wildschäden nur vermindern, nicht aber verhindern könne, liegt doch auch eine Verminderung unzweifelhaft im Interesse der Land- und Forstwirtschaft. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer Eigentümer der Waldes ist, kommt in diesem Zusammenhang im Anbetracht des öffentlichen Interesses an einem gesunden Waldbestand keine entscheidende Bedeutung zu.

Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, das Sachverständigengutachten vom 4. März 1994 stütze sich auch auf solche Literatur, die dem Beschwerdeführer nicht zugänglich sei, so ist dieses Vorbringen dahingehend zu verstehen, daß das Gutachten nicht ausreichend begründet sei. Ein derartiger Mangel liegt jedoch nicht vor, weil die Ausführungen im Gutachten auch ohne Literaturzitate schlüssig sind.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 24. Juni 1994, V 71/92, eine Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld, mit welcher die Rotwildfütterung während bestimmter Zeiten und die Vorlage bestimmter Futterarten verboten wurde, wegen Gesetzwidrigkeit "mit sofortiger Wirkung" aufgehoben, so ist darauf zu verweisen, daß sich der angefochtene Bescheid auf diese Verordnung nicht stützt.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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