VwGH 94/01/0730

VwGH94/01/073020.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der B in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 1994, Zl. 4.332.985/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §5 Abs3;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
VwRallg;
AsylG 1968 §5 Abs3;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 1994 wurde in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin - einer Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", die am 16. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 17. Jänner 1992 den Asylantrag gestellt hat - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. März 1992 ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin, ohne sich mit deren Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihr der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der Beschwerdeführerin bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 21. Jänner 1992 aus, daß sie sich vor ihrer Einreise nach Österreich in Rumänien und Ungarn aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 6. September 1995, Zl. 95/01/0030, in dem eingehend auf die bisherige Judikatur Bezug genommen und diese mit weiteren Ausführungen aufrecht erhalten wurde), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Sämtliche Argumente der Beschwerdeführerin gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde widersprechen dieser Judikatur. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, dargetan, daß es für die Annahme der Verfolgungssicherheit genügt, daß der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte, dies unter Bezugnahme auf die entsprechenden Gesetzesmaterialien (RV 270 BlgNR 18. GP), und von einer Verfolgungssicherheit nicht erst dann gesprochen werden kann, wenn der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von ihnen geduldet oder gebilligt wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch ausgeführt, daß die Judikatur zur vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bzw. Aufenthaltsberechtigung nach den §§ 5 Abs. 3 und 7 Abs. 2 AsylG (1968) auf die Frage, ob der Ausschließungsgrund nach § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 vorliegt, nicht übertragbar ist. Eine einschränkende Absicht des Gesetzgebers, welche sich aus dem Passus in den Gesetzesmaterialien, wonach Zweck des Ausschließungsgrundes die Verhinderung von unerwünschtem Zweitasyl sei und keine nomadisierenden Flüchtlingsströme geschaffen werden sollten, ableiten läßt, hat im Asylgesetz 1991 keinen Niederschlag gefunden (vgl. aus der erwähnten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357). Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Flüchtende im Drittstaat nur auf der "Durchreise" befunden hat, sondern darauf, daß er unter Bedachtnahme auf das (auf die Vermeidung weiterer Verfolgung ausgerichtete) Sicherheitsbedürfnis seinen "Fluchtweg" vor der Einreise nach Österreich hätte abbrechen können, was auch dann der Fall ist, wenn die "Verweildauer" im Drittstaat nur kurz bemessen war und dort kein "stationärer Aufenthalt" genommen wurde. Diese Auslegung steht mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ("vor Verfolgung sicher war"), auf den sich die Beschwerdeführerin beruft, nicht im Widerspruch, wurde doch hiebei nicht von einer bloßen "Schutzmöglichkeit" des Asylwerbers, sondern davon ausgegangen, daß eine seinem (allfälligen) Schutzbedürfnis (sollte er tatsächlich Flüchtling sein) entsprechende Sicherheit unabhängig davon, ob er diese tatsächlich in Anspruch genommen hat, dort bereits bestanden hat (vgl. dazu das bereits zitierte Erkenntnis zur Zl. 95/01/0030).

Umstände, die darauf schließen ließen, daß die Beschwerdeführerin auf dem Boden der bestehenden Rechtslage in Ungarn nicht vor Verfolgung sicher gewesen sei, hat sie konkret nicht geltend gemacht. Sie ist der Annahme der belangten Behörde nicht entgegengetreten, es wäre ihr möglich gewesen, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen, sie wäre dort keiner "asylrechtlich relevanten Verfolgung" ausgesetzt gewesen und hätte auch nicht befürchten müssen, in einen anderen Staat abgeschoben zu werden, wo sie eine solche Verfolgung zu erwarten hätte, denn die ungarische Rechts- und Verfassungsordnung sei im großen und ganzen effektiv und es könne davon ausgangen werden, daß auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das "Nonrefoulementrecht", ebenfalls effektiv in Geltung stünden.

Da die belangte Behörde somit den Ausschließungsgrund nach § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 hinsichtlich des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Ungarn jedenfalls zu Recht herangezogen hat, braucht auf die Frage, ob die "Verfolgungssicherheit" auch während des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Rumänien bestanden hat, nicht weiter eingegangen zu werden.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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