VwGH 93/18/0514

VwGH93/18/05141.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in E, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 1. September 1993, Zl. Fr 1623/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 1. September 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 7 in Verbindung mit § 21 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß sich der Beschwerdeführer seit Dezember 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Er habe sich erst am 9. Jänner 1992 polizeilich gemeldet. Am 29. September 1992 habe er sich nach Jugoslawien abgemeldet und am 2. Oktober 1992 an der gleichen Adresse wieder angemeldet. Der Beschwerdeführer habe noch nie einen Sichtvermerk für den Aufenthalt in Österreich besessen. Im November 1992 gepflogene Erhebungen über den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer und seine Gattin Gelegenheitsarbeiten verrichteten; im April 1992 habe er von seiner in Deutschland lebenden Schwester DM 2.000,-- erhalten und verfüge er über ein Barvermögen von S 10.000,--. Anläßlich der am 3. Februar 1993 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme habe er dazu angegeben, den Betrag von S 10.000,-- von seinem in Deutschland lebenden Bruder erhalten zu haben, ohne einen Nachweis der Überweisung beibringen zu können. Weiters habe er angegeben, seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten zu verdienen. Der von einer Firma gestellte Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei (in allen Instanzen) abgewiesen worden.

Die Zuwendungen von Familienangehörigen im Ausland könnten nicht als gesicherter Unterhalt angesehen werden; es bestehe auch keine alle Risken abdeckende Krankenversicherung.

Im Bundesgebiet hielten sich die Gattin und zwei minderjährige Kinder des Beschwerdeführers auf. Er besuche nach seinen Ausführungen alle zwei Monate seine Heimatstadt in Kroatien. Da der Beschwerdeführer in Österreich keine Möglichkeit habe, einer legalen Beschäftigung nachzugehen, und die Unterstützungen seines Bruders auch in seinem Heimatland gewährt werden könnten, stelle die Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine erhebliche Beeinträchtigung seines Privat- und Familienlebens dar. Aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer sei noch keine erhebliche Integration anzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegen die Annahme der belangten Behörde, es sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt, führt der Beschwerdeführer ins Treffen, daß sein Lebensunterhalt und der seiner Familie vorerst durch die Caritas St. Pölten gewährleistet worden sei, er auch erspartes Geld habe und sein Bruder, der in Deutschland einen Betrieb habe, ihm regelmäßig Zuwendungen überweise. Mit diesem Vorbringen vermag er nicht aufzuzeigen, daß er seiner Verpflichtung, den Nachweis des Besitzes der Mittel zu seinem Unterhalt initiativ zu erbringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1994, Zl. 94/18/0163), nachgekommen wäre. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er erhalte zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes regelmäßig Zuwendungen von seinem in Deutschland lebenden Bruder, ist nicht geeignet, diesen Beweis zu erbringen, fehlt es doch nicht nur an der Konkretisierung von Art, Höhe und Zeitraum der Zuwendungen, der Angabe der ihnen zugrunde liegenden Rechtstitel und der Dartuung der finanziellen Verhältnisse der sie leistenden Person, sondern auch an jeglicher Untermauerung dieser Umstände durch nachprüfbare Unterlagen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0344). Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Gewährung des Lebensunterhaltes durch die Caritas steht der Annahme der Mittellosigkeit nicht entgegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0343). Der Nachweis, daß der Beschwerdeführer auch über erspartes Geld verfüge, ist ebenfalls nicht erbracht worden. Sollte der Beschwerdeführer das anläßlich der Erhebung im November 1992 angegebene Barvermögen von S 10.000,-- als "erspartes Geld" ins Treffen führen, wäre damit nichts gewonnen, weil mit einem Betrag von S 10.000,-- nur die Unterhaltskosten für einen bloß kurzfristigen Aufenthalt bestritten werden könnten. Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte, und von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG ausging. Aufgrund dessen ist auch die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer behauptet, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine erhebliche Beeinträchtigung seines Familienlebens darstelle. Er lebe mit seiner Gattin und seinem Kind (laut Verwaltungsakt zwei Kinder) seit Dezember 1991 in Österreich. Er und seine Gattin besuchten abwechselnd den schwererkrankten alleinstehenden Vater in Kroatien. Die Tochter besuche die erste Klasse Volksschule in Österreich. Die Gattin sei Vormund ihres minderjährigen Bruders, welcher im Familienverband des Beschwerdeführers wohne und verpflegt werde. Der Schwager habe eine Arbeitserlaubnis erhalten und sei als Lehrling beschäftigt. Aufgrund dieser Umstände sei eine erhebliche Integration der Familie in Österreich erfolgt. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbots für die Dauer von zehn Jahren sei nicht gerechtfertigt.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine "erhebliche Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens" des Beschwerdeführers darstelle, weil er in Österreich keine Möglichkeit habe, einer legalen Beschäftigung nachzugehen und die Unterstützungen seines Bruders in seinem Heimatland auch gewährt werden könnten. Aufgrund der relativ kurzen Aufenthaltsdauer sei noch keine erhebliche Integration anzunehmen.

Damit verkennt die belangte Behörde die Rechtslage:

§ 19 FrG stellt auf den Schutz des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden ab. Ausgehend von einem Aufenthalt der Ehegattin und der minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers und seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Schwagers ist von einem im Sinne des § 19 FrG relevanten Eingriff jedenfalls in sein Familienleben auszugehen.

Bei Vorliegen eines im Sinne des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Familienleben des Beschwerdeführers ist zu prüfen, ob die Erlassung (u.a.) eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und eine Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen. Hiebei ist zu beurteilen, welches Gewicht den für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sprechenden öffentlichen Interessen einerseits und den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers andererseits zukommt und je nach dem Ergebnis der daran anschließend durchzuführenden Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen die Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu bejahen oder zu verneinen.

Da es die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage unterlassen hat, die nach § 19 FrG gebotene Prüfung und die in § 20 Abs. 1 leg. cit. vorgeschriebene Interessenabwägung vorzunehmen, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Dazu kommt, daß der angefochtene Bescheid keine Begründung dafür enthält, warum unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände (§ 21 Abs. 2 FrG) der Wegfall des Grundes für diese Maßnahme erst nach Ablauf von zehn Jahren angenommen werden könne.

Die darin gelegene Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften tritt jedoch gegenüber der inhaltlichen Rechtswidrigkeit zurück; der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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