VwGH 93/12/0292

VwGH93/12/029228.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 12. August 1993, Zl. 404.030/1-2.3/93, betreffend Gewährung eines Gehaltsvorschusses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
BHG 1986;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art51;
GehG 1956 §19;
GehG 1956 §23 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
BHG 1986;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art51;
GehG 1956 §19;
GehG 1956 §23 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Landwehrstammregiment nn in X.

Mit Schreiben vom 9. November 1992 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung eines Gehaltsvorschusses in der Höhe von S 100.000,-- und gab als Verwendungszweck "Umbau der Eigentumswohnung (Wärmedämmung und Sanierung)" an. Er begründete sein Ansuchen damit, daß der Aus- und Umbau seiner Wohnung wegen seiner Kinder (unterschiedliche Schultypen Handelsakademie, Studium, BORG) und dem erhöhten Hygieneanspruch (Umbau Bad) sowie Erneuerung und Lärmdämmung erforderlich geworden sei, und er durch den längeren Schulbesuch der Kinder und den notwendig gewordenen Umbau unverschuldet in eine finanzielle Notlage geraten würde. Diesem Ansuchen auf Gewährung eines Gehaltsvorschusses legte der Beschwerdeführer Kostenvoranschläge über den Einbau einer Kassettendecke für zwei Räume und den Umbau des Badezimmers bei.

Mit Schreiben vom 11. Februar 1993 teilte das Korpskommando I dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs mit, daß das Ermittlungsverfahren das Ergebnis gebracht habe, daß für die Gewährung des beantragten Vorschusses das Vorliegen einer unverschuldeten Notlage bzw. sonst berücksichtigungswürdiger Gründe maßgeblich sei. Eine unverschuldete Notlage sei dann gegeben, wenn der Betroffene "ohne sein Zutun" in diese Notlage gerate. Von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen könne nur dann gesprochen werden, wenn Umstände vorlägen, die den Fall zu einem Ausnahmefall werden ließen. Beide Kriterien träfen beim Beschwerdeführer nicht zu, zumal er Zeit und Ausmaß der Investitionen nach eigenem Gutdünken festgelegt habe. Sein Monatsbezug weise einen pfändbaren Teil von S 2.746,20 auf. Allerdings sei der Monatsbezug durch die Aufnahme eines Kredites in der Höhe von S 275.600,-- mit der Vereinbarung "Abzug auf besonderes Verlangen" belastet. Vorschußansuchen seien insbesondere abzuweisen, wenn der erforderliche pfändbare Teil - in dem die Rückzahlungsrate ihre Deckung finden müsse - nicht mehr gegeben sei. Durch die oa. Vereinbarung sei die geforderte Sicherstellung des pfändbaren Betrages beim Beschwerdeführer nicht mehr gegeben. Weiters werde festgestellt, daß er bereits sieben Vorschüsse erhalten habe und neben seinem monatlichen Einkommen noch Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung habe.

In seinem Schreiben vom 15. März 1993 führte der Beschwerdeführer hiezu aus, es sei ein Unterschied, welche Bedürfnisse beim Beziehen der Wohnung im Jahre 1978 erforderlich gewesen seien. Die Ausstattung des Bades und der Wohnung sei den damaligen Verhältnissen anzupassen gewesen, z. B. sei ein Kinderzimmer ausreichend gewesen, während 1992 die Bedürfnisse von vier Erwachsenen zu berücksichtigen seien. Die angeführten sechs Vorschüsse seien wegen eines dreimaligen Wohnungswechsels notwendig gewesen und bereits ordnungsgemäß zurückgezahlt. Der Umbau seiner Wohnung (Trennung der beiden Kinder, Neugestaltung des Bades samt Inventar, sowie Sanierung und Isolierung der Decken in den Kinderzimmern) habe 2/3 mehr als der beantragte Vorschuß gekostet. Es sei unrichtig, daß sein Monatsbezug verpfändet sei, die Rückzahlung des noch aushaftenden Kredites werde zur Gänze aus seiner Nebenbeschäftigung bezahlt. Weiters legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der H-Bank Steiermark vom 10. März 1993 vor, in dem das Bankinstitut den Dienstgeber ersuchte, die mit der Drittschuldnerverständigung vom 20. Feber 1990 erbetene Vormerkung der Bezugspfändung aufzuheben.

Mit Bescheid des Korpskommandos I vom 14. April 1993 wurde dem Beschwerdeführer ein Gehaltsvorschuß in der Höhe von S 25.000,-- gewährt und in der Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe durch die Drittschuldnerverständigung/Gehaltsverpfändung vom 20. Februar 1990 der H-Bank Steiermark seine Bezüge im gesamten jeweils pfändbaren Ausmaß verpfändet. Diese Erklärung sei bei der Buchhaltung/KpsKdo I am 5. März 1990 eingelangt, mit dem Ersuchen, die Verpfändung vorzumerken. Das Kreditunternehmen habe dem Beschwerdeführer aber bis auf weiteres die Auszahlung der Monatsbezüge ohne Abzüge zugesichert und nur eingeschränkt, daß bei Nichteinhaltung der monatlichen Darlehensrate "Abzug auf besonderes Verlangen" wirksam werde. Erst durch das Schreiben der H-Bank vom 10. März 1993, mit dem die Gehaltsverpfändung aufgehoben worden sei, sei der Abweisungsgrund weggefallen. In Anbetracht dieses Umstandes und im Hinblick auf seine im Parteiengehör präzisierte finanzielle Notlage werde ein Vorschuß von S 25.000,-- gewährt. Zusätzlich sei berücksichtigt worden, daß der Beschwerdeführer Alleinverdiener und für zwei Kinder sorgepflichtig sei. BESONDERS berücksichtigungswürdige Gründe für die beantragte Vorschußhöhe von S 100.000,-- seien seinen Ausführungen nicht zu entnehmen. Gleichzeitig werde ihm zur Kenntnis gebracht, daß es aufgrund der zur Verfügung stehenden geringen Kreditmittel und der zahlreichen Ansuchen, nicht möglich sei, allen Anträgen in voller Höhe zu entsprechen.

In seiner am 30. April 1993 eingelangten Berufung führte der Beschwerdeführer hiezu aus, der komplette Umbau des Badezimmers sei sehr wohl eine wesentliche Kostenfrage und stelle einen "berücksichtigungswürdigen Grund" dar. Er habe Zeit und Ausmaß für die Umbauarbeiten nicht nach eigenem Gutdünken bestimmt, sondern diese Arbeiten nach erforderlicher Notwendigkeit durchzuführen gehabt. Die Kredithöhe bei der H-Bank sei unrichtig angegeben und habe sich bei Umschuldung im Jahre 1990 auf S 150.000,-- belaufen, seither sei drei Jahre zurückgezahlt worden. Zusatzeinkünfte aus der Nebenbeschäftigung, die zur Gänze als Rückzahlung dienten, seien negativ bewertet worden. Er verweise noch darauf, daß die Einschränkung der Auszahlung seiner Bezüge durch die H-Bank aufgehoben worden. Da seinem Ansuchen eine "finanzielle Notlage" zugrundeliege, ersuche er um Bewilligung des Bezugsvorschusses in der Höhe von drei Monatsbezügen. Er nehme natürlich zur Kenntnis, daß geringe Kreditmittel und zahlreiche Ansuchen vorliegen, die derzeitige Höhe könne aber keine massive Unterstützung in EINER FINANZIELLEN NOTLAGE darstellen. Zur Besicherung sei die Vinkulierung einer Lebensversicherung möglich.

Die belangte Behörde hat die Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen und in Billigung der Rechtsansicht der Dienstbehörde erster Instanz lediglich ausgeführt, daß bei der "Entscheidung das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Gründen" zugebilligt worden sei, die Dienstbehörde aber die vorhandenen Kreditmittel zu gerechten Teilen allen Antragstellern zugute kommen lassen müsse, sodaß nicht die volle Höhe des beantragten Vorschusses habe gewährt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Gewährung eines Gehaltsvorschusses nach der Bestimmung des § 23 des Gehaltsgesetzes 1956 verletzt.

Nach § 23 Abs. 1 GG 1956, BGBl. Nr. 54 in der Fassung BGBl. Nr. 245/1970, kann dem Beamten auf Antrag ein Vorschuß bis zur Höhe des dreifachen Monatsbezuges gewährt werden, wenn er unverschuldet in Not geraten ist oder wenn sonst berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen. Die Gewährung des Vorschusses kann von Sicherstellungen abhängig gemacht werden.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist der Vorschuß durch Abzug von den gebührenden Bezügen längstens binnen vier Jahren hereinzubringen; bei der Festsetzung von Abzugsraten ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten billig Rücksicht zu nehmen. Der Beamte kann den Vorschuß auch vorzeitig zurückzahlen. Scheidet der Beamte aus dem Dienststand aus, so können zur Deckung eines noch nicht zur Gänze zurückgezahlten Vorschusses die dem ausscheidenden Beamten zustehenden Geldleistungen sowie die den Angehörigen und Hinterbliebenen zustehenden Geldleistungen - ausgenommen der Todesfallbeitrag, der Bestattungskostenbeitrag und der Pflegekostenbeitrag - herangezogen werden.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Gewährung eines Gehaltsvorschusses im Verwaltungsverfahren dahin geändert hat, daß ihm ein solcher im Höchstausmaß von drei Monatsbezügen gewährt werde. Im Beschwerdefall ist daher ausschließlich § 23 Abs. 1 GG anzuwenden.

Die belangte Behörde hat auch bejaht, daß die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gehaltsvorschusses dem Grunde nach gegeben sind. Strittig ist daher im Beschwerdefall ausschließlich die Höhe des Gehaltsvorschusses.

Dabei handelt es sich jedenfalls um eine Ermessensentscheidung im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG.

Gemäß Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Ist dies der Fall, und liegt demnach kein Ermesssensfehler vor, so ist die behördliche Entscheidung rechtmäßig, auch wenn andere Entscheidungen gleichermaßen dem Sinn des Gesetzes entsprächen, und kann daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben werden. Den Parteien des Verwaltungsverfahrens steht aber ein subjektiv-öffentliches Recht auf rechtliche Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof dahin, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, zu. Demgemäß hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist. Dazu bedarf es, jedenfalls bei Vorliegen widerstreitender Standpunkte, Ausführungen dazu, von welchem Sachverhalt die Behörde bei der Handhabung des Ermessens ausgegangen ist, in welcher Weise sie die Beweiswürdigung vorgenommen hat, welchen Sinn des Gesetzes sie bei der Handhabung des Ermessens angenommen hat, und warum sie bei dem angenommenen Sachverhalt vom Ermessen in seiner bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1988, Zl. 88/12/0023, mit weiteren Judikaturhinweisen und vom 23. September 1991, Zl. 90/12/0234, sowie Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts6, Rdz 577).

Gemessen an diesen Voraussetzungen hat die belangte Behörde (auch in Verbindung mit dem erstinstanzlichen Bescheid) den angefochtenen Bescheid in einer Weise begründet, die keine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglicht. Der Verwaltungsgerichtshof geht dabei davon aus, daß im hier in Betracht kommenden Ermessensbereich (Festlegung der Höhe des Gehaltsvorschusses) den alternativen "Eingangsvoraussetzungen" des § 23 Abs. 1 GG (unverschuldete Notlage des Beamten oder sonstige berücksichtigungswürdige Gründe) sowie der Sicherstellung der Deckung des zu gewährenden Vorschusses (vgl. dazu § 23 Abs. 1 letzter Satz GG sowie die in Abs. 2 getroffenen diesem Zweck dienenden Vorkehrungen) entscheidende Bedeutung zukommt. Im Beschwerdefall ist schon ungeklärt geblieben, welche der beiden Eingangsvoraussetzungen gegeben ist (die Behörde erster Instanz spricht von einer "finanziellen Notlage" ohne darzulegen, ob der Beschwerdeführer unverschuldet in diese Notlage geraten ist; die belangte Behörde geht vom Vorliegen "berücksichtigungswürdiger Gründe" aus). Völlig offen ist aber die Klärung aller jener Umstände geblieben, die eine Beurteilung des Ausmaßes der "schlechten Lage" des Beschwerdeführers ermöglichen würde, der abzuhelfen der Gehaltsvorschuß letztlich dienen sollte. Darauf hat der Beschwerdeführer auch in seiner Berufung hingewiesen, in der er vorgebracht hat, der ihm gewährte Gehaltsvorschuß (in der Höhe von ca. einem Monatsgehalt) stelle keine massive Unterstützung in seiner finanziellen Notlage dar. So ist insbesondere die gesamthaft zu betrachtende finanzielle Situation des Beschwerdeführers nicht erörtert worden. Hiebei hat eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Platz zu greifen, die alle Verpflichtungen, aber auch alle Einkünfte des Beschwerdeführers berücksichtigt und in einer nachvollziehbaren Weise darstellt. Auch die Art des Vorhabens, dessen Dringlichkeit und Notwendigkeit sowie die (pauschale) Beurteilung der Angemessenheit der hiefür erforderlichen Mittel wurde nicht näher geprüft. Offen ist auch geblieben, ob sich die belangte Behörde nicht auch auf das Ausmaß der vorhandenen Mittel laut finanzgesetzlichem Ansatz berufen hat, das aber mangels einer ausdrücklichen Verankerung in § 23 Abs. 1 GG (vgl. demgegenüber die Textierung in § 19 GG) als ausschlaggebendes Kriterium nicht in Betracht kommt.

Damit kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend beurteilt werden, ob das Ermessen im Sinne der dargestellten Grundsätze geübt wurde. Da diese Begründungslücken die Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindern, ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weshalb er unter Abstandnahme von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war (siehe dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 600 ff wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Kostenzuspruch gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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