VwGH 93/08/0224

VwGH93/08/022421.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes für Steiermark vom 24. August 1993, Zl. 5-226 Le 170/2-93, betreffend Beitragsgrundlage in der Selbstversicherung in der Krankenversicherung (mitbeteiligte Partei: M in L, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §76 Abs2;
ASVG §76 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
ASVG §76 Abs2;
ASVG §76 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 4. August 1991 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse die Herabsetzung der Beitragsgrundlage in der Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 Abs. 1 ASVG im Sinne des § 76 Abs. 2 ASVG und brachte dazu vor, daß sie einen monatlichen Unterhalt von ihrem (geschiedenen) Ehegatten von S 11.000,-- netto beziehe, davon insgesamt S 3.808,-- an näher bezeichneten Fixausgaben zu entrichten habe, sodaß ihr S 7.192,-- verblieben. Nach den übereinstimmenden Behauptungen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde diesem Antrag der mitbeteiligten Partei dahin stattgegeben, daß ihr für das Jahr 1992 monatliche Beiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung im Ausmaß von S 648,-- vorgeschrieben wurden. Eine bescheidmäßige Erledigung des Herabsetzungsantrages ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 4. März 1993 hat die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse gegenüber der mitbeteiligten Partei ausgesprochen, daß sie verpflichet sei, im Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1992 einen Beitrag zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung im Ausmaß von S 1.440,-- monatlich zu entrichten und den Differenzbetrag für diesen Zeitraum von S 9.504,-- an die Kasse nachzuentrichten. Nach der Begründung dieses Bescheides gehe aus einem Schreiben der Rechtsanwältin des geschiedenen Ehegatten der mitbeteiligten Partei vom 30. November 1992 hervor, daß diese für das Jahr 1992 einen Unterhaltsbeitrag von S 24.200,-- monatlich von ihrem geschiedenen Gatten erhalten habe. Diesen monatlichem Unterhaltsbeitrag, der nach Auffassung der Kasse keine Herabsetzung des monatlichen Beitrages zur Selbstversicherung von S 2.232,-- auf S 648,-- rechtfertige, habe die mitbeteiligte Partei der Kasse nicht gemeldet. Dies, obwohl die Selbstversicherten in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG alle für die Versicherung bedeutsamen Änderungen aufgrund der Bestimmung des § 39 ASVG dem zuständigen Versicherungsträger binnen einer Woche zu melden hätten. Daß die mitbeteiligte Partei ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sei, gehe auch aus dem im Auftrag der Genannten an die Kasse gerichteten Schreiben der (im Rahmen der Parteienvertretung einschreitenden) Kammer für Arbeiter und Angestellte vom 18. Jänner 1993 hervor, da der mitbeteiligten Partei diesem Schreiben zufolge nicht bewußt gewesen sei, daß der erhöhte Unterhaltsbetrag eine Meldung an die Kassa erfordern würde. Durch § 76 Abs. 2 ASVG sei die Feststellung einer, das volle Ausmaß nicht erreichenden Beitragsgrundlage auch rückwirkend nicht schlechthin ausgeschlossen. Die Anordnung (gemeint: des § 76 Abs. 2 letzter Satz ASVG in der Fassung der 38. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 647/1982), daß solche Festsetzungen nur für die Zukunft wirken, würden nur auf Erhöhungen auf das volle Ausmaß des § 76 Abs. 1 Z. 1 ASVG (im Jahre 1992: S 2.232,--) gelten. Hingegen sei im Anlaßfall von einer Herabsetzung von S 2.232,-- auf den nach Maßgabe der unstrittigen wirtschaftlichen Verhältnisse gerechtfertigt erscheinenden Betrag von S 1.440,-- monatlich auszugehen. Aus diesen Gründen habe der Unterschiedsbetrag von insgesamt S 9.504,-- für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1992 nachverrechnet werden müssen.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Einspruch, worin sie im wesentlichen vorbringt, im vorhinein nicht gewußt zu haben, daß ihr geschiedener Ehegatte im Jahre 1992 eine Abfertigung beziehen werde (aufgrund derer ihr ein zusätzlicher Unterhaltsbeitrag zugekommen sei), dies bei der Antragstellung auf Beitragsherabsetzung für das Jahr 1993 der Gebietskrankenkasse jedoch informativ mitgeteilt zu haben, woraus ersichtlich sei, daß sie nichts verschweigen habe wollen. Ein Hinweis auf irgendwelche Meldepflichten während des Jahres sei dem Antragsformular auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage nicht zu entnehmen. Im übrigen unterlägen gesetzliche Abfertigungen "nicht der Sozialversicherungspflicht". Da der zusätzliche Unterhaltsbetrag der Anteil der mitbeteiligten Partei an der Abfertigung ihres geschiedenen Gatten aus einem ehemaligen Dienstverhältnis sei, könne auch dieser Betrag nicht "der Sozialversicherungspflicht unterliegen". Eine solche Regelung wäre vielmehr unsachlich. Selbst wenn man davon ausginge, daß die anteilsmäßige Abfertigung "in die Beitragsgrundlage einzurechnen" und der mitbeteiligten Partei ein Meldeverstoß vorwerfbar wäre, würde es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage für die Beitragsnachforderung mangeln, da eine solche für Meldeverstöße nach § 39 ASVG nicht vorgesehen sei. Überdies werde in § 76 Abs. 2 ASVG ausdrücklich bestimmt, daß eine Erhöhung der Beitragsgrundlage nur für die Zukunft wirke. Eine Rückwirkung sei ausgeschlossen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat der Landeshauptmann für Steiermark dem Einspruch der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und festgestellt, daß diese nicht verpflichtet sei, Beiträge (ergänze: in der Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 Abs. 1 in Verbindung mit § 76 ASVG) für das Jahr 1992 nachzuentrichten. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß der Schlußsatz des § 76 Abs. 2 ASVG, wonach Festsetzungen der Beitragsgrundlage aufgrund einer Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten in allen Fällen nur für die Zukunft wirken würden, eine rückwirkende Erhöhung der Beiträge ausschließen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse im wesentlichen und zusammengefaßt vorbringt, der Gesetzgeber habe mit dem Schlußsatz des § 76 Abs. 2 ASVG nicht jene Selbstversicherten begünstigen wollen, die unter Verschweigung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse eine Herabsetzung der Beitragsgrundlage zur Selbstversicherung erwirken. Die Beibehaltung einer begünstigten Beitragsgrundlage bei Personen, deren wirtschaftliche Verhältnisse sich maßgebend verbessert hätten bis zum zufälligen Bekanntwerden der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse auf seiten des Versicherungsträgers, stünden mit - näher bezeichneten - Erwägungen des Gesetzgebers im Widerspruch und könnten daher nicht beabsichtigt gewesen sein. Da eine reine Wortinterpretation des § 76 Abs. 2 letzter Satz ASVG der eigentlichen Absicht des Gesetzgebers nicht gerecht werde, hätte die belangte Behörde "objektiv-teleologische Erwägungen" in den Einspruchsbescheid einfließen lassen müssen und sich nicht auf die "Erforschung des Wortsinnes der betreffenden Bestimmungen beschränken dürfen". Im folgenden führt die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse näher aus, aus welchen Gründen sie der Auffassung ist, daß in Fällen wie dem vorliegenden eine rückwirkende Hinaufsetzung der Beiträge zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung (wenn auch nicht auf das volle Ausmaß der regulären Beiträge zur Selbstversicherung) zulässig sei.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 76 Abs. 1 und 2 ASVG (insoweit in der Fassung der 38. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 647/1982) lautet in seinen hier maßgebenden Teilen:

"(1) Beitragsgrundlage für den Kalendertag ist für die

  1. 1. im § 16 Abs. 1 bezeichneten Selbstversicherten unbeschadet der Z. 2 der Tageswert der Lohnstufe (§ 46 Abs. 4), in welche die um ein Sechstel ihres Betrages erhöhte Höchstbeitragsgrundlage (§ 45 Abs. 1) fällt,
  2. 2. ...

(2) Die Selbstversicherung gemäß § 16 Abs. 1 ist unbeschadet Abs. 3

  1. a) auf Antrag der Versicherten,
  2. b) ...

    in einer niedrigeren als der nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommenden Lohnstufe zuzulassen, sofern dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten ... gerechtfertigt erscheint.

    ...

Die Selbstversicherung darf jedoch nicht unter dem Tageswert der Lohnstufe (§ 46 Abs. 4), in die der gemäß § 76a Abs. 3 genannte, jeweils geltende Betrag fällt, ... zugelassen werden. Die Herabsetzung der Beitragsgrundlage wirkt, wenn der Antrag zugleich mit dem Antrag auf Selbstversicherung gestellt wird, ab dem Beginn der Selbstversicherung, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten; die Herabsetzung gilt jeweils bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres.

Wurde die Selbstversicherung auf einer niedrigeren als der nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommenden Beitragsgrundlage zugelassen, so hat der Versicherungsträger ohne Rücksicht auf die Geltungsdauer der Herabsetzung bei einer Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten auf dessen Antrag oder von Amts wegen eine Erhöhung der Beitragsgrundlage bis auf das nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommende Ausmaß vorzunehmen. Solche Festsetzungen wirken in allen diesen Fällen nur für die Zukunft."

§ 76 Abs. 3 ASVG in der Fassung der 32. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 704/1976, und der 48. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 642/1989, lautet:

"(3) Bei Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Abs. 2 sind auch Unterhaltsverpflichtungen von Ehegatten, auch geschiedenen Ehegatten, gegenüber dem Versicherten zu berücksichtigen. Als monatliche Unterhaltsverpflichtung gelten, gleichviel, ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird, während des Bestandes der Ehe 25 v.H., nach Scheidung der Ehe 12,5 v.H. des nachgewiesenen monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen. Wenn und solange das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen nicht nachgewiesen wird, ist

a) während des Bestandes der Ehe anzunehmen, daß eine Herabsetzung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten nicht gerechtfertigt erscheint,

b) nach Scheidung der Ehe anzunehmen, daß die Höhe der monatlichen Unterhaltsverpflichtung 25 v.H. des 30-fachen der Beitragsgrundlage nach Abs. 1 Z. 1 beträgt. Eine Zurechnung zum Nettoeinkommen erfolgt nur in der Höhe eines Vierzehntels der jährlich tatsächlich zufließenden Unterhaltsleistung, wenn die berechnete Unterhaltsforderung der Höhe nach trotz durchgeführter Zwangsmaßnahmen einschließlich gerichtlicher Exekutionsführung uneinbringlich oder die Verfolgung eines Unterhaltsanspruches in dieser Höhe offenbar aussichtslos ist."

Aus der zuletzt genannten Bestimmung ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß Unterhaltsverpflichtungen des geschiedenen Ehegatten nicht mit ihrem tatsächlichen nominellen Wert, sondern grundsätzlich nach der (pauschalierenden) Regelung des § 76 Abs. 3 ASVG bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle zu berücksichtigen sind. Auf die Höhe des tatsächlich bezahlten Unterhaltes kommt es - abgesehen von dem im letzten Satz des § 76 Abs. 3 ASVG genannten Fall - nicht an.

Da sich ein Bescheid über die (ursprüngliche) Herabsetzung der Beitragsgrundlage nicht bei den Akten befindet und weder die Behörden des Verwaltungsverfahrens noch die Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof die Anwendung des § 76 Abs. 3 ASVG erwogen bzw. geltend gemacht haben, wurden die Beschwerdeführerin und die mitbeteiligte Partei mit Berichterverfügung vom 17. Jänner 1995 gemäß § 35 Abs. 8 VwGG aufgefordert mitzuteilen, ob ein solcher Bescheid erlassen wurde, bejahendenfalls diesen vorzulegen. Im übrigen wurden diese Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die belangte Behörde aufgefordert, zur Anwendung des § 76 Abs. 3 ASVG und zu den aktenkundigen Unterlagen betreffend das Nettoeinkommen des Ehegatten der mitbeteiligten Partei Stellung zu nehmen.

Zur Frage der Bescheiderlassung teilten die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse und die belangte Behörde mit, daß die Herabsetzung der Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung auf S 648,-- nicht mit Bescheid verfügt, sondern lediglich eine Mitteilung über die Gewährung (dieser Herabsetzung) erfolgt sei. Die mitbeteiligte Partei führte dazu durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin aus, es sei "die ...

beantragte Herabsetzung der Beitragsgrundlage ... damals mit

Bescheid verfügt" worden. Sie sei jedoch "mangels juristischer

Kenntnisse nicht in der Lage zu beurteilen, ob der ihr

zugegangene Bescheid" formell ordnungsgemäß ausgestellt gewesen

sei, "oder ob wegen Formalfehlern allenfalls von einem Bescheid

gar nicht gesprochen werden konnte". Im Hinblick auf die

Verpflichtung des Versicherungsträgers, einen Bescheid zu

erlassen, komme auch der "internen Erledigung ... (des) ...

Antrages ... Bescheidcharakter zu". Die Beschwerdeführerin

dürfe aus der rechtswidrigen Nichterlassung eines Bescheides keinen Vorteil ziehen.

Zur Frage der Anwendung des § 76 Abs. 3 ASVG vertraten die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse und die belangte Behörde die Auffassung, daß bei der Herabsetzung des Beitrages zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung grundsätzlich die Höhe des tatsächlich bezahlten Unterhaltes maßgebend sei. Nur dadurch werde die Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse entsprechend berücksichtigt. Aus der Wendung in § 76 Abs. 3 ASVG, daß "auch" Unterhaltsverpflichtungen von geschiedenen Ehegatten gegenüber dem Versicherten zu berücksichtigen seien, ergebe sich, daß "eine Abwägung zwischen einem tatsächlich bezahlten Unterhalt und dem errechneten fiktiven Unterhaltsanspruch vorzunehmen" sei: liege der tatsächlich bezahlte Unterhalt unter dem Pauschalbetrag, so sei abzuwägen, ob nicht dieser heranzuziehen sei. Eine generelle Anwendung des § 76 Abs. 3 ASVG könne dazu führen, daß mit der dadurch verbundenen Herabsetzung der Beitragsgrundlage nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten entsprochen würde. Dem pauschalierten Unterhalt komme daher nur die Bedeutung eines "Mindestbeitrages" (wohl gemeint: Mindestbetrages) zu.

Die mitbeteiligte Partei schloß sich hingegen der in der Berichterverfügung vertretenen Auffassung an, daß § 76 Abs. 3 ASVG unterschiedslos auf Unterhaltsverpflichtungen von Ehegatten anzuwenden sei.

Die Frage, ob die ursprüngliche Herabsetzung der Beitragsgrundlage der mitbeteiligten Partei mit Bescheid verfügt worden ist, kann vom Verwaltungsgerichtshof derzeit nicht endgültig beurteilt werden, weil ihm der Wortlaut und das äußere Erscheinungsbild der der mitbeteiligten Partei zugegangenen Erledigung nicht bekannt sind. Sollte die Beschwerdeführerin keinen Bescheid erlassen haben, wie sie behauptet, so hätte die Beschwerdeführerin mit ihrem Bescheid vom 4. März 1993 erstmals über den Herabsetzungsantrag der mitbeteiligten Partei abgesprochen und durfte dies aufgrund § 76 Abs. 2 vierter Satz ASVG für einen Zeitraum "ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten" bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres tun. In diesem Fall hätte sich jedoch die belangte Behörde bei Erlassung des Berufungsbescheides nicht mit der spruchgemäßen Feststellung begnügen dürfen, daß die mitbeteiligte Partei nicht verpflichtet sei, Beiträge für das Jahr 1992 nachzuentrichten, sondern sie hätte in Erledigung der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG die Beitragshöhe für den maßgeblichen Zeitraum - allenfalls in der gesetzlichen Mindesthöhe - festzusetzen gehabt. Da somit von der Frage, ob der Bescheid der Beschwerdeführerin vom 4. März 1993 erstmals oder in Abänderung eines früheren Bescheides über die Herabsetzung der Beiträge der mitbeteiligten Partei abgesprochen hat, abhängt, ob der Spruch des angefochtenen Bescheides rechtmäßig ist, war der angefochtene Bescheid schon deshalb zur Klärung des maßgebenden Sachverhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben. Sollte über den Herabsetzungsantrag hingegen mit Bescheid entschieden worden sein - wie die mitbeteiligte Partei behauptet -, so träfe die allein im Gesetzeswortlaut gedeckte Auffassung der belangten Behörde zu, daß eine Erhöhung der Beitragsgrundlage während des Jahres, für welches die Herabsetzung gemäß § 76 Abs. 2 zweiter Satz ASVG gilt, nur für die Zukunft (d.h. für der Bescheiderlassung folgende Zeiträume) erfolgen dürfte. Der Gesetzgeber wollte es offenkundig bei einer, vor dem jeweiligen Kalenderjahr, für welches die Herabsetzung der Beitragsgrundlage beantragt worden war, getroffenen Entscheidung über die wirtschaftlichen Verhältnisse dieses kommenden Zeitraumes im Prinzip bewenden lassen und nachträgliche Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse nur nach Maßgabe des tatsächlichen Bekanntwerdens und überdies nur für die Zukunft wirken lassen. Da die Entscheidung über die Herabsetzung der Beitragsgrundlage ihrer Natur nach auch eine Prognose über die künftige wirtschaftliche Entwicklung der versicherten Person beinhaltet, hat die Behörde auch die dafür maßgebenden Umstände zu erheben. Soweit die Partei ihr bereits bekannte Umstände, welche im maßgebenden Zeitraum zu einer Änderung der maßgebenden Verhältnisse führen könnten, dabei verschweigt und sich dies nachträglich herausstellt, käme allenfalls die Wiederaufnahme des mit Bescheid über die Herabsetzung der Beitragsgrundlage abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 AVG in Betracht, diesfalls freilich mit Wirkung ab Antragstellung.

Der Behörde steht es bei Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse für darauffolgende Perioden allerdings frei, in der Vergangenheit bei herabgesetzter Beitragsgrundlage durch verbesserte wirtschaftliche Verhältnisse ersparte Beiträge als "Guthaben" in die nächste Jahresperiode vorzutragen. Soweit nämlich ein meldepflichtiger Versicherter die Meldung der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse unterläßt und dadurch geringere Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet, als er rechtens zu entrichten hätte, kann er sich bei Prüfung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in Folgeperioden nicht (rechtsmißbräuchlich) darauf berufen, diese ersparten Beiträge anderweitig verwendet zu haben; diese sind ihm vielmehr als "Aktivum" anzurechnen (zum Charakter der Beurteilung wirtschaftlicher Verhältnisse als Prognoseentscheidung und zur Beachtlichkeit auch der Einkommenssituation im vorangegangenen Zeitraum vgl. das zur vergleichbaren Bestimmung des Art. VII Abs. 10 der 32. Novelle zum ASVG - dort zum Begriff der besonderen Härte - ergangene Erkenntnis vom 28. Juni 1984, Slg. Nr. 11486/A).

In der Frage, wie der Unterhaltsanspruch der mitbeteiligten Partei dabei zu berücksichtigen ist, vermag der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu folgen: Zunächst soll das Wort "auch" in § 76 Abs. 3 ASVG nicht den tatsächlich bezahlten dem pauschalierten Unterhalt gegenüberstellen, sondern es will nur klarstellen, daß neben anderen, die wirtschaftlichen Verhältnisse gestaltenden Einkommens- und Vermögensbestandteilen auch Unterhaltsverpflichtungen von Ehegatten und geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen sind. Die Wendung "gleichviel, ob und in welcher Höhe die Unterhaltsleistung tatsächlich erbracht wird" (sei der pauschalierte Unterhalt heranzuziehen) schließt auch eine Auslegung in dem von der Beschwerdeführerin vertretenen Sinn zweifelsfrei aus. Es handelt sich dabei um eine im Sozialversicherungsrecht mitunter anzutreffende, auch den Bedürfnissen nach einer möglichst einfachen Handhabbarkeit entsprechende pauschalierende Regelung, die - soweit sie sich an durchschnittlichen Erfahrungssätzen orientiert - unbedenklich ist, mag sie auch - wie es im Wesen einer solchen Regelung liegt - Härtefälle oder aber auch Fälle der Überversorgung im Einzelfall nicht ausschließen. Die Beschwerdeführerin behauptet keine Unsachlichkeit der Regelung in diesem Sinne; eine solche ist auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

Nun ist zwar das monatliche Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten der mitbeteiligten Partei nicht ausdrücklich aktenkundig, jedoch ergibt sich aus dem aktenkundigen Schreiben vom 30. November 1992, daß die Unterhaltszahlung des geschiedenen Ehegatten der mitbeteiligten Partei von S 11.000,-- 33,9 % seines Nettoeinkommens entsprochen und dieses somit ca. S 32.500,-- betragen hat. Der monatliche Unterhaltsbetrag von S 24.200,-- im Jahre 1992 entspricht somit einem Einkommen von monatlich S 71.386,--; 12,5 % hievon sind S 8.900,--. Selbst wenn man jedoch gemäß § 76 Abs. 3 dritter Satz ASVG von einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung von 25 % der Höchstbeitragsgrundlage des Jahres 1992 (von S 31.800,-- monatlich) ausginge, so errechnete sich ein fiktiver Unterhaltsanspruch der mitbeteiligten Partei von monatlich S 7.950,--. In beiden Fällen wird der von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse bei Herabsetzung des Beitrages zur Selbstversicherung in der Krankenversicherung (fälschlich) zugrundegelegte Betrag von S 11.000,-- monatlich bei weitem unterschritten.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren unter Beachtung der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung und nach Klärung der Frage, ob sie im Sinne des § 76 Abs. 2 vierter Satz oder im Sinne des § 76 Abs. 2 fünfter und sechster Satz ASVG abzusprechen hat, neuerlich über den Einspruch der mitbeteiligten Partei zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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