Normen
ABGB §6;
ArbVG §26;
ASVG §4 Abs1 Z2;
ASVG §44 Abs1 Z1;
ASVG §49 Abs1;
BAG 1969 §1;
BAG 1969 §12 Abs2;
BAG 1969 §12;
BAG 1969 §17;
BAG 1969 §2 Abs5 litf idF 1993/023;
BAG 1969 §2 Abs5 litf;
BAG 1969 §7;
BAG 1969 §8;
BAGNov 1978;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
KollV Angestellte Rechtsanwaltskanzleien Pkt11;
KollV Angestellte Rechtsanwaltskanzleien Pkt9;
KollV Angestellte Rechtsanwaltskanzleien;
SchPflG 1985 §1;
SchPflG 1985 §20;
StGG Art2;
VwRallg;
ABGB §6;
ArbVG §26;
ASVG §4 Abs1 Z2;
ASVG §44 Abs1 Z1;
ASVG §49 Abs1;
BAG 1969 §1;
BAG 1969 §12 Abs2;
BAG 1969 §12;
BAG 1969 §17;
BAG 1969 §2 Abs5 litf idF 1993/023;
BAG 1969 §2 Abs5 litf;
BAG 1969 §7;
BAG 1969 §8;
BAGNov 1978;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
KollV Angestellte Rechtsanwaltskanzleien Pkt11;
KollV Angestellte Rechtsanwaltskanzleien Pkt9;
KollV Angestellte Rechtsanwaltskanzleien;
SchPflG 1985 §1;
SchPflG 1985 §20;
StGG Art2;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 14. April 1992 stellte die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse gemäß § 410 ASVG fest, daß für D hinsichtlich ihrer Beschäftigung als Rechtsanwaltsangestellte bei der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 20. Dezember 1988 bis 31. August 1991 die nachstehend angeführten Lohnstufen, jeweils in der Beitragsgruppe D 1 in Betracht kämen, nämlich in der Zeit vom 20. Dezember 1988 bis 19. Dezember 1989 die Lohnstufe 13, in der Zeit vom 20. Dezember 1989 bis 2. Juli 1990 die Lohnstufe 14 und vom 3. Juli 1990 bis 31. August 1991 die Lohnstufe 15. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin in der (ergänzten) Anmeldung der D. zur Sozialversicherung als Tätigkeit die Bezeichnung "Lehrling" und die "Lehrzeit" mit "20.12.1988 bis 19.12.1991" angegeben habe. Demzufolge sei die Beitragsvorschreibung aufgrund der von der Beschwerdeführerin bekannt gegebenen Beitragsgrundlagen und Sonderzahlungen bis zum Ende des zweiten "Lehrjahres" in der Beitragsgruppe D 2 E und vom Beginn des letzten "Lehrjahres" bis zu der am 11. September 1991 (wegen einverständlicher Lösung des "Lehrverhältnisses") erstatteten Abmeldung mit 31. August 1991 in der Beitragsgruppe D 1 E erfolgt. Im Zuge einer im Jahre 1991 durchgeführten Beitragsprüfung sei aber "festgestellt" worden, daß D. in der Zeit vom 20. Dezember 1988 bis 31. August 1991 nicht als Lehrling, sondern als Rechtsanwaltsangestellte zur Sozialversicherung hätte gemeldet werden müssen, weil bei der Lehrlingsstelle der Wiener Handelskammer kein Feststellungsbescheid gemäß § 3a Abs. 1 des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) vorliege. Außerdem sei der D. von der Rechtsanwaltskammer Wien mit Beglaubigungsurkunde vom 3. Juli 1990 die Vertretungsbefugnis gemäß § 31 Abs. 4 ZPO für die Beschwerdeführerin erteilt worden. Demgemäß hätten im Zuge der genannten Beitragsprüfung die Lohn- und Gehaltsänderungsmeldungen bzw. Sonderzahlungsmeldungen entsprechend den Bestimmungen des Kollektivvertrages für Rechtsanwaltsangestellte in der Zeit vom 20. Dezember 1988 bis 2. Juli 1990 in der Berufsgruppe I sowie in der Zeit vom 3. Juli 1990 bis 31. August 1991 in der Berufsgruppe II eingeholt werden müssen. Die Beschwerdeführerin habe die Unterschrift dieser Meldungen jedoch verweigert und gegen entsprechende Beitragsvorschreibungen Einwendungen erstattet. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse schließe sich jedoch der von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien in ihrem Schreiben vom 3. März 1992 vertretenen Rechtsauffassung an, in dem es heiße:
"Gemäß § 2 Abs 5 lit f BAG können Rechtsanwälte Lehrlinge ausbilden, sofern die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 lit b und c BAG vorliegen (Fachkenntnis, Ausbilderprüfung, kein Ausschluß von der Ausbildung). Es gilt aber auch in diesem Fall, daß ein Feststellungsbescheid gemäß § 3a BAG (Prüfung des Betriebes im Hinblick auf die Einrichtung und Führung) vorliegen und eine Person mit Ausbilderprüfung im Betrieb vorhanden sein muß.
Darüber hinaus muß ein Lehrvertrag abgeschlossen und der Lehrlingsstelle bei der zuständigen Handelskammer unverzüglich, längstens aber binnen 3 Wochen, zur Protokollierung vorgelegt werden.
Aus dem Lehrvertrag ergeben sich gewisse Verpflichtungen nach dem Berufsausbildungsgesetz, die nicht abdingbar sind; insbesondere muß der Lehrberechtigte den Lehrling nach den jeweiligen Ausbildungsvorschriften ausbilden und ihm die für die Berufsschule notwendige Zeit bezahlt freigeben.
Nach der Aktenlage hat (die Beschwerdeführerin) weder einen Feststellungsbescheid gemäß § 3a BAG beantragt noch einen schriftlichen Lehrvertrag abgeschlossen und bei der Lehrlingsstelle der Handelskammer Wien vorgelegt (dies wurde von der zuständigen Lehrlingsstelle telefonisch nochmals bestätigt). Ebenso hat (D.) die fachlich in Betracht kommende Berufsschule nicht besucht. Nach ho Ansicht könnte daher (D.) zur Lehrabschlußprüfung nicht antreten, da kein Lehrvertrag vorliegt und die Berufsschule nicht besucht wurde. Allenfalls ist eine ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschlußprüfung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (§ 23 Abs 5 lit a und b BAG) möglich.
Gegen eine fachliche Ausbildung und Verwendung als Lehrling spricht an sich auch die Erteilung der Vertretungsbefugnis gemäß § 31 Abs 4 ZPO mit 3.7.1990, also nach Ablauf der Hälfte der Lehrzeit. Die im Rahmen der Vertretungsbefugnis gemäß § 31 Abs 4 ZPO durchzuführenden Tätigkeiten (Vertretung bei der 1. Tagsatzung und bei den im Zwangsvollstreckungsverfahren vorkommenden Vollzugshandlungen, Tagsatzungen und Einvernehmungen) entsprechen nicht dem Berufsbild für den Lehrberuf Bürokaufmann. Auch daraus ergibt sich, daß (D.) nicht als Lehrling, sondern als Angestellte verwendet wurde und nicht deren Ausbildung, sondern deren Arbeitsleistung im Vordergrund stand.
Die ho Kammer steht daher auf dem Standpunkt, daß es sich bei dem in Rede stehenden Vertragsverhältnis nicht um ein Lehrverhältnis, sondern um ein Arbeitsverhältnis gemäß dem Angestelltengesetz mit allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen handelt."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch. Darin und in weiteren Schriftsätzen im Einspruchsverfahren wandte sie Nachstehendes ein:
Die damals noch minderjährige D. sei am 20. Dezember 1988 als Lehrling in ihre Kanzlei eingetreten. Das Lehrverhältnis habe vom 20. Dezember 1988 bis 19. Dezember 1991 dauern sollen. Nach Rücksprache mit der Rechtsanwaltskammer Wien und der Lehrlingsstelle der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien sei dieses Lehrverhältnis ein Lehrverhältnis sui generis, das heiße ohne Berufsschule, jedoch mit allen anderen Vergünstigungen für den Lehrling, wie z.B. dem Verbot von Überstunden, Kündigungsschutz, Ausbildungspflicht, etc., gewesen. Als Entlohnung habe "der Kollektivvertrag der Rechtsanwalts-Angestellten, Lehrlingsentschädigung" gegolten. Die Beschwerdeführerin habe - entgegen den Behauptungen der Lehrlingsstelle - für D. auch einen Lehrvertrag ausgestellt, der vom Vater der D. als gesetzlichem Vertreter unterschrieben worden sei, und der Lehrlingsstelle vorgelegt. Diese habe ihn aber, versehen mit der Eingangsstampiglie, wieder zurückgestellt. Dazu habe ihr der Sekretär der Lehrlingsstelle
K in einem ausführlichen Gespräch mitgeteilt, daß ein Lehrvertrag nur vorzulegen sei, wenn der Lehrling auch eine Berufsschule besuche; bei dem gegenständlichen Lehrverhältnis handelte es sich aber - so wie bei Lehrverhältnissen im Betrieb von Steuerberatern und Banken - um ein Lehrverhältnis sui generis, für das der Besuch einer Berufsschule nicht notwendig sei. Für die Ausbildung sei durch Kurse, die von der Wiener Rechtsanwaltskammer durchgeführt würden, ausreichend gesorgt. Zum Beweis dafür lege sie den Lehrvertrag vor (in dem als Lehrberuf "Rechtsanwaltsgehilfin" angegeben ist) und beantrage die Vernehmung des Sekretärs der Lehrlingsstelle. Tatsächlich habe D. die Kurse der Wiener Rechtsanwaltskammer (z.B. den Grundkurs mit Fristen-, Zuständigkeits-, Exekutions- und Kostenrecht sowie den Kurs für Grundbuchsrecht) besucht und auch die Prüfungen mit Erfolg abgelegt; die Beschwerdeführerin habe die Kurse bezahlt. Nach Volljährigkeit der D. habe ihr Vater um die Weitergewährung der Familienbeihilfe angesucht. Dies sei ihm anstandslos gewährt worden, obwohl er darauf hingewiesen habe, daß D. keine Berufsschule besuche und der Lehrvertrag von der Lehrlingsstelle zurückgestellt worden sei. Das Finanzamt habe also das Dienstverhältnis der D. mit der Beschwerdeführerin als Lehrverhältnis, insbesondere auch die Entlohnung als Lehrlingsentschädigung, anerkannt. Richtig sei, daß die Rechtsanwaltskammer für Wien aufgrund der mit Erfolg abgelegten Prüfung des Grundkurses die BU für D. ausgestellt habe. Entgegen der Auffassung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien spreche dies aber nicht gegen die Annahme eines Lehrverhältnisses. D. habe nämlich nur einmal bei einer
1. Tagsatzung und einmal bei einem Exekutionsvollzug interveniert, und auch dies nur zum Zweck, daß sie im Rahmen ihrer Ausbildung auch in der Praxis erlebe, was hiebei zu tun sei. Im übrigen habe diese BU nur als amtliches Ausweispapier gedient, das D. benötigt habe, wenn sie bei Gerichten oder Verwaltungsbehörden für die Beschwerdeführerin Aktenabschriften angefertigt oder abgeholt habe. Sinn und Zweck der Ausbildung eines Lehrlings in einer Rechtsanwaltskanzlei sei es, daß ein solcher Lehrling nach abgeschlossener Lehrzeit alle Arbeiten einer qualifizierten Rechtsanwaltskraft ausführen könne. Der Lehrling solle nach Abschluß nicht Hilfsdienste in der untersten kollektivvertraglichen Gehaltsstufe, sondern eine dem Typus eines Rechtsanwaltsgehilfen entsprechende qualifizierte Tätigkeit leisten. Hiezu sei es nötig, den Lehrling nach und nach in alle Spezialgebiete einzuschulen und ihn in diesen Gebieten auch tätig werden zu lassen; dies selbstverständlich unter Aufsicht. Dieser Verpflichtung sei die Beschwerdeführerin nachgekommen. Dabei sei sie durch die schon genannten Kurse der Wiener Rechtsanwaltskammer unterstützt worden. Im Sinne eines Lehrverhältnisses habe D. im zweiten und später im dritten Beschäftigungsjahr immer qualifiziertere Tätigkeiten übertragen bekommen. Die Beschwerdeführerin habe mit dem schon genannten Sekretär der Lehrlingsstelle auch darüber gesprochen, daß in einer Rechtsanwaltskanzlei gewisse Fertigkeiten und Spezialwissen nötig sei, die in anderen Berufszweigen als Bürokaufmann nicht benötigt würden, daß das Institut "Lehrlinge für Rechtsanwälte" noch jung sei, nämlich erst seit 1978 existiere, daß aber das Berufsbild "Rechtsanwaltsgehilfe" z.B. bei Lehrabschlußprüfungen sich noch nicht durchgesetzt habe. Die Beschwerdeführerin habe außer den Fertigkeiten, die ausschließlich in einer Rechtsanwaltskanzlei gefragt seien, der
D. auch eine Ausbildung erteilt, die sie in jedem Berufszweig als Bürokaufmann benötige. D. habe daher in den beiden Lehrjahren alle notwendigen Kenntnisse erworben, die man als Bürokaufmann in welcher Sparte auch immer, und nicht nur in einer Rechtsanwaltskanzlei, benötige. Schließlich verweise die Beschwerdeführerin darauf, daß in Berufszweigen, in denen keine Lehrlingsausbildung zuerkannt worden sei, verwandte Institute, so z.B. im Berufszweig der Wirtschaftstreuhänder das Institut des jugendlichen Angestellten, mit Entlohnungen unter der in den Kollektivverträgen für Rechtsanwaltsangestellte festgesetzten Lehrlingsentschädigungen eingerichtet worden seien. Dieses Entlohnungsschema werde von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse aber anerkannt. Angesichts des Umstandes, daß Rechtsanwälten grundsätzlich die Lehrlingsausbildung zuerkannt worden sei, und die in den Kollektivverträgen für Rechtsanwaltsangestellte festgesetzten Lehrlingsentschädigungen über dem Gehaltsschema für jugendliche Angestellte in anderen Berufszweigen lägen, könne die Beschwerdeführerin nicht schlechter gestellt werden als Angehörige dieser anderen Berufszweige.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Nach der Bescheidbegründung bestehe die entscheidende Frage darin, ob D. als Lehrling anzusehen sei oder nicht. Im ASVG fehle zwar eine klare Definition dieses Begriffes, doch stelle die Wendung "die in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlinge)" im § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Z. 4, 5, 8 und 11 ASVG, die andere in Berufsausbildung stehende Personen beträfen, ausreichend klar, daß nicht jede Berufsausbildung als Lehrverhältnis gewertet werden könne, sondern nur jene, die im Rahmen der Rechtsordnung eine solche Regelung gefunden habe, in der die in einem Lehrverhältnis stehende Person ausdrücklich als Lehrling bezeichnet werde. Als maßgebliche Rechtsvorschrift sei das Berufsausbildungsgesetz (BAG) zu nennen, das seit 1978 auch das Ausbilden von Lehrlingen durch Rechtsanwälte vorsehe (§ 2 Abs. 5 lit. f BAG). Die hiefür - entsprechend dem oben wiedergegebenen Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien - jedoch erforderlichen Voraussetzungen könnten nicht durch mündliche Absprachen ersetzt werden, weshalb die beantragte Vernehmung des Referenten der Lehrlingsstelle entbehrlich gewesen sei. Auch die steuerrechtliche Beurteilung sei nicht relevant. Die unprotokollierte Retournierung des Lehrvertrages und die angeblich damit im Zusammenhang stehende Rechtsbelehrung durch den genannten Referenten vermöchten nach Ansicht der belangten Behörde nicht die zwingende Bestimmung des § 20 BAG abzuändern. Die Anrechnungsmöglichkeit des § 20 Abs. 5 BAG lasse vielmehr erkennen, daß eine als Lehrverhältnis beabsichtigte Beschäftigung, die auf einem nicht ordnungsgemäß abgeschlossenen und von der Lehrlingsstelle nicht protokollierten Lehrvertrag beruhe, niemals die rechtliche Qualifikation eines Lehrverhältnisses erlangen könne. Da demgemäß kein Lehrverhältnis vorgelegen und auch nicht der Bestand eines Volontariats, eines Werksvertrags- oder Arbeiterverhältnisses behauptet worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin - im wesentlichen aus den schon im Verwaltungsverfahren vorgebrachten, oben wiedergegebenen Gründen - die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift. Die mitbeteiligte Gebietskrankekasse beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem - grundsätzlich auch für die Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG beachtlichen - Entgeltbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG ist sowohl für die Bemessung der allgemeinen Beiträge als auch der Sonderbeiträge der "Anspruchslohn" oder das höhere tatsächlich geleistete Entgelt maßgebend. Unter dem "Anspruchslohn" wird (werden) jenes Entgelt (jene Geld- und Sachbezüge) verstanden, auf dessen (deren) Bezahlung der betroffene Dienstnehmer bei Fälligkeit des jeweiligen Beitrages einen Rechtsanspruch hat. Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen, wobei in jenen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, - entsprechend dem § 3 ArbVG - zumindest das nach diesen Vereinbarungen den Dienstnehmern zustehende Entgelt die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge zu bilden hat; dies ohne Beachtung des Umstandes, daß ein Lohnteil, der dem einzelnen Dienstnehmer zusteht, allenfalls tatsächlich nicht ausbezahlt wird (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0050, vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0172, und vom 30. März 1993, Zl. 92/08/0050, jeweils mit weiteren Judikaturhinweisen).
Diesbezüglich ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich strittig, ob D. aufgrund ihrer Beschäftigung für die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 20. Dezember 1988 bis 31. August 1991 nach den mit "Entgelt" überschriebenen Punkten IX bzw. XI der anzuwendenden Kollektivverträge für Rechtsanwaltsangestellte (das sind nach Punkt I dieser Kollektivverträge Personen, die in den Kanzleien der Rechtsanwälte angestellt und nicht Rechtsanwaltsanwärter sind) vom 15. Juli 1987 (veröffentlicht in AnwBl. 1987, Seite 585 ff) und vom 23. Mai 1989 (veröffentlicht in AnwBl. 1989, Seite 541) Anspruch auf ein Entgelt nach den (das tatsächlich der D. bezahlte Entgelt übersteigenden) Mindestsätzen der Berufsgruppe I bzw. II oder nur nach den (das tatsächlich gezahlte Entgelt unterschreitenden) Mindestsätzen der "Lehrlingsentschädigung" hatte.
Die Beantwortung dieser Frage hängt - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht primär davon ab, was das ASVG (in den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 Z. 2 und 44 Abs. 1 Z. 1) unter Lehrling versteht; es könnte ja auch ein als Lehrling bezeichneter Dienstnehmer, der kein Lehrling im Sinne der genannten ASVG-Bestimmungen ist, aufgrund einer dies ausdrücklich anordnenden wirksamen Rechtsvorschrift nur einen Anspruch auf eine darin geregelte "Lehrlingsentschädigung" haben. Entscheidend ist vielmehr, was die gegenständlichen Kollektivverträge mit der Bezeichnung "Lehrlingsentschädigung" und "Lehrling", dem eine solche Lehrlingsentschädigung zusteht, meinen.
Kollektivverträge sind nach ständiger Judikatur nach den für Gesetze geltenden Auslegungsregeln (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 91/08/0172). Die genannten Kollektivverträge definieren die angeführten Begriffe nicht und enthalten auch keine sonstigen, "Lehrlinge" oder die "Lehrlingsentschädigung" betreffenden Bestimmungen, die eine Deutung der angeführten Begriffe aus dem Kollektivvertrag selbst ermöglichten. Entsprechend dem aus § 6 ABGB abzuleitenden Auslegungsprinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssprache ist - wie Berger-Fida-Gruber, Berufsausbildungsgesetz, Anm. 6 zu § 1, zutreffend ausführen - im allgemeinen davon auszugehen, daß dann, wenn Vorschriften der österreichischen Rechtsordnung den Begriff "Lehrling" ohne nähere inhaltliche Bestimmung oder rechtliche Zuordnung verwenden, darunter ein "Lehrling" im Sinne eines gesetzlich anerkannten Lehrverhältnisses gemeint ist. Als solches kommt im Beschwerdefall unter Bedachtnahme darauf, daß Rechtsanwälte seit der BAG-Novelle, BGBl. Nr. 232/1978, ebenfalls zur Ausbildung von Lehrlingen im Sinne des BAG berechtigt sind (§ 2 Abs. 5 lit. f BAG in der Fassung vor der im Beschwerdefall noch nicht anzuwendenden Novelle, BGBl. Nr. 23/1993), nur jenes nach dem BAG in Betracht. Unter der "Lehrlingsentschädigung" im Sinne der im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der Kollektivverträge für Rechtsanwaltsangestellte ist daher jenes nach § 17 BAG in Verbindung mit § 26 ff ArbVG zu verstehen (vgl. zu den Hintergründen der Aufnahme von Mindestsätzen für "Lehrlingsentschädigung" in Kollektivverträge für Rechtsanwaltsangestellte Noverka, Die Bürolehrlinge, AnwBl. 1979, Seite 25 f).
Deshalb (und nicht aus dem schon angesprochenen Grund) ist die von der belangten Behörde untersuchte Frage entscheidungswesentlich, ob D. als Lehrling im Sinne des BAG anzusehen war.
Dies ist schon deshalb zu verneinen, weil D. sowohl nach dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Lehrvertrag als auch nach den von ihr dazu aufgestellten, oben wiedergegebenen Behauptungen nicht zu einem in der Lehrberufsliste (§ 7 BAG, vgl. dazu Anhang I A in Berger-Fida-Gruber, Berufsausbildungsgesetz) angeführten Lehrberuf, insbesondere jenen eines Bürokaufmanns, sondern zu dem in der Lehrberufsliste nicht angeführten Beruf einer Rechtsanwaltsgehilfin ausgebildet werden sollte, Verträge, deren Gegenstand die Erlernung von Tätigkeiten ist, die nicht in der Lehrberufsliste als Lehrberufe festgesetzt sind, aber nach § 12 Abs. 2 BAG kein Lehrverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes begründen (vgl. dazu Berger-Fida-Gruber, Berufsausbildungsgesetz, Anm. 3 zu § 1, 37 bis 39 zu § 12; Spielbüchler, Berufsausbildung und Arbeitsrecht, in Festschrift Schnorr zum 65. Geburtstag, Seite 302 f). Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin ihrer Behauptung nach D. "außer den Fertigkeiten, die ausschließlich in einer Rechtsanwaltskanzlei gefragt sind" auch eine Ausbildung vermittelte, "die sie in jedem Berufszweig als Bürokaufmann benötigt", änderte nichts daran, daß Gegenstand des Lehrvertrages die Erlernung der Tätigkeit einer Rechtsanwaltsgehilfin mit dem von der Beschwerdeführerin umschriebenen Berufsbild, wozu der Besuch einer Berufsschule nicht erforderlich erscheine (und nach § 20 des Schulpflichtgesetzes auch nicht vorgeschrieben ist), und nicht jener eines Bürokaufmanns mit den aufgrund des § 8 BAG erlassenen Ausbildungsrichtlinien und dem im Rahmen des dualen Systems der Ausbildung nach dem BAG (vgl. Berger-Fida-Gruber, Anm. 2 zu § 1) verpflichtenden Besuch einer Berufsschule war, und daher der gegenständliche Lehrvertrag kein Lehrverhältnis im Sinne des BAG begründete.
In diesem "Lehrverhältnis sui generis" hatte D. aber - unabhängig von der Richtigkeit der von der belangten Behörde herangezogenen Argumente (vgl. dazu u.a. die Anm. 20 ff zu § 20 in Berger-Fida-Gruber, Berufsausbildungsgesetz, mit umfangreichen Judikatur- und Schrifttumshinweisen) - Anspruch auf die in den obgenannten Kollektivvertragsbestimmungen festgesetzten Mindestsätze, gegen deren Heranziehung die Beschwerdeführerin - so wie im Verwaltungsverfahren - lediglich einwendet, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse anerkenne niedrigere Entgeltansprüche für Jugendliche und Angestellte in anderen Berufszweigen. Dieser Einwand ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen:
Sollten nämlich die jugendlichen Dienstnehmer dieser anderen Berufszweige nach den für sie geltenden rechtlichen Grundlagen geringere Entgeltansprüche als solche Angestellten eines Rechtsanwaltes im Bereich der Wiener Rechtsanwaltskammer gehabt haben, so hätte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse diese Entgeltansprüche zu Recht anerkannt. Sollte die Anerkennung aber zu Unrecht erfolgt sein, so könnte die Beschwerdeführerin daraus nicht das subjektive Recht ableiten, daß die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auch in ihrem Fall rechtswidrig vorgehe. Verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen unterschiedliche Entgeltansprüche in verschiedenen Berufszweigen nicht und sieht sich daher nicht veranlaßt, dem Antrag "auf Abtretung" der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (gemeint: auf eine Antragstellung nach § 140 B-VG) zu entsprechen.
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
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