VwGH 93/05/0056

VwGH93/05/005631.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Jänner 1993, R/1-V-91084, betreffend Nachbareinwendungen in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. P-GmbH in W, und 2. Gemeinde Semmering, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §96;
BauO NÖ 1976 §97;
BauO NÖ 1976 §99 Abs4;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §7 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §96;
BauO NÖ 1976 §97;
BauO NÖ 1976 §99 Abs4;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstmitbeteiligte beantragte im Dezember 1990 die Baubewilligung für Zu- und Umbauten betreffend das Hotel Panhans auf dem Grundstück Nr. 781/3 KG Semmering. Dieses Bauansuchen umfaßte eine Vergrößerung des Speisesaales im Parterre des Hotels um ca. die Tiefe der bestehenden Terrasse nach Osten, die Vergrößerung der Küche und den Einbau von Kühlzellen unter der Zulieferstraße, die Errichtung einer zentralen WC-Gruppe im Bereich des Tanzcafes, das umgebaut werden soll, den Einbau eines Aufzuges, der an der Westseite zwischen Hoteltrakt und Tanzcafe vorgesehen ist, und die Errichtung einer zwischen dem zweiten und dem dritten Stock des Hotels angebundenen Brücke auf dem Grundstück Nr. 784/5 zur Erschließung des Grundstückes Nr. 784/1, KG Semmering. Im Untergeschoß des geplanten Zubaues zum Speisesaal sollten Personalräume eingerichtet werden.

In der auch an die Beschwerdeführerin gerichteten Ladung zur mündlichen Bauverhandlung vom 6. März 1991 wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung beim Gemeindeamt oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden. Mit Schreiben vom 4. März 1991 erhob die Beschwerdeführerin folgende Einwendungen:

  1. "1. Die künftige Ausformung des Hanges (Stützmauer) wurde in keiner Schnittzeichnung dargestellt, über die künftige Gestaltung der Oberflächen bestehen keinerlei Angaben. Unbedingt notwendig ist die Voraussetzung keinerlei Baufällungen" (offenbar gemeint: Baumfällungen), "Weglassen der Stützmauer (Höhe?) und die Erhaltung des natürlichen Bewuchses. Mangelnde Einstellung für Landschaftsverschönerung hat die Panhans Eigentumsgesellschaft m.b.H. schon bisher bei der Schaffung des ideenlosen Parkplatzes (der Bodenbepflanzung) und des lächerlichen "Parks" gezeigt.
  2. 2. Der Bau des Restauranttraktes bedeutet einen eklatanten Eingriff in die traditionelle Fassadengestaltung und eine Entwertung meines Appartements (Aussicht auf Kiesdach, Lärmquelle durch unter meiner Wohnung liegendem Eingang). Bei oftmals leerstehenden Ballsaal und immer leerstehender Diskothek ist hier sicherlich eine andere Lösung als die Erweiterung nach außen möglich."

In der Bauverhandlung vom 6. März 1991 verwies die Vertreterin der Beschwerdeführerin auf ihre schriftliche Stellungnahme.

Mit Bescheid vom 11. März 1991 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Semmering unter Erteilung von 13 Auflagen die Baubewilligung. Die Einwendung, wonach "durch die Vergrößerung des Restauranttraktes eine störende Veränderung der talseitigen Fassade des Hotel Panhans" entstehe und ein "bezüglicher Vertrag" verletzt werde, wurde gemäß § 99 Abs. 4

Nö Bauordnung 1976 auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

In ihrer Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, die Erweiterung des Restauranttraktes sei rechtswidrig, da ein bestehender Servitutsvertrag verletzt werde. Des weiteren sei das Verfahren wegen Befangenheit der Baubehörde (Anrainer, Miteigentümer und Baubehörde) rechtswidrig. Die in der Berufung angekündigte weitere Begründung durch einen Rechtsanwalt erfolgte nicht.

Die Berufung wurde mit dem Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Semmering vom 15. Mai 1991 als unbegründet abgewiesen. In der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Vorstellung wurde geltend gemacht, daß das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben mit dem unter GZ. 608/3/90 geführten Bauvorhaben eine Einheit bilde. Es sei die Errichtung einer Brücke genehmigt worden, die die Verbindung zu einem geplanten, jedoch nicht zur Genehmigung eingereichten Erweiterungsbau des Hotels Panhans herstellen soll. Die Brücke und die Aufzugsanlagen hätten daher in dem vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht genehmigt werden dürfen. Dies gelte auch für die vorgesehenen Aufzüge. Die Aufzüge, die Brücke und die Parkplätze seien nur für den Fall der Errichtung weiterer Häuser und eines Casinos erforderlich. Die zusätzlich geplanten Häuser seien jedoch nicht bewilligungsfähig. Die Aufzüge und die Brücke hätten daher mangels Zugehörigkeit zum Bauvorhaben und mangels Vorliegens der erforderlichen technischen Unterlagen nicht bewilligt werden dürfen. Beide derzeit anhängigen Bauverfahren wären als Großvorhaben zu sehen und gemäß § 99 Abs. 3 Nö Bauordnung 1976 gemeinsam zu verhandeln. Die Trennung dieser beiden Verfahren sei unzulässig. Diese Verfahrensführung diene nur dazu, Anrainereinwendungen zu erschweren. Weiters wären die Naturschutzbehörde und das Bundesdenkmalamt beizuziehen gewesen. Es bestehe auch ein Naheverhältnis zwischen der Gemeinde Semmering, deren Bürgermeister und der Bauwerberin bzw. dem Bauführer. Dieses Naheverhältnis ergebe sich einerseits aus der Miteigentümerschaft der Gemeinde Semmering am Appartementtrakt des Hotels und der möglicherweise bestehenden Beteiligung der Gemeinde Semmering an der Bauwerberin.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 4 Nö Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Gestaltung der Stützmauer nur dann ein Anrainerrecht darstelle, wenn hiebei eine Gefährdung für den Nachbarn eintrete. Eine solche Gefahr sei von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 4. März 1991 nicht geltend gemacht worden. Zu dem nach Auffassung der belangten Behörde allein aufrechterhaltenen Einwand betreffend die Fassadengestaltung und der daraus resultierenden Verletzung eines Servitutsvertrages stellte die belangte Behörde fest, daß Fragen des Orts- und Landschaftsbildes keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte darstellten und daß die Frage der Verletzung eines bestehenden Servitutsvertrages zutreffend auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden sei. Mit dem behaupteten Naheverhältnis zwischen der Gemeinde als Grundeigentümerin des Appartementtraktes und der Bauwerberin bzw. Bauführerin könne im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Befangenheit des Bürgermeisters abgeleitet werden. In bezug auf das übrige Vorbringen in der Vorstellung sei die Beschwerdeführerin als präkludiert anzusehen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf Parteiengehör und in ihren Anrainerrechten nach der Nö Bauordnung 1976 verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 9 Nö Bauordnung 1976 in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Stammfassung, LGBl. Nr. 8200-0, werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

  1. 1. den Brandschutz;
  2. 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
  3. 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
  4. 4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Gegenüber den bekannten Beteiligten, die gemäß § 41 Abs. 1 AVG persönlich von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zu verständigen sind, finden gemäß § 42 Abs. 1 und 2 AVG Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung und es wird angenommen, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen. Der Rüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe in bezug auf ihr Vorbringen in der Vorstellung zu Unrecht Präklusion angenommen, weil sie in der mündlichen Verhandlung auf diese Rechtsfolgen nicht ausdrücklich hingewiesen worden sei, kommt keine Berechtigung zu, da die Beschwerdeführerin, was für den Eintritt der dargelegten Präklusionsfolgen gemäß § 42 Abs. 2 AVG maßgeblich ist, in der Ladung zur Verhandlung auf die Präklusionsfolgen hingewiesen wurde.

Es ist auch nicht zutreffend, daß die Beschwerdeführerin die Einwendungen in der Vorstellung bereits im erstinstanzlichen Bauverfahren vorgetragen hat. Die Beschwerdeführerin hat im erstinstanzlichen Verfahren vielmehr ausschließlich die eingangs zitierten Einwendungen vom 4. März 1991 erhoben, die sich auf die künftige Ausformung des Hanges, die künftige Gestaltung der Oberflächen einerseits und auf die Fassadengestaltung und die daraus hervorgehende Entwertung des Appartements der Beschwerdeführerin bezogen.

Im Hinblick auf die Frage der Vollständigkeit von Planunterlagen kann der Nachbar nach der hg. Judikatur (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. September 1979, Zl. 575/79 und vom 4. April 1991, Zl. 88/05/0155, u.a.) nur geltend machen, daß solche Mängel vorliegen, durch die er außer Stande gesetzt sei, sich über die Art und den Umfang der Bauführung sowie über die Einflußnahme auf seine Rechte zu informieren. Der Nachbar besitzt jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, daß Planunterlagen in objektiver Hinsicht den gesetzlichen Forderungen völlig gerecht werden. Die im Akt einliegenden Planunterlagen ermöglichten aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes der Beschwerdeführerin, sich über die Art und den Umfang der Bauführung sowie über die Einflußnahme auf ihre Rechte zu informieren. Durch das Nichtvorliegen der technischen Unterlagen der Aufzugsanlagen kann die Beschwerdeführerin aber auch schon deshalb durch den angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt sein, da die Aufzugsanlagen - wie sich dies aus der Auflage Pkt. 8 des erstinstanzlichen Bescheides ergibt ("Für die Aufzugsanlagen sind unter Vorlage aller technischen Beilagen Bauansuchen einzubringen ... .") - nicht Gegenstand der vorliegenden Baubewilligung sind.

Sofern die Beschwerdeführerin die Errichtung der verfahrensgegenständlichen Brücke für unzulässig erachtet, weil die Aufteilung der Bauvorhaben nur dazu diene, "im gegenständlichen Verfahren ohne besonderes Aufsehen und insbesondere ohne Erwähnung des in Wahrheit geplanten Casinos, somit unter Angabe unrichtiger Tatsachen möglichst umfangreiche Baubewilligungen für das in Wahrheit geplante Bauvorhaben, nämlich die Errichtung eines Casinos samt der dafür erforderlichen Einrichtungen, zu erwirken", ist ihr entgegenzuhalten, daß sich aus der vorliegenden angefochtenen Baubewilligung verschiedener Zu- und Umbauten des Hotels der Erstmitbeteiligten keinerlei Rechtswirkungen für zukünftige Bauvorhaben ergeben. Es kommt daher in diesem Zusammenhang eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht in Betracht.

Es ergibt sich aber auch kein Anspruch des Nachbarn gemäß § 99 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung 1976, daß das verfahrensgegenständliche Bauverfahren mit dem Bauverfahren Zl. 608/3/90 gemeinsam mündlich hätte verhandelt werden müssen.

Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 11. Oktober 1971, Zl. 679/71) stellt das Unterbleiben eines Vergleichsversuches gemäß § 99 Abs. 4 Nö Bauordnung 1976 keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, da selbst dann, wenn die Verweisung einer privatrechtlichen Einwendung auf dem Zivilrechtsweg unterbleibt, ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Sofern die Beschwerdeführerin auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen Eingriff in die traditionelle Fassadengestaltung geltend macht und daß sie ihre Aussicht ins Grüne gegen eine Aussicht auf ein Kiesdach eintauschen müsse, steht ihr in dieser Hinsicht - wie dies die belangte Behörde zutreffend vertreten hat - kein Nachbarrecht zu, da Vorschriften betreffend schönheitliche Rücksichten eines Gebäudes ausschließlich im öffentlichen Interesse liegen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1954, Slg. Nr. 3600 A, und vom 5. Oktober 1970, Slg. Nr. 7873 A).

Was die Rüge der Beschwerdeführerin betrifft, daß der nunmehr unter ihrer Wohnung gelegene Eingang eine neue Lärmquelle darstelle, wird in der Beschwerde nicht dargelegt, daß dadurch eine das ortsübliche Maß im Sinne des § 62 Abs. 2 Nö Bauordnung 1976 übersteigende Lärmbelästigung der Nachbarschaft zu erwarten sei.

Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf die Befangenheit des Gemeinderates und des Bürgermeisters wegen eines nicht näher dargelegten angenommenen Naheverhältnisses zwischen der Gemeinde Semmering, dessen Bürgermeister, der Erstmitbeteiligten und der bauführenden Firma beruft, ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß Verfahrensmängel nur dann von Bedeutung sind, wenn sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlich sind, es also bei Vermeidung des Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht näher darlegt, ist das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels schon im Hinblick auf die rechtliche Unbedenklichkeit des angefochtenen Bescheides zu verneinen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. April 1990, Zl. 90/06/0011, und vom 22. Jänner 1952, Slg. Nr. 2422 A).

Da sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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