Normen
WRG 1959 §12;
WRG 1959 §121 Abs1;
WRG 1959 §12;
WRG 1959 §121 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) vom 11. Juli 1967 wurde der erstmitbeteiligten Partei gemäß den §§ 41, 98, 111, 112 und 117 WRG 1959 sowie nach den Bestimmungen des Gesetzes betreffend Vorkehrungen zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern ( Wildbach- und Lawinenverbauungsgesetz), RGBl. Nr. 117/1884, die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Lawinenablenkdammes südlich des südseitigen Ortsrandes von H. im Sinne des in diesem Bescheid festgehaltenen Befundes und nach Maßgabe des vorliegenden Projektes unter Einhaltung von Auflagen erteilt.
Punkt I.3. dieser Auflagen lautet:
"Der Damm ist, wenn möglich bis zum Talboden bzw. Talweg zu verlängern, um hier ein Ausbreiten der Lawine in Richtung Ortsrand zu verhindern. Die im Projekt enthaltene Aufschüttung des linksseitigen Talbodens unterhalb des Durchstiches sollte dabei nur in Verbindung mit der genannten Dammverlängerung und nur insoweit erfolgen, als es die Ausgestaltung als ausgeglichenen Längsprofiles erfordert."
Aufgrund der Zurückziehung der Berufung durch die zweitmitbeteiligte Partei erwuchs diesem Bescheid Rechtskraft.
Der Ablenkdamm wurde in der Folge auch teilweise auf dem Grundstück des Beschwerdeführers errichtet und mit Bescheid der BH vom 5. Dezember 1979 die Anlage unter gleichzeitiger Bewilligung von Abweichungen wasserrechtlich für überprüft erklärt. Die Einwendungen der zweitmitbeteiligten Partei insbesondere betreffend die Verlängerung des Lawinenablenkdammes bis zum Talboden wurden als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 3. März 1980 wurde der Überprüfungsbescheid der BH aufgrund einer Berufung der zweitmitbeteiligten Partei behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an die BH zurückverwiesen.
Mit Bescheid vom 24. August 1989 erklärte die BH neuerlich die Anlage unter gleichzeitiger Genehmigung der als "geringfügig" qualifizierten Abweichungen wasserrechtlich für überprüft und wies gemäß Punkt IV des Spruches die Einwendungen der zweitmitbeteiligten Partei betreffend die "nichtbescheidmäßige Ausführung des Lawinenablenkdammes" ab.
In der Begründung wurde insbesondere zur Nebenbestimmung des Punktes I.3. des Bewilligungsbescheides vom 11. Juli 1967 ausgeführt:
"Nach dem Projekt 1966, welches der Wasserrechtsbewilligung zugrunde liegt, war die Gesamtlänge des Dammes am Böschungsfuß mit 282 m vorgesehen. Tatsächlich wurde der Damm auf eine Länge von ca. 307 m ausgeführt, was einer Verlängerung des Dammes um ca. 25 m entspricht. Anschließend an das untere Dammende wurde eine Geländekorrektur auf eine Länge von ca. 20 m ausgeführt, die bis ca. 35 m oberhalb des "Auenweges" reicht. Dabei wurde das ursprüngliche, zum Ortsrand hinhängende Gelände und die Mulde östliche des Dammendes aufgefüllt und gleichzeitig der schwache Rücken südwestlich des Dammes etwas muldig abgetragen. Der Damm selbst endet ca. 60 m oberhalb des "Auenweges"."
Unter anderem begründete die BH die Abweisung der Einwendungen der zweitmitbeteiligten Partei wie folgt:
"Im übrigen wurde der Lawinenablenkdamm entgegen dem Einreichprojekt um ca. 25 m verlängert und der Damm auf eine Länge von rd. 307 m tatsächlich ausgeführt (geplant waren 282 m). Auch durch die muldige Ausbildung am unteren Dammende kam es zu einer Verbesserung der Lawinenbahn und damit zu einer Schutzerhöhung für "H.".
Die unter Spruchpunkt I./3. des Bewilligungsbescheides angesprochene "mögliche Verlängerung des Dammes bis zum Talboden bzw. Talweg" beinhaltet zwei "Möglichkeiten", nämlich die RECHTLICHE und die TATSÄCHLICHE Möglichkeit der Verlängerung. Der Amtssachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung stellte anläßlich der mündlichen Verhandlung fest, daß die Verlängerung des Lawinenablenkdammes bis zum "Auenweg" technisch sicherlich möglich war und immer noch technisch möglich ist. Eine rechtliche Möglichkeit durch den Bewilligungsbescheid bestand nicht, da die erforderlichen Dienstbarkeiten durch den Bescheid nicht eingeräumt wurden, da die Verlängerung des Lawinenablenkdammes u.a. den Einreichunterlagen widerspricht, die einen wesentlichen Bestandteil des Wasserrechtsbescheides bilden. Die Vorschreibung der Verlängerung des Dammes bis zum "Auenweg" ist anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 27.4.1967 erfolgt, zu einem Zeitpunkt also, an dem zahlreiche Parteien nicht mehr bei der Verhandlung anwesend waren."
Außerdem habe die erstmitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 13. Oktober 1988 um wasserrechtliche Bewilligung "zur Verlängerung" des Lawinenablenkdammes bei der BH angesucht. Über Beschluß des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei werde jedoch vorerst das Ergebnis der wasserrechtlichen Überprüfung des bereits ausgeführten Lawinenablenkdammes abgewartet. Weiters führte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz in ihrer Begründung aus:
"Die Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung sind übereinstimmend der Auffassung, daß durch dieses neue Projekt auf Verlängerung des Lawinenablenkdammes ein zusätzlicher (wenn auch nicht 100 %iger) Schutz für den Ortsteil "H." geschaffen werden kann. Das Projektsziel (Schutz gegen ähnliche Ereignisse wie 1962) wurde jedoch bereits durch die ausgeführte Anlage erreicht. Es wird Sache der Gemeinde T. sein zu entscheiden, den Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung weiterhin aufrecht zu erhalten oder zurückzuziehen."
Gegen diesen Bescheid berief die zweitmitbeteiligte Partei.
Die belangte Behörde holte ein ergänzendes fachtechnisches Gutachten eines weiteren Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung ein. Dieser führte unter anderem aus:
"Der Damm wurde lagemäßig an derselben Stelle errichtet, wie es im Projekt geplant war. Alle Einwände gegen eine nicht projektsgemäße Lage des Dammes gehen ins Leere, weil die Maßangaben mangels klar definierter Meßpunkte bzw. Meßlinien nicht überprüft werden können.
Gegenüber dem Projekt wurde der Damm nach talabwärts um rd. 40 m länger errichtet, was eine beträchtliche Verbesserung ist.
... Von der lawinen- und bautechnischen Sicht her wäre eine Verlängerung bis zum Talboden ohne Probleme möglich gewesen."
Im übrigen bestätigte dieser Amtssachverständige im wesentlichen die Gutachten der bisherigen Amtssachverständigen der Wasserrechtsbehörde und ergänzte sein Gutachten hinsichtlich der Gefährdungssituation für die zweitmitbeteiligte Partei bei einer allfälligen Dammverlängerung:
Bei einer Verlängerung des Dammes bis zur Straße sind die straßennahen Liegenschaftsbereiche (gemeint: der zweitmitbeteiligten Partei) nicht mehr lawinengefährdet. Die bachnahen Liegenschaftsbereiche sind sowohl von der Größe als auch von der Häufigkeit her nur mehr in sehr geringem Ausmaß betroffen, etwa im Sinn einer leichten Gelben Zone."
Außerdem sei es nach Ansicht dieses Amtssachverständigen "reale Tatsache", daß die Häuser oberhalb der Straße vor Fließlawinen geschützt seien, während sich für die Häuser unterhalb der Straße (so auch für das Anwesen der zweitmitbeiligten Partei) kein ausreichender Schutz, sondern nur eine Verbesserung ergeben habe.
Zur von der belangten Behörde für 26. Februar 1991 angeordneten mündlichen Verhandlung, bei der dieses ergänzende Gutachten erörtert wurde, wurden als Verfahrensparteien lediglich die erst- und zweitmitbeteiligte Partei geladen.
Mit dem angefochtenen Bescheid, der gleichfalls zunächst nur gegenüber der erst- und zweitmitbeteiligten Partei erlassen wurde, änderte die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 121 WRG 1959 den Spruch "hinsichtlich des talseitigen Endes des Lawinendammes" wie folgt ab:
"Es wird festgestellt, daß die ausgeführte Anlage (Projekt "Lawine H." - Errichtung eines Lawinenablenkdammes) hinsichtlich des talseitigen Endes mit der erteilten Bewilligung nicht übereinstimmt. Die festgestellten Abweichungen sind nicht geringfügig.
Es wird der Gemeinde T. der Auftrag erteilt, den dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustand herzustellen."
In der Begründung stellte die belangte Behörde unter anderem fest, daß entgegen der Nebenbestimmung I.3. des Bewilligungsbescheides der Damm talwärts um 40 m "gegenüber dem Projekt" verlängert, aber nicht bis zur Straße (= Beginn des Talbodens) "hinabgezogen" worden sei. Das talseitige Ende des Dammes würde auf jeden Fall vor den Grundstücken der zweitmitbeteiligten Partei enden, wie sich aus den einzelnen Lageplänen des Bewilligungsoperates, des Kollaudierungsoperates und des Einreichoperates zur Verlängerung des Dammes ergebe. Die zusätzliche Grundinanspruchnahme durch Errichtung der Entwässerungen sei nicht mehr als geringfügig anzusehen. Ein diesbezügliches Bewilligungsverfahren sei jedoch noch nicht durchgeführt worden. Von der BH sei daher noch ein entsprechendes wasserrechtliches Bewilligungsverfahren hinsichtlich des talseitigen Endes des Lawinenschutzdammes und insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Benützung von Grundstücken der zweitmitbeteiligten Partei durchzuführen.
Erst im Zuge des zuletzt erwähnten, von der BH ergänzend durchgeführten wasserrechtlichen Verfahrens wurde dem Beschwerdeführer die Existenz des angefochtenen Bescheides bekannt, woraufhin dieser als übergangene Partei die Zustellung dieses Bescheides begehrte. Dem wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 23. November 1992 entsprochen.
Mit der vorliegenden Beschwerde wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt; die zweitmitbeteiligte Partei beantragte in einer "Gegenäußerung" gleichfalls die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 hat sich unmittelbar nach erfolgter Ausführung einer nach diesem Bundesgesetz bewilligungspflichtigen Wasseranlage die zur Erteilung der Bewilligung in erster Instanz zuständige Wasserrechtsbehörde in einem nach den Bestimmungen der §§ 40 bis 44 AVG auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung, bei Trieb- und Stauwerken insbesondere auch von der richtigen und zweckmäßigen Setzung der Staumaße zu überzeugen, die Messungsergebnisse in der Verhandlungsschrift festzulegen, das Ergebnis dieser Überprüfungsverhandlung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung der dabei etwa wahrgenommenen Mängel in Abweichung zu veranlassen. Geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder femden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, können im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer gemäß § 12 WRG 1959 als Eigentümer des von der errichteten Anlage unmittelbar betroffenen Grundstückes Nr. 1597/1, KG T., dem Kollaudierungsverfahren vor der Wasserrechtsbehörde erster Instanz als Verfahrenspartei beigezogen wurde.
Im Beschwerdefall ist zunächst wesentlich, welchen Umfang der mit Bescheid vom 11. Juli 1967 bewilligte Lawinenablenkdamm hatte. Strittig ist die Frage, ob aufgrund der Nebenbestimmung des Punktes I.3. dieses Bescheides der Damm tatsächlich bis zum "Talboden bzw. Talweg" zu errichten gewesen wäre.
Unbestritten blieben in diesem Zusammenhang die vom Amtssachverständigen der belangten Behörde getroffenen ergänzenden Feststellungen, daß der Damm zwar um ca. 40 m länger als im seinerzeit eingereichten Projekt talabwärts ausgeführt wurde, jedoch in einer Entfernung von rd. 55 m vor dem sog. Talboden (bzw. Talweg) endet.
Die auslegungsbedürftige und nicht präzise Umschreibung, "der Damm ist, WENN MÖGLICH bis zum Talboden bzw. Talweg zu verlängern" zeigt an, daß die Bewilligungsbehörde offenbar selbst noch nicht über ein konkretes Projekt in verbindlicher Form absprechen wollte. Ausgeschlossen werden kann die von der belangten Behörde angenommene Auslegung, daß sich die Wendung "wenn möglich" auf die tatsächliche Möglichkeit der Projektsausführung beziehen sollte, geht doch insbesondere aus den Ausführungen der Amtssachverständigen unmißverständlich hervor, daß eine Verlängerung bis zum Talboden aus lawinen- und bautechnischer Sicht "ohne Probleme" möglich gewesen wäre.
Offenbar war jedoch gemeint, daß eine Verlängerung bis zum Talboden nur bei Vorliegen sämtlicher (insbesondere rechtlicher) Voraussetzungen vorgenommen werden soll. Daß die diesbezüglichen Voraussetzungen noch nicht gegeben waren, geht nicht zuletzt aus den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid hervor, wonach sie selbst ein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren "hinsichtlich des talseitigen Endes des Lawinenschutzdammes" sowie bezüglich der zusätzlichen "Berührung" der Grundstücke der zweitmitbeteiligten Partei für noch erforderlich erachtet. Diese Auslegung steht auch insofern mit der ursprünglich erteilten Bewilligung im Einklang, als das seinerzeit bei der Wasserrechtsbehörde eingereichte Projekt ein Dammende (laut Amtssachverständigen der belangten Behörde) in einer Entfernung von ca. 95 m vom Talboden vorsah und die erteilte Bewilligung gemäß Einleitungssatz zu Spruchpunkt I "nach Maßgabe des vorliegenden Projektes" erfolgte, also aufgrund des damals eingereichten Projektes die von der zweitmitbeteiligten Partei begehrte Verlängerung zum Talboden nicht mitumfaßte.
Wenn daher die belangte Behörde in Verkennung des Inhaltes von Spruchpunkt I.3. des Bewilligungsbescheides eine fehlende Übereinstimmung hinsichtlich des talseitigen Endes des errichteten Ablenkdammes mit der erteilten Bewilligung - insbesondere als nicht geringfügige Abweichung - im angefochtenen Bescheid feststellt, belastet sie diesen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, da für eine Dammverlängerung die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen fehlten. Es bestand daher auch kein rechtlicher Grund für eine ergänzende Auftragserteilung an die erstmitbeteiligte Partei, "den dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustand herzustellen".
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß im fortgesetzten Verfahren auch die Parteienrechte der übrigen, von der belangten Behörde ohne nähere Begründung im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigten Verfahrensparteien zu wahren sein werden.
Aus den dargestellten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
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