VwGH 90/10/0162

VwGH90/10/016227.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des B in K, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 1. August 1990, Zl. IIIa2-1360/2, betreffend Übertretung des Forstgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §174 Abs1 litb Z26;
ForstG 1975 §86;
ForstG 1975 §88 Abs4;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaldO Tir §38;
ForstG 1975 §174 Abs1 litb Z26;
ForstG 1975 §86;
ForstG 1975 §88 Abs4;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WaldO Tir §38;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 21. März 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe im Herbst 1989 bis März 1989 größere Mengen Holz in seiner Waldparzelle KG Sch. geschlägert, ohne die zur Fällung bewilligten Bestände nach ihrer forstlichen Zulässigkeit auszeigen zu lassen. Er habe hiedurch § 88 Abs. 4 FG verletzt. Es werde von der Verhängung einer Strafe abgesehen und gemäß § 21 VStG eine Ermahnung erteilt. Begründend wurde dargelegt, Erhebungen hätten ergeben, daß die forstliche Zulässigkeit der Schlägerung ohne Auszeige nur geringfügig überschritten worden sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er führte aus, er habe lediglich dürre, abgewipfelte und schon vor Jahren ausgezeigte Stämme entfernt. Zwar habe er 200 fm Holz zur Schlägerung bei der Forsttagsatzung angemeldet; er habe aber keinen einzigen gesunden Baum geschlägert. Im übrigen stünde ihm eine jährliche Freifällung von 25 fm zu. Er sehe keine Berührung zu § 88 Abs. 4 FG, der ja nur die bewilligungspflichtigen Fällungen behandle und nur dann eine Auszeigepflicht vorsehe, wenn eine Erforderlichkeit bestehe. Eine Erforderlichkeit bestehe aber nicht, weil nach einer amtlichen Schätzung aus dem Jahr 1989 ca. 2000 fm hiebreifes Holz (überalterter Bestand) in seinem Wald stünden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend wurde dargelegt, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid der Forsttagsatzungskommission für die Gemeinde Sch. vom 9. Februar 1989 die von ihm beantragte Fällung im Ausmaß von 200 fm unter der Auflage bewilligt worden, daß die Fällungen nur nach erfolgter Auszeige der zur Fällung bewilligten Bestände oder Stämme durch die hiefür zuständigen Forst- bzw. Forstaufsichtsorgane vorgenommen werden dürfen. Dieser Bescheid sei vom Beschwerdeführer nicht in Berufung gezogen worden und somit seit 24. Februar 1989 rechtskräftig. Auf Grund der im einzelnen dargelegten Beweisergebnisse stehe fest, daß Holzschlägerungen ohne vorherige Auszeige auch noch nach der Forsttagsatzung am 9. Februar 1989 stattgefunden hätten. Dies werde auch durch die Angaben des Beschwerdeführers bestätigt, mit denen er sich rechtfertigen wolle. Es sei nicht Sache des Beschwerdeführers gewesen, festzustellen, ob es sich bei den gefällten Bäumen um gesunde Bäume oder um Schadholz handle. Diese Auswahl sei nach der erteilten Auflage durch ein Forstaufsichtsorgan zu treffen gewesen. Ebensowenig zielführend sei der Hinweis des Beschwerdeführers, daß es sich um freie Fällungen gehandelt habe. Auch in diesem Fall wäre das zu schlägernde Holz auf Grund der erteilten Auflage auszuzeigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Berufung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 44a Z. 2 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses u. a. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten.

Es ist somit im Spruch jene Verbots- oder Gebotsnorm anzuführen, unter die die als erwiesen angenommene Tat zu subsumieren ist.

Im angefochtenen Bescheid wird - in Form der unveränderten Übernahme des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die Abweisung der Berufung - als erwiesen angenommen, der Beschwerdeführer habe "im Herbst 1988 bis März 1989 größere Mengen Holz auf seiner Waldparzelle KG Sch. geschlägert, ohne die zur Fällung bewilligten Bestände nach ihrer forstlichen Zulässigkeit auszeigen zu lassen"; hiedurch habe er § 88 Abs. 4 FG übertreten.

Der Tatvorwurf betrifft somit - kurz gefaßt - Fällungen ohne vorherige "Auszeige", das ist die Bezeichnung der Bestände oder Stämme, deren Fällung bewilligt wird, durch ein Forstorgan. Als übertretene Vorschrift kommt daher nur eine solche Norm in Betracht, die dem Beschwerdeführer die Verpflichtung auferlegte, Fällungen von Beständen oder Stämmen, die nicht in Form der "Auszeige" durch ein Forstorgan bezeichnet worden waren, zu unterlassen. Dem § 88 Abs. 4 FG, der vom angefochtenen Bescheid (alleine) als übertretene Vorschrift angeführt wird, ist ein solches Gebot nicht zu entnehmen.

Nach § 85 FG und § 37 der Tiroler Waldordnung, LGBl. Nr. 29/1979, bedürfen Fällungen in den dort angeführten Fällen einer Bewilligung. Die Fällungsbewilligung ist nach § 88 Abs. 1 FG zu erteilen, wenn ihr Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht entgegenstehen.

Nach § 88 Abs. 4 FG ist die Bewilligung erforderlichenfalls unter Bedingungen und Auflagen zu erteilen, die geeignet sind, eine den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechende Waldbehandlung zu gewährleisten (wie Vorschreibungen über die Wiederbewaldung oder über eine pflegliche Bringung des gefällten Holzes, die Anordnung von Forstschutzmaßnahmen oder der Auszeige der zur Fällung bewilligten Bestände oder Stämme durch ein Behördenorgan udgl.). Soweit die behördliche Auszeige vorgeschrieben wird, ist für diese der Waldhammer (§ 172 Abs. 7) zu verwenden.

Die letztzitierte Vorschrift räumt somit der Forstbehörde die Befugnis ein, die Fällungsbewilligungen mit Bedingungen und Auflagen, etwa jener der Anordnung der Auszeige der zur Fällung bewilligten Bestände oder Stämme durch ein Behördenorgan, zu versehen. Sie enthält jedoch kein konkretes, sich aus der Vorschrift selbst ergebendes und unmittelbar an den Normunterworfenen gerichtetes Gebot oder Verbot. Als Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, kommt § 88 Abs. 4 FG somit nicht in Betracht.

Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht auf richtige und vollständige Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift im Spruch des Straferkenntnisses; durch die (ausschließliche) Zitierung des nicht die verletzte Vorschrift darstellenden § 88 Abs. 4 FG hat die belangte Behörde ihren Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Hinzuweisen ist im vorliegenden Zusammenhang auf § 174 Abs. 1 lit. b Z. 26 FG, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer die in einer Fällungsbewilligung gemäß § 88 Abs. 3 und 4 erster Satz vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen nicht erfüllt. Auch diese Vorschrift enthält für sich alleine lediglich das allgemeine, keinen selbständigen konkreten Normcharakter aufweisende Gebot der Befolgung von Bedingungen und Auflagen, die in Fällungsbewilligungen vorgeschrieben werden. Selbst mit der Zitierung dieser Vorschrift wäre dem § 44a Z. 2 VStG somit nicht entsprochen worden; das im Einzelfall maßgebende konkrete Gebot bzw. Verbot kann sich im Falle des § 174 Abs. 1 lit. b Z. 26 FG nur aus der individuellen Norm, nämlich der der Fällungsbewilligung beigefügten Bedingung oder Auflage, ergeben. Eine vollständige Zitierung der verletzten Verwaltungsvorschrift hätte - ausgehend von der im angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat - somit einerseits die Anführung jenes Bescheides, aus dem sich die in Rede stehende Nebenbestimmung, die Bestände bzw. Stämme vor der Fällung auszeigen zu lassen, ergibt, als auch die Zitierung jener Vorschrift vorausgesetzt, aus der sich die Strafbarkeit eines Außerachtlassens der der Bewilligung beigefügten Nebenbestimmungen bei Gebrauchnahme von der Bewilligung ergibt (§ 174 Abs. 1 lit. b Z. 26 FG).

Dem ist hinzuzufügen, daß im Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz überhaupt nicht erörtert wurde, auf welcher Grundlage eine Verpflichtung des Beschwerdeführers anzunehmen wäre, Bestände bzw. Stämme, deren Fällung er beabsichtigte, auszeigen zu lassen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides findet sich zwar der Hinweis auf den Bescheid der Forsttagsatzungskommission vom 9. Februar 1989 und die damit dem Beschwerdeführer auferlegten Verpflichtungen. Im vorliegenden Zusammenhang wären aber in der Begründung des angefochtenen Bescheides Feststellungen darüber geboten gewesen, ob ein entsprechender Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer dem Rechtsbestand angehört. Die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten geben nicht vollständig Auskunft darüber, ob bei der Erlassung des Bescheides ein Fall des § 26 Tiroler Waldordnung vorlag und die dort normierten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden.

Dem ist hinzuzufügen, daß selbst auf der Grundlage einer Annahme, dem Beschwerdeführer sei mit einem - nach der Aktenlage jedenfalls nicht vor dem 9. Februar 1989 erlassenen, nach dem Inhalt der Bescheidbegründung am 24. Februar 1989 in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid eine "Auszeigeverpflichtung" auferlegt worden, nicht ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die belangte Behörde, die die Tatzeit mit "im Herbst 1988 bis März 1989" bezeichnete, für den vor der Erlassung des erwähnten Bescheides liegenden Zeitraum eine entsprechende Verpflichtung des Beschwerdeführers annahm.

Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, daß die Nebenbestimmung einer "Auszeigeverpflichtung", die einer räumlich auf den gesamten Waldbestand eines Waldeigentümers bezogenen, eine bestimmte (maximale) Holzmenge umfassende Fällungsbewilligung beigegeben wird, entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht sämtliche im betreffenden Waldbestand im zeitlichen Wirkungsbereich des Bescheides vorgenommenen Fällungen betrifft, ohne daß bestimmte Tatbestände oder Holzmengen - etwa die in § 86 FG oder § 38 Tiroler Waldordnung genannten - hievon ausgenommen wären. In den zuletzt genannten Vorschriften werden Ausnahmetatbestände bzw. Freigrenzen normiert; bei Zutreffen der dort normierten Tatbestandsmerkmale besteht keine Bewilligungspflicht. Dieser Vorschrift kommt hingegen nicht - wie dies der Beschwerde offenbar vorschwebt - die Wirkung zu, daß einer sämtliche Fällungen, die von einem bestimmten Waldeigentümer durchgeführt werden, betreffenden Nebenbestimmung einer Fällungsbewilligung im Umfang der Ausnahmetatbestände bzw. Freigrenzen derogiert wäre. Die erwähnten Vorschriften sind somit ohne Auswirkung auf den sachlichen Anwendungsbereich einer individuellen Norm, die in der Beifügung einer Nebenbestimmung zu einer Fällungsbewilligung besteht.

Bei der gegebenen Sachlage erübrigte es sich, auf die von der Beschwerde gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde vorgetragenen Bedenken einzugehen.

Im Hinblick auf den Verstoß gegen § 44a Z. 2 VStG war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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