VwGH 94/19/0277

VwGH94/19/027710.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth sowie die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde 1. des D in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BMI vom 5. Februar 1993, Zl. 4.323.189/2-III/13/92 und 2. der N in W, mit dem mj. Kind E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inners vom 5. Februar 1993, Zl. 4.323.189/3-III/13/92, beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der den Erstbeschwerdeführer betreffende angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Hingegen wird die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden vom 11. Februar 1992 und 28. April 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchltinge i.S.d. Flüchtlingskonvention sind.

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 5. Februar 1993 wurde ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern, einem türkischen Ehepaar, welches am 27. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist war, kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der ERSTBESCHWERDEFÜHRER hat anläßlich seiner am 3. Oktober 1991 erfolgten Ersteinvernahme angegeben, er sei türkischer Staatsbürger, sei seit 1984 Mitglied der PKK und habe diese Partei unterstützt, weil er kurdischer Abstammung sei. Er habe für die PKK Geld gespendet. Am 2. Mai 1991 sei er in Istanbul beim Anbringen von Plakaten gemeinsam mit drei anderen Freunden, die ebenfalls die PKK unterstützten, von der Polizei festgenommen, in ein Polizeikommissariat in Üsküdar gebracht und am darauf folgenden Tag dem Staatsanwalt zur "weiteren Behandlung" vorgeführt worden. Der Journalrichter von Üsküdar habe seine Inhaftierung angeordnet, weshalb er in weiterer Folge in das Gefängnis von Pasakapi in Istanbul eingeliefert worden sei. Von seinen drei ebenfalls festgenommenen Freunden wisse er nichts. Er selbst sei für drei Wochen eingesperrt, jedoch weder mißhandelt noch geschlagen worden. Ende Mai, es könne auch der 24. Mai 1991 gewesen sei, habe ein Anwalt seine Entlassung gegen eine Kaution von 8,5 Millionen Lira erwirken können, sodaß er bis zu Gerichtsverfahren auf freiem Fuße gewesen sei. Er habe dann aber erfahren, daß Personen, die die PKK unterstützten mit einer Haftstrafe zwischen acht und zehn Jahren zu rechnen hätten, außerdem würden die verurteilten Personen nachträglich von der Polizei mißhandelt, um sie zu weiteren Geständnissen zu zwingen. Da bei seiner Verhaftung in seiner Wohnungen auch mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt worden seien, bei denen seine Familie "hart angefaßt" worden sei, habe er auch seine Familie dazu bewogen, die Heimat zu verlassen.

Die belangte Behörde begründete ihre abweisliche Entscheidung im wesentlichen damit, nach dem eigenen Vorbringen des Erstbeschwerdeführers sei er Mitglied der kurdischen Arbeiterpartei PKK, einer Organisation, die sich in den letzten Jahren wiederholt zu öffentlichen Anschlägen gegen militärische und sicherheitsbehördliche aber auch zivile Einrichtungen bekannt habe; er habe durch Geldmittel und Propaganda diese Partei unterstützt, woraufhin ein behördliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei, was jedoch eine "Verfolgung" wegen krimineller Handlungen und nicht wegen der politischen Gesinnung darstelle, "wäre doch auch jemand, der ohne oder mit anderer Gesinnung, beispielsweise gegen Entgelt", in der behaupteten Weise die PKK unterstützt hätte, den selben "Persekutionshandlungen" von seiten der türkischen Behörde ausgesetzt gewesen. Setze ein Staat Handlungen oder verfolge er Personen aus Motiven, die auch in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als legitim angesehen würden, könne nicht die Rede davon sein, daß in diesem Fall etwa "politische Verfolgung" stattfinde. Die Bekämpfung des Terrorismus könne sich auch nicht nur gegen die Deliktsbegehungsform der unmittelbaren Täterschaft richten, sondern auch gegen "flankierende Handlungen", ja selbst bloßes "Sympathisieren und öffentliches Verharmlosen" des Terrorismus. Etwa "vorkommende Schärfen bei der Aufklärung und bei Strafen gerichtlich strafbarer Handlungen hielten sich im Rahmen der Verbrechungsbekämpfung und könnten als solche nicht den Mangel des Vorliegens eines Konventionsgrundes substituieren".

Der Erstbeschwerdeführer legt das Hauptgewicht seiner Ausführungen darauf, daß er wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt worden sei und aus diesem Grunde auch eine weitere Verfolgung zu befürchten habe. Insbesondere verweist er auf den Umstand, daß er ausschließlich unterstützend tätig gewesen sei und unmittelbarer Anlaß seiner Inhaftierung bloß das Anbringen von Plakaten gewesen sei, eine Tat, die, wäre sie in Österreich ohne vorherige behördliche Genehmigung gesetzt worden, allenfalls eine Verwaltungsstrafe nach sich gezogen hätte. Ganz allgemein wendet er sich auch mit Recht gegen die von der belangten Behörde vorgebrachte Argumentation, der Erstbeschwerdeführer habe nach seinem eigenen Vorbringen die PKK, ihrer Meinung nach eine "notorisch mit Mord und Brandschatzung vorgehende Bande", durch - wenn auch untergeordnete Tätigkeit - unterstützt, woraus sie in der Folge zusammenfassend abgeleitet habe, daß die vom Erstbeschwerdeführer behauptete, darauf zurückzuführende Verfolgung wegen krimineller Handlungen seinerseits und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt sei.

Die belangte Behörde hat - wie bereits in unter anderem auch den Erkenntnissen vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703 und vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0945 zugrundeliegenden Beschwerdefällen, auf deren nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - zu den vom Erstbeschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgründen keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und keine entsprechenden Feststellungen getroffen, wobei auch im vorliegenden Beschwerdefall zu bemerken ist, daß sie den in § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 (Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Ausschließungsgrund ohnedies nicht herangezogen hat.

Da somit die von der belangten Behörde allein auf die Ablehnung der Zuordenbarkeit des Beschwerdeführers zur PKK gestützte Argumentation vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird, aus dem Vorbringen des Erstbeschwerdeführers jedoch nicht von vornherein auf das Nichtvorliegen asylrechtlich relevanter Verfolgungsgefahr geschlossen werden kann, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Hingegen erweist sich der die ZWEITBESCHWERDEFÜHRERIN betreffende Bescheid als frei von Rechtswidrigkeit, weil von ihr lediglich Umstände vorgebracht wurden, die ihren Ehegatten (den Erstbeschwerdeführer) betreffen, nicht aber sie selbst. Die anläßlich ihrer Ersteinvernahme am 26. September 1991 erwähnten Tatsachen, es hätten nach der Inhaftierung ihres Ehegatten im Juli 1991 drei Hausdurchsuchungen in der gemeinsamen Wohnung stattgefunden, anläßlich derer sie selbst von Polizisten angeschrieen und beschimpft worden sei, ihre Unterstützung der PKK sei auch in der Nachbarschaft bekannt geworden, was zur Folge gehabt habe, daß sie gemieden worden sei und daß die Kinder Schwierigkeiten in der Schule bekommen hätten, stellen mangels ausreichender Intensität der gegen sie gesetzten behördlichen Aktivitäten keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin als für die Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht geeignet erachtet und die Gewährung von Asyl verweigert hat.

Hingewiesen sei jedoch auf die Möglichkeit der Zweitbeschwerdeführerin, gemäß § 4 Asylgesetz 1991 die Ausdehnung des allenfalls ihrem Ehegatten gewährten Asyls auf sich und ihr Kind zu beantragen.

Die sohin unbegründete Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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