VwGH 94/19/0276

VwGH94/19/027610.3.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1993, Zl. 4.329.561/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 5. Oktober 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer, eine ghanesischer Staatsangehöriger, der am 26. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 28. November 1991 den Asylantrag gestellt hat, nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung am 4. Juni 1992 bei der Bundespolizeidirektion in Graz angegeben, bis zum Jahre 1985 in seiner Heimat keinerlei Probleme gehabt zu haben. Ab diesem Zeitpunkt sei er Mitglied der ghanesischen Demokratiebewegung "Ghana Democratic Movement" (GDM) geworden. Seine Aufgabe sei es gewesen, die Bevölkerung aufzuklären, Versammlungen zu organisieren bzw. Flugzettel zu verteilen. Das Ziel dieser Bewegung sei es, in Ghana die Demokratie, das heißt die "richtige Demokratie" einzuführen. Die von der Regierung praktizierte Demokratie sei keine aufrichtige, da es in Ghana noch heute viele politische Gefangene gäbe. Am 18. Juni 1991 sei er von Regierungstruppen kontrolliert worden, wobei bei ihm Propagandamaterial sichergestellt worden sei. Er sei daraufhin festgenommen worden und ohne Gerichtsverhandlung bis 13. November 1991 in den sogenannten "Gonda Barracks", einem Militärlager, inhaftiert gewesen. Während dieser Zeit sei er ständig verhört, mit Füßen getreten, mit Fäusten und Gewehrkolben geschlagen worden, sodaß er von diesen Mißhandlungen auch eine Narbe auf der Stirn zurückbehalten habe. Bei diesen Verhören sei er so schwer verletzt worden, daß er 34 Tage in einem Spital habe verbringen müssen. Dann sei er in die "Gonda Barracks" rücküberstellt worden. Am 11. November 1991 sei ein hochrangiger Offizier in seine Zelle gekommen und habe ihm mitgeteilt, daß er ihm über Intervention eines Onkels des Beschwerdeführers zur Flucht verhelfen würde. Am 13. November 1991 sei dieser Offizier in Begleitung von zwei weiteren Militärs zurückgekommen und habe ihn in eine andere Zelle gebracht, wo er dem Beschwerdeführer eine Militäruniform übergeben habe, sodaß die Möglichkeit gegeben gewesen sei, das Lager ungehindert zu verlassen.

Überdies legte der Beschwerdeführer als Beweismittel seine Mitgliedskarte beim GDM mit der Mitgliedskarten-Nr. 3488, einen Artikel im "Pioneer" vom 6. Juni 1991, einen undatierten Antrag auf Mitgliedschaft an die GDM in London, einen AI-Bericht vom 18. September 1991 sowie eine Häftlingsliste in Übersetzung bzw. Kopie vor. In der gegen den Bescheid der ersten Instanz gerichteten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer seine Angaben in erster Instanz.

Im angefochtenen Bescheid bezweifelt die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit dieser Angaben sowohl hinsichtlich der behaupteten Parteimitgliedschaft, der daraus resultierenden Verhaftung sowie der erfolgten Befreiung des Beschwerdeführers durch einen "hochrangigen Offizier". Insoweit nun der Beschwerdeführer die Würdigung dieses Vorbringens im angefochtenen Bescheid bekämpft, ist ihm zu entgegen, daß den durchaus schlüssig dargelegten Argumenten der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann.

Die belangte Behörde kam aufgrund der Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, unter Einschluß nicht nur der Einvernahme des Beschwerdeführers, sondern auch der von ihm vorgelegten Urkunden, zu der Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der von ihm behaupteten Verfolgung weder Mitglied der GDM, noch wegen dieser Mitgliedschaft inhaftiert gewesen und auch aus dieser Haft nicht auf die von ihm geschilderte Art und Weise befreit worden.

Der Beschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Die Ausführungen der belangten Behörde zur Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Zusammenhalt mit den von ihm vorgelegten Urkunden als unglaubwürdig vermögen nicht zu überzeugen. Der belangten Behörde ist zwar zuzugeben, daß nicht erkennbar ist, welche Beweiskraft die vom Beschwerdeführer vorgelegte Häftlingsliste, auf der er selbst nicht aufscheint, oder der Artikel im "Pionieer" vom 6. Juni 1991 haben sollen, da auch daraus eine Bezugnahme auf den Beschwerdeführer selbst nicht zu entnehmen ist, doch kann ihm aus der Vorlage der - undatierten - Mitgliedskarte bei der Ghana Democratic Movement (GDM), die im übrigen bei seiner Einreise in Österreich bereits vorhanden war, und seines Antrages auf die Aufnahme in die Exilbewegung dieser Organisation kein Nachteil erwachsen, da diese Urkunden die Richtigkeit seiner Darstellungen anläßlich seiner Ersteinvernahme, insbesondere aber über seine Inhaftierung und Flucht, nicht zu widerlegen vermögen. Soweit die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers "eher geringe Glaubwürdigkeit" beimißt, weil er "auf den für Schlepperorganisationen typischen Wegen und mit dem in diesen Fällen zu beobachtenden formularmäßigen Vorbringen" nach Österreich eingereist sei, ist ihr zu entgegnen, daß aus der Einreise eines Asylwerbers unter Zuhilfenahme einer "Schlepperorganisation" allein kein Schluß auf die Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines solchen Asylwerbers gezogen werden kann. Auch kann der Inhalt des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht als "formularmäßig" bezeichnet werden. Die daran geknüpfte Schlußfolgerung auf die Unschlüssigkeit des Vorbringens erweist sich daher als unzulässig.

Insoweit die belangte Behörde Zweifel an der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer gemachten Angaben über die näheren Umstände seiner Flucht äußert und daraus seine Unglaubwürdigkeit ableitet, ist ihr unter Bedachtnahme auf die nicht mit europäischen Maßstäben zu messenden Verhältnisse in afrikanischen Ländern entgegenzuhalten, daß die laut Angabe des Beschwerdeführers über Intervention seines Onkels durchgeführte Befreiungsaktion nicht von vornherein jeglicher Wahrscheinlichkeit entbehrt. Feststellungen, die die geschilderten Vorgänge ausschließen würden, hat die belangte Behörde aber nicht getroffen.

Bereits aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auch gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensverletzungen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen der Beschwerde erübrigt sich daher bereits aus diesem Grund.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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