VwGH 94/19/0063

VwGH94/19/006319.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. November 1992, Zl. 4.338.573/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Benins, hat am 14. Mai 1992 den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 12. Juni 1992 gab er im wesentlichen an, bis 1973 in seinem Heimatland, danach in Togo, Deutschland und von 1983 bis 1990 in Österreich gelebt zu haben. Aus Österreich sei er 1990 wieder in seinen Heimatstaat abgeschoben worden. Dort sei er weder aus rassischen oder religiösen noch politischen Gründen verfolgt worden. Während seines Aufenthaltes in Österreich habe er dem Bundesministeriums für Inneres Informationen hinsichtlich Suchtgift zukommen lassen. Er sei allerdings auch mehrfach wegen Suchtgiftdelikten verhaftet und gerichtlich verurteilt worden. Offenbar deshalb sei er in seiner Heimat von der Killertruppe eines "Suchtgiftbosses", der seinerseits wieder einer internationalen Suchtgiftorganisation angehöre, verfolgt worden. Er, der Beschwerdeführer, sei jedoch durch seinen Bruder gewarnt, in das Landesinnere geflohen. Dort habe er einen Kinderschutzverein gegen Suchtgiftmißbrauch und -handel gegründet, der nach einem halben Jahr dann auch von den Behörden genehmigt worden sei. Die humanitären Unternehmungen des Beschwerdeführers seien jedoch durch die Behörden und die Politiker, die großteils in Suchtgiftgeschäfte verwickelt gewesen seien, behindert und gestört worden. Auch habe der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Drohungen erhalten. Am 6. Jänner 1992 seien dann wieder Leute des bereits erwähnten "Suchtgiftbosses" im Elternhaus des Beschwerdeführers erschienen, doch hätten seine Eltern seine Anwesenheit verleugnet. Der Beschwerdeführer habe jedoch am nächsten Tag flüchten müssen. Er sei auch von der "marxistisch-leninistischen Suchtgiftorganisation", die mit dem "Suchtgiftboß" zusammenarbeite, mit Mord bedroht worden. Hieraufhin habe sich der Beschwerdeführer mit einem Brief an den Innenminister von Benin gewandt, diesem seine Gründe für die Angst vor der Verfolgung durch in Rauschgiftgeschäfte verwickelte Personen dargelegt und um Schutz gebeten. Diesen Brief habe er am 9. April 1992 geschrieben und abgesandt. Zu diesem Zeitpunkt sei er auch schon festen Willens gewesen, seine Heimat zu verlassen und nach Österreich zu gehen. Am 13. April 1992 sei er schließlich aus Benin ausgereist.

Mit Bescheid vom 16. Juni 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In seiner dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer auf seine erstinstanzlichen Angaben sowie darauf, daß er bereits in Österreich Morddrohungen einer "Heroinbande" ausgesetzt gewesen sei. Für dieses letztere Vorbringen bot er auch Beweismittel an. In seiner Heimat sei er von den Behörden trotz seiner Aufforderung nicht geschützt worden.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verfolgungen und Bedrohungen seien asylrechtlich nicht relevant, da sie nicht aus den in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründen erfolgt seien. Überdies gingen die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfolgungen im wesentlichen von privaten Suchtgiftorganisationen aus; die bloße Nichtbeantwortung seines Schreibens an den Innenminister von Benin sei in diesem Zusammenhang kein hinreichendes Indiz dafür, daß dem Beschwerdeführer sein Heimatland keinen Schutz gewährt hätte, da dieser schon vier Tage nach Absendung des Schreibens sein Heimatland verlassen habe. Ein konkreter Versuch des Beschwerdeführers, Hilfe durch die staatlichen Behörden seines Heimatlandes zu erhalten, werde aber sonst nicht behauptet. Die bloße Vermutung, daß die Behörden und Politiker in Benin tatsächlich in Suchtgiftgeschäfte verwickelt seien und deshalb keine Hilfe von staatlicher Stelle zu erwarten sei, sei überdies auch deshalb unglaubwürdig, da es dem Beschwerdeführer immerhin nach seinen Angaben möglich gewesen sei, einen Verein gegen Suchtgiftmißbrauch mit behördlicher Genehmigung zu gründen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das AsylG 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber angesichts der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides erst nach dem 1. Juni 1992 - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nicht zu. Dies führt aber noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint hat; diese Bestimmung führte aber zu keiner inhaltlichen Änderung gegenüber dem nach § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff. Auch danach ist Flüchtling nur eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Wie die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt hat, können demnach Ereignisse in Österreich (wie etwa die von ihm behauptete Tätigkeit für das Bundesministerium für Inneres im Rahmen der Suchtgiftfahndung und die hieraus resultierende Bedrohung) vor der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat nicht zur Geltendmachung der Flüchtlingseigenschaft herangezogen werden. Aus diesem Grunde bedurfte es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch nicht der Aufnahme der von ihm im Berufungsverfahren angebotenen Beweismittel.

Aber auch die Ereignisse im Heimatland des Beschwerdeführers können nicht zur Asylgewährung führen, da aus ihnen keine Verfolgung des Beschwerdeführers aus einem der eben genannten Gründe ersichtlich ist. Die Verfolgung durch "Rauschgiftbanden" läßt in dem vom Beschwerdeführer geschilderten Zusammenhang keinerlei Verbindung zu einem der Fluchtgründe der Genfer Konvention erkennen.

Soweit der Beschwerdeführer davon ausgeht, daß er keinen Schutz durch die staatlichen Behörden seines Heimatlandes zu erwarten gehabt hätte, steht dies im Widerspruch zu seinem aktenkundigen Verhalten. Er selbst hat zwar angegeben, sich an den Innenminister Benins um Hilfe gewandt zu haben, zutreffend hat jedoch die belangte Behörde in diesem Zusammenhang festgehalten, daß der Zeitraum zwischen Absenden dieses Briefes und der Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland zu kurz ist, daß daraus auf die Erfolglosigkeit der Bemühung des Beschwerdeführers, Schutz zu erhalten, geschlossen werden könnte. Welche "lebensgefährlichen Bedrohungen, die von hohen politischen Stellen ausgehen" - wie in der Beschwerde angegeben - die belangte Behörde hier nicht erkannt haben sollte, ist weiter nicht erfindlich. Ebensowenig ist erkennbar, was allgemeine Erhebungen über die politische Situation in Benin an entscheidungswesentlichen Ergebnissen erbracht hätten. Daß der Beschwerdeführer durch seine soziale Tätigkeit gegen den Drogenmißbrauch "sozusagen "politisch geächtet"" gewesen wäre, ist eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachte Neuerung und schon deshalb unbeachtlich (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) nicht entnehmen.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte