VwGH 94/18/0605

VwGH94/18/060529.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Juni 1994, Zl. SD 652/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §17 Abs1;
AVG §46;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §17 Abs1;
AVG §46;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Juni 1994 wurde gemäß § 54 Fremdengesetz (FrG) festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, in seinem Heimatstaat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 leg. cit. bedroht sei.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde einleitend aus, im Rahmen eines Verfahrens über einen Antrag nach § 54 FrG stelle das Vorbringen des Antragstellers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Ihm obliege es, alles Zweckdienliche vorzubringen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 FrG prüfen zu können. Als glaubwürdig könnten Angaben im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Antragsteller Tatsachen, die seiner Ansicht nach seine Bedrohung im Sinne des § 37 leg. cit. gegeben erscheinen ließen, im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder widersprüchlich darstelle, wenn seine Ausführungen mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheindlich seien oder wenn er maßgebliche Sachverhalte erst sehr spät im Laufe des Verfahrens nach § 54 FrG oder des Asylverfahrens vorbringe.

Der Beschwerdeführer habe im Asylverfahren und zunächst auch vor der Erstbehörde angegeben, Mitglied einer Jugendorganisation (YOUTH-Organisation) gewesen zu sein, die sich gegen die Regierung gestellt habe. Anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 26. Mai 1994 habe er diese Angaben revidiert und ausdrücklich erklärt, daß diese Organisation keine politische Rolle gespielt und sich ihre Tätigkeit auf rein administrative Belange zugunsten der Jugend beschränkt habe. Seine nunmehrige Erklärung, dies sei auf die unrichtige Übersetzung durch die beigezogene Dolmetscherin zurückzuführen, überzeuge nicht, weil es der Lebenserfahrung widerspreche, daß ausgerechnet diese Passage, die sich für den Beschwerdeführer als ungünstig erweise, unrichtig übersetzt worden sein soll.

Das aktive Eintreten für eine (politische) Organisation sei nur dann glaubwürdig, wenn der Betreffende hinreichende Kenntnisse über die Zielsetzungen, örtliche Struktur und Arbeitsweise dieser Organisation nachweise und seinen Beitritt, seine Motive und Tätigkeiten für diese Organisation im Einzelnen in zeitlich und örtlich nachvollziebarem Zusammenhang darlege und diese Angaben durch seine persönliche Glaubwürdigkeit untermauere. Die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers beschränkten sich auf die Behauptung, Mitglied bzw. Anführer einer Jugendorganisation gewesen zu sein. Die Mitgliedschaft bei der Jugendorganisation sei - unabhängig davon, ob die Tätigkeit dieser Organisation nun politisch motiviert gewesen sei oder nicht - nicht geeignet, die persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinne des § 37 FrG glaubhaft erscheinen zu lassen. Dasselbe gelte für seinen Hinweis, daß Regierungsbeamte eine Lieferung von Stoffen, die dem Beschwerdeführer gehört hätten, beschlagnahmt hätten, weil der Beschwerdeführer verdächtigt worden sei, illegale Waffentransporte durchzuführen. Dieses Vorbringen gründe sich lediglich auf Vermutungen des Beschwerdeführers, ohne daß er konkrete Verfolgungsmaßnahmen der staatlichen Behörden seines Heimatlandes darzulegen vermöge. In diesem Zusammenhang sei auch der Umstand bemerkenswert, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1989 ohne Schwierigkeiten einen Reisepaß ausgestellt erhalten habe und daß es ihm auch gelungen sei, völlig legal mit diesem Reisedokument aus seinem Heimatstaat auszureisen.

Der Beschwerdeführer habe zudem über seinen Fluchtweg widersprüchliche Angaben gemacht. Während er im Asylverfahren angegeben habe, nach Verlassen seines Heimatlandes fünf Tage lang in Liberia bei einem Freund gewohnt zu haben, habe er vor der Erstbehörde angegeben, lediglich einen Tag lang bei diesem Mann gewesen zu sein. Wenn er nunmehr diese Diskrepanz damit erkläre, daß er sich aufgrund der langen Zeit nicht mehr genau erinnern könne, müsse dies auch für seine anderen Behauptungen gelten.

Der Beschwerdeführer habe demnach konkrete Verfolgungshandlungen nicht darlegen können. Seine bloße Behauptung, in seinem Heimatstaat mit Haft oder sogar mit dem Tode rechnen zu müssen, sei nicht glaubwürdig. Es bestünden demnach keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich damit begnügt, auf das Asylverfahren zu verweisen, ist nicht berechtigt. Wie der oben im wesentlichen wiedergegebenen Bescheidbegründung zu entnehmen ist, hat die belangte Behörde dargelegt, aus welchen Erwägungen sie keine stichhaltigen Gründe für die Annahme gesehen habe, der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatstaat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht. Wenn sie dabei auch auf Aussagen des Beschwerdeführers, die dieser im Asylverfahren abgelegt hat, hingewiesen hat, begegnet dies schon aufgrund des im § 46 AVG normierten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel keinen Bedenken (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0337, mwN.). Im Hinblick darauf, daß im Asylverfahren die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen war (§ 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) und auch § 37 Abs. 2 FrG auf die Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus diesen Gründen abstellt, war die Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens naheliegend (siehe auch dazu das oben zitierte Erkenntnis vom 21. Juli 1994). Von einer Bindung an im Asylverfahren ergangene Bescheide ist die belangte Behörde, wie ihre Bescheidbegründung zeigt, nicht ausgegangen, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde ins Leere gehen. Daß die belangte Behörde zum Teil dieselben Erwägungen angestellt hat wie der Bundesminister für Inneres in dem im Asylverfahren ergangenen Bescheid, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Bescheidbegründung.

2. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung widerspricht nicht den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung und ist demnach schlüssig. Daß sich der Beschwerdeführer, wie er in der Beschwerde behauptet, an seinen Fluchtweg nicht mehr genau erinnern kann, mag zutreffen, spricht allerdings nicht für seine Glaubwürdigkeit. Der vom Beschwerdeführer vermißten Beiziehung eines gerichtlich beeideten Dolmetschers bedurfte es bei der Vernehmung des Beschwerdeführers nicht. Gemäß § 39a AVG genügte die Beiziehung des Amtsdolmetschers.

Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer von Behörden seines Heimatstaates einen Paß ausgestellt erhielt und ungehindert ausreisen konnte, schließt zwar im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Möglichkeit wenig intensiver Grenzkontrollen bei der Ausreise aus seinem Heimatstaat eine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG nicht aus, macht eine derartige Bedrohung aber auch nicht wahrscheinlich.

3.1 Der vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrüge, ihm sei entgegen § 45 Abs. 3 AVG keine Gelegenheit gegeben worden, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, ist nicht zu entnehmen, welche konkreten Ergebnisse von Beweisaufnahmen der Beschwerdeführer meint. Soweit er das Unterbleiben von Beweisaufnahmen rügt, kann aufgrund seiner Ausführungen mangels näherer Konkretisierung nicht erkannt werden, welche konkreten Beweise die belangte Behörde hätte aufnehmen sollen, welche konkreten Feststellungen sie aufgrund dieser Beweise hätte treffen und inwieweit sie dadurch zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Verfahrensrüge ist daher insoweit nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt worden.

3.2 Wenn der Beschwerdeführer schließlich als Verfahrensmangel rügt, sein Vertreter habe die ihm zugesagte Aktenabschrift bisher nicht erhalten, ist ihm zu erwidern, daß das Gesetz (§ 17 Abs. 1 AVG) kein Recht auf Übersendung von Aktenabschriften einräumt. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Im übrigen hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, inwieweit der von ihm behauptete Verfahrensmangel für den Ausgang des Verfahrens von Bedeutung gewesen sein soll.

4. Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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