Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 8. Februar 1994 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) den von ihr dem Beschwerdeführer, einem jugoslawischen Staatsangehörigen, am 24. September 1992 erteilten unbefristeten Sichtvermerk gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, für ungültig.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer am 6. Oktober 1993 vom LG für Strafsachen Wien wegen § 114 ASVG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt worden sei. Es sei damit nachträglich ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund bekannt geworden, der in jedem Fall zu einer Versagung des erteilten Sichtvermerkes geführt hätte. Aufgrund der besagten strafbaren Handlung müßten die öffentlichen Interessen höher gewertet werden als die privaten Interessen des Beschwerdeführers.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen würden.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
2.1. Die Beschwerde hält die Ansicht der belangten Behörde, eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 114 ASVG würde per se die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden, für unrichtig.
2.2. Dafür, ob der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht ist, ist nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung (oder einer rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafung) wesentlich, sondern, ob das (gesamte) Verhalten des Fremden die in der genannten Bestimmung umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0021, mwN).
Mit dem Beschwerdeführer ist zunächst festzuhalten, daß Verstöße gegen die Vorschriften über die Einbehaltung und Einzahlung der Beiträge zur Sozialversicherung eines Dienstnehmers durch den Dienstgeber (§ 114 ASVG) jedenfalls nicht bewirken, daß der Aufenthalt eines Sichtvermerkswerbers, dem eine solche Gesetzesverletzung zur Last liegt, die öffentliche Ruhe oder Sicherheit gefährden würde. Was aber die mögliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch einen derartigen Verstoß anlangt, so hat es die belangte Behörde verabsäumt, die konkrete Tat, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt wurde, festzustellen - was allein sie in die Lage versetzt hätte, in rechtlich einwandfreier Weise zu der Beurteilung zu gelangen, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung in einer im Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG relevanten Weise gefährden würde. Der Sachverhalt ist demnach in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
3. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Der Gerichtshof sieht sich im übrigen noch zu dem Hinweis veranlaßt, daß auch dann, wenn von der belangten Behörde auf der Basis ausreichender Sachverhaltsfeststellungen das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers in unbedenklicher Weise bejaht worden wäre, der bekämpfte Bescheid mangels Nachvollziehbarkeit der Interessenabwägung (bei der völlig offen blieb, welche privaten Interessen der Abwägung zugrunde gelegt wurden) aufzuheben gewesen wäre.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von
S 390,-- (Eingabegebühr S 360,--, Beilagegebühr S 30,--) zu entrichten waren.
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