VwGH 94/12/0141

VwGH94/12/014114.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde der Dr. C in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 12. April 1994, Zl. 515.843/1-7/94, betreffend Zurückweisung eines Antrages in Angelegenheiten Anrechnung von Ruhegenußvordienstzeiten wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
PG 1965 §53 Abs3 litc;
PG 1965 §53 Abs4;
PG 1965 §53;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
PG 1965 §53 Abs3 litc;
PG 1965 §53 Abs4;
PG 1965 §53;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Landesarbeitsamt XY.

Aus Anlaß der Ermittlung ihrer Ruhegenußvordienstzeiten beantragte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 8. August 1990 die "Anrechnung des Zeitraumes vom 01.05.1986 bis 31.07.1987 (Zeit der Selbstversicherung gemäß § 18 ASVG 1955) als Ruhegenußvordienstzeit gemäß § 53 Abs. 3 lit. c Pensionsgesetz 1965" (Zeit einer behördlichen Beschränkung der Freiheit oder der Erwerbstätigkeit), weil sie sich in dieser Zeit ausschließlich der Pflege und Erziehung ihrer minderjährigen Tochter gewidmet habe, die seit Geburt an Neurodermitis und Asthma bronchiale leide, weshalb deren Pflege einen bedeutenden Mehraufwand darstelle, sodaß sie vorübergehend ihre bisherige Erwerbstätigkeit habe aufgeben müssen (wurde eingehend näher ausgeführt).

Mit Bescheid vom 23. November 1990 hat die Behörde diesbezüglich wie folgt entschieden:

"Ihr Antrag von 8.8.1990, mit dem Sie die Anrechnung des Zeitraumes von 1.5.1986 bis 31.7.1987 als Ruhegenußvordienstzeit gem. § 53 Abs. 3 lit. c des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, begehrten, wird gemäß dieser Gesetzesstelle iVm § 1 Abs. 1 Z. 29 der Dienstrechtsverfahrensordnung 1981, BGBl. Nr. 162, abgewiesen".

Begründet wurde dies damit, daß der gesetzliche Tatbestand des § 53 Abs. 3 lit. c PG 1965 nicht erfüllt sei.

Mit (gesondertem) Bescheid vom selben Tage wurden der Beschwerdeführerin verschiedene Zeiten, die zwischen der Vollendung ihres 18. Lebensjahres, dem 17. Dezember 1971, und dem Tag des Beginnes ihrer ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit lagen, als Ruhegenußvordienstzeiten teils unbedingt, teils bedingt angerechnet. Die strittige Zeit findet sich nicht in der Aufzählung. Festzuhalten ist, daß dieser Bescheid auch keinen Ausspruch dahin enthält, daß andere als die angerechneten Zeiten nicht angerechnet würden.

Der letzte Absatz dieses Berufungsbescheides lautet:

"Da eine Anrechnung der Zeiten der freiwilligen Weiterversicherung gemäß § 53 Abs. 3 lit. c PG 1965 nicht möglich war und diese Zeiten auch keinem anderen Anrechnungstatbestand des § 53 Abs. 2 und Abs. 3 PG 1965 unterstellt werden konnten, war spruchgemäß zu entscheiden".

Die Beschwerdeführerin erhob gegen den erstgenannten (abweislichen) Bescheid vom 23. November 1990 Berufung, die mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 19. Feber 1991 (unbekämpft) als unbegründet abgewiesen wurde.

Hierauf beantragte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 13. Juni 1991 die Anrechnung dieses Zeitraumes als Ruhegenußvordienstzeit gemäß § 53 Abs. 4 PG 1965 und begründete dies (nunmehr) damit, daß die in der fraglichen Zeit durch Betreuung ihrer Tochter gewonnenen Erfahrungen für ihre nunmehrige dienstliche Verwendung - sie sei seit ihrem Dienstantritt im Landesarbeitsamt XY als Frauenreferentin tätig - von wesentlicher Bedeutung seien (wurde eingehend näher ausgeführt).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - auf die die Entscheidungspflicht infolge Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG übergegangen war - diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 1 Abs. 1 DVG 1984 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dies wurde zusammenfassend damit begründet, daß die Rechtskraft der im vorangegangenen Verfahren ergangenen Bescheide die nachträgliche Anrechnung von Ruhegenußvordienstzeiten "grundsätzlich" ausschließe. Eine Änderung der Rechtslage sei nicht eingetreten. Der maßgebende Sachverhalt, der sowohl jenen Bescheiden als auch dem nun verfahrensgegenständlichen Antrag vom 13. Juni 1991 zugrundeliege, beschränke sich "auf die Anrechnung von Zeiten der Selbstversicherung gemäß § 18 ASVG 1955 als Ruhegenußvordienstzeit gemäß § 53 PG 1965". Eine Änderung des Sachverhaltes sei dem Vorbringen nicht zu entnehmen. Die Rechtskraft der im vorangegangenen Verfahren ergangenen Bescheide bewirke auch, daß andere Zeiten als die im Bescheid vom 23. November 1990 genannten Zeiten nicht als Ruhegenußvordienstzeiten anzurechnen seien. Somit sei der nunmehrige Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (wurde näher ausgeführt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angeführten Bescheid in ihrem Recht verletzt, daß ihr Anbringen nicht entgegen der Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, sondern sachlich erledigt werde, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.

Die belangte Behörde hat richtig erkannt, daß entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vorliegt, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteienbegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteienbegehren im wesentlichen mit den früheren deckt (siehe dazu beispielweise die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, in E 1 ff, inbesondere E 5 zu § 68 Abs. 1 AVG wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes), nur treffen diese Voraussetzungen im Gegensatz zur Beurteilung der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht zu. Die Beschwerdeführerin hatte ihren Antrag vom 8. August 1990 - NUR (das ist im Beschwerdefall entscheidend) - auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt; dem entsprach auch der Spruch des abweislichen Bescheides vom 23. November 1990 in dem es heißt, daß dieser Antrag, mit dem die Beschwerdeführerin die Anrechnung des strittien Zeitraumes "als Ruhegenußvordienstzeit gemäß § 53 Abs. 3 lit. c" PG 1965 begehre, abgewiesen werde. Es kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde mit ihrem (abweislichen) Berufungsbescheid vom 19. Feber 1991 nur über diesen Rechtsgrund abgesprochen oder, worauf die wiedergegebenen Teile der Bescheidbegründung hindeuten, den strittigen Zeitraum auch unter anderen Gesichtspunkten geprüft hat; jedenfalls erfolgte aber keine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des § 53 Abs. 4 PG 1965. Da die Beschwerdeführerin den nun verfahrensgegenständlichen Antrag (ausschließlich) auf einen ANDEREN Rechtsgrund (§ 53 Abs. 4 PG 1965) gestützt hat, liegt diesbezüglich keine Identität der "Sache" vor. Auch kann der weitere Bescheid vom 23. November 1990, mit dem verschiedene Zeiträume teils unbedingt, teils bedingt als Ruhegenußvordienstzeiten angerechnet wurden, nicht dahin (um-)gedeutet werden, daß die Anrechnung weiterer Zeiträume damit verneint werden sollte, weil der maßgebliche Spruch dieses Bescheides für eine derartige Auslegung (mangels eines eindeutigen negativen Abspruches) keine Handhabe bietet und die Anrechnung von Ruhegenußvordienstzeiten, soweit sie verschiedene Zeiträume betrifft, eine Trennung nach mehreren Punkten im Sinne des § 59 Abs. 1 zweiter Satz AVG zuläßt (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1971, Zl. 1711/70), sodaß eine derartige Anrechnung rechtlich nicht als untrennbares Ganzes anzusehen ist.

Da die belangte Behörde dies verkannte und den Antrag rechtsirrig wegen entschiedener Sache zurückwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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