VwGH 94/10/0087

VwGH94/10/008724.10.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatpräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde von 1. A,

2. B, 3. C, 4. D, 5. E, 6. F, 7. G, 8. H und 9. I, alle vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bundesminister für Unterricht und Kunst, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, zu Recht erkannt:

Normen

AnerkennungsG 1874 §1;
AnerkennungsG 1874 §2;
AVG §56;
B-VG Art132;
B-VG Art18;
StGG Art15;
VwGG §27;
VwRallg;
AnerkennungsG 1874 §1;
AnerkennungsG 1874 §2;
AVG §56;
B-VG Art132;
B-VG Art18;
StGG Art15;
VwGG §27;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Antrag der Beschwerdeführer, bescheidmäßig festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Baha"i-Religionsgemeinschaft im Sinne des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. Nr. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften (Anerkennungsgesetz), vorlägen, wird zurückgewiesen.

Der Bundesminister für Unterricht und Kunst hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 5.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer bringen vor, sie seien Mitglieder des Nationalen Geistigen Rates der Baha"i in Österreich. Sie hätten am 31. August 1981 bei der belangten Behörde das Ansuchen um Anerkennung der Baha"i-Religion im Sinne des Anerkennungsgesetzes gestellt. Diesem Antrag sei bisher nicht entsprochen worden. Unter Hinweis auf die Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, wonach über einen Anerkennungsantrag mittels Bescheid abzusprechen sei, hätten die Beschwerdeführer am 7. September 1988 den Antrag gestellt, die Anerkennung der Baha"i-Religionsgemeinschaft im Sinne des Anerkennungsgesetzes mittels Bescheid auszusprechen bzw. das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung festzustellen. Über diese Anträge habe die belangte Behörde bisher nicht entschieden. Es werde daher beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge über die an die belangte Behörde gerichteten Anträge vom 31. August 1981 und 7. September 1988 selbst in der Sache erkennen und das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Baha"i-Religionsgemeinschaft im Sinne des Anerkennungsgesetzes feststellen.

Mit der am 24. Juni 1994 zugestellten Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes wurde der belangten Behörde aufgetragen, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Die belangte Behörde hat auf diese Aufforderung nicht reagiert. Die Zuständigkeit zur Erlassung der versäumten Erledigung ist daher auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen (§ 42 Abs. 4 VwGG), der - mangels Vorlage der Verwaltungsakten - gemäß § 38 Abs. 2 VwGG allein auf Grund der Behauptungen der Beschwerdeführer zu entscheiden hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist klarzustellen, daß das Begehren der Säumnisbeschwerde - ungeachtet der Erwähnung der nach der Sachverhaltsdarstellung inhaltlich (auch) auf die "Anerkennung der Religionsgemeinschaft" gerichteten Anträge vom 31. August 1981 und 7. September 1988 - seinem Wortlaut nach nur auf die Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen der Anerkennung der Baha"i-Religionsgemeinschaft im Sinne des Anerkennungsgesetzes gerichtet ist; nur dieses Begehren ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.

Nach der insoweit im Einklang mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. Februar 1988, VfSlg. 11624, und den Beschluß vom 25. Juli 1992, G 282/91) stehenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. den Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155, und die dort zitierte Vorjudikatur) ist die Anerkennung eines Religionsbekenntnisses als Kirche oder Religionsgesellschaft durch Rechtsverordnung auszusprechen. Im letztgenannten Beschluß ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, über den Antrag einer Religionsgemeinschaft auf Anerkennung sei bescheidmäßig abzusprechen, hingegen nicht gefolgt. In der Begründung dieses Beschlusses hat der Verwaltungsgerichtshof - unter Hinweis auf seinen Beschluß vom 27. September 1982, Slg. 10833/A - folgendes dargelegt:

"Die Entscheidung darüber, ob eine Verordnung zu erlassen ist, stellt - solange vom Gesetzgeber nichts Gegenteiliges angeordnet ist - einen wesentlichen Teil des Verordnungsrechtes dar. Den Verordnungsgeber in seiner Entscheidung darüber, ob von ihm eine Verordnung erlassen wird, an einen individuellen Verwaltungsakt zu binden, ließe sich auch mit den von der Bundesverfassung vorausgesetzen Rechtsquellentypen der Verordnung und des Bescheides und ihres Verhältnisses zueinander mit dem hiefür eingerichteten, unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzssystem sowie mit dem stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung nicht in Einklang bringen. Ebensowenig erscheint eine Auslegung des Anerkennungsgesetzes zulässig, nach der die Entscheidung über das "ob" der Erlassung der Verordnung nur für den Fall der Verneinung dem Verordnungsgeber entzogen und einem individuellen Verwaltungsakt vorzubehalten wäre. Nach Ansicht des Gerichtshofes erscheint es aber auch nicht vertretbar, daß ein und derselbe Rechtsakt "Anerkennung" sowohl in der Rechtssatzform der Verordnung als auch der des Bescheides zu ergehen hätte. Der Gerichtshof pflichtet in diesem Zusammenhang vielmehr der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Auffassung bei, daß eine in Bescheidform intendierte Anerkennung auf einen Rechtsformenmißbrauch hinausliefe (vgl. VfSlg. 11624/1988). Im übrigen würde auch ein lediglich an die Anerkennungswerber adressierter positiver Bescheid nicht eine an die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen gerichtete Anerkennung bewirken. Eine solche kann nur im Wege einer Verordnung erfolgen, deren Erlassung jedoch mit dem vorhandenen Rechtsschutzinstrumentarium nicht erzwungen werden kann. Der vom Verfassungsgerichtshof beabsichtigte Rechtsschutz der Anerkennungswerber muß somit letztlich nach der von ihm gewählten Konzeption versagen. Was den Hinweis auf Art. 13 EMRK anlangt, so ist dieser nach Auffassung des Gerichtshofes nicht stichhältig, da im Beschwerdefall die Verletzung von in der Konvention festgelegten Rechten und Freiheiten nicht zur Diskussion steht. Auf die Erlassung einer generellen Norm, sei es in der Form eines Gesetzes oder in der einer Verordnung, steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. etwa den Beschluß vom 31. März 1977, Zl. 425/77, mit weiteren Judikaturhinweisen). Auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. den bereits mehrfach genannten Beschluß vom 25. Juni 1992) ist der Verwaltungsgerichtshof nicht ermächtigt, Verordnungen zu erlassen."

Diese Auffassung hält der Gerichtshof aufrecht. Im Hinblick darauf, daß das vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidende Begehren der Beschwerdeführer nicht auf "bescheidmäßige Anerkennung", sondern auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen der Anerkennung gerichtet ist, erweist sich die Beschwerde jedoch als zulässig; denn insoweit besteht ein Rechtsanspruch der Beschwerdeführer auf bescheidmäßige Erledigung ihres unerledigt gebliebenen Begehrens, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß dieses - wie noch darzulegen sein wird - nur zurückgewiesen werden kann (vgl. z.B. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A, und das Erkenntnis vom 5. Juli 1993, Zl. 92/10/0123).

Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die begehrte Feststellung käme im Beschwerdefall nur die Erlassung eines auf allgemeinen Verfahrensgrundsätzen beruhenden Feststellungsbescheides in Betracht. Derartige Feststellungsbescheide können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit nur dann erlassen werden, wenn die Feststellung entweder im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen. Gegenstand eines derartigen Feststellungsbescheides kann grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein; darüber hinaus kann die Behörde weder über die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften noch über ihre Auslegung und über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen spruchmäßig entscheiden. Auch die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes kann nicht Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. September 1993, Zl. 92/10/457, mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die begehrte Feststellung in mehrfacher Hinsicht als unzulässig.

Ein rechtliches Interesse der Antragsteller an der begehrten Feststellung ist nicht ersichtlich; denn ein an die Anerkennungswerber gerichteter, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung feststellender Bescheid hätte weder die Wirkung der an die Allgemeinheit gerichteten Anerkennung noch könnte er eine den Verordnungsgeber bindende bzw. erzwingbare Verpflichtung zur Erlassung einer Verordnung begründen (vgl. nochmals den bereits zitierten Beschluß vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0155). In diesem Zusammenhang ist auch auf den oben bereits erörterten Umstand hinzuweisen, daß eine in Bescheidform intendierte Anerkennung einen Rechtsformenmißbrauch bedeutete; nichts anderes könnte gelten, wollte man den Verordnungsgeber an einen die gesetzlichen Voraussetzungen der Anerkennung feststellenden Bescheid binden.

Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß der vorliegende Antrag darauf gerichtet wäre, ein einer bescheidmäßigen Feststellung zugängliches "Recht oder Rechtsverhältnis" festzustellen. Daß die Behörde nicht berufen ist, über die Anwendbarkeit gesetzlicher Vorschriften, ihre Auslegung und das Vorliegen von "Anspruchs"-Voraussetzungen spruchmäßig zu entscheiden, wurde bereits dargelegt.

Die begehrte Feststellung erweist sich daher als unzulässig; der Antrag der Beschwerdeführer war zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auf § 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994; über den geltend gemachten Betrag des Schriftsatzaufwandes konnte nicht hinausgegangen werden.

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