VwGH 94/05/0111

VwGH94/05/011128.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, in der Beschwerdesache des F in M, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1993, Zl. R/1-V-91002/04, betreffend Erteilung einer Baubewilligung, den Beschluß gefaßt:

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde wird gemäß § 46 VwGG keine Folge gegeben.

Begründung

Mit Beschluß vom 8. März 1994, Zl. 94/05/0038-4, wurde die am 8. Februar 1994 zur Post gegebene Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1993 gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen, weil die sechswöchige Frist, innerhalb der gemäß § 26 VwGG die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, nicht eingehalten worden war.

Mit Schriftsatz vom 19. April 1994 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG wegen Versäumung der am 7. Februar 1994 abgelaufenen Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den angeführten Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung. Zur Begründung wurde ausgeführt, in der Kanzlei seines Rechtsanwaltes würden einlangende Poststücke, nachdem sie mit dem Eingangsstempel versehen würden, auf allfällige Fristen und Termine sofort überprüft. Diese Tätigkeit werde überwiegend von einer Kanzleiangestellten mit reicher einschlägiger Berufserfahrung durchgeführt. Diese Kanzleiangestellte sei seit Mai 1993 in der Kanzlei seines Rechtsanwaltes tätig und habe alle ihr übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Es handle sich um eine äußerst umsichtige und verläßliche Kanzleiangestellte. Diese Kanzleiangestellte habe im vorliegenden Fall anstelle des 7. Februar 1994 den 11. Februar 1994 vorgemerkt. Dieser Irrtum sei dem Rechtsanwalt erst durch Zustellung des zitierten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes bekannt geworden. In der Kanzlei des Rechtsanwaltes würden die Schriftstücke stichprobenweise daraufhin kontrolliert, ob daraus ersichtliche Termine und Fristen in dem von der Kanzlei geführten Fristenbuch richtig eingetragen worden seien. Bei derartigen Kontrollen habe es von Seiten des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers keine Beanstandungen gegeben. Das dem Rechtsanwalt zuzurechnende Versehen der Kanzleiangestellten stelle daher einen minderen Grad des Versehens im Sinne des § 46 VwGG dar.

Gemäß § 46 VwGG ist auf Antrag der Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. den Beschluß vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0437) trifft das Verschulden des Parteienvertreter die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter dürfen also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit gerichtlichen und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/085).

Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1976, Slg. Nr. 9040/A).

Wenn der Beschwerdeführer im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag darlegt, daß in der Kanzlei seines Rechtsanwaltes die sofortige Überprüfung von Fristen und Terminen eingelangter Schriftstücke von einer - wenn auch verläßlich und umsichtigen - Kanzleiangestellten vorgenommen werde, entspricht dies nicht der geschilderten, vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Vorgangsweise eines Parteienvertreters, nach der die Festsetzung der Fristen und die Anordnung ihrer Vormerkung allein in die Verantwortung des Rechtsanwaltes fällt. Bei dieser Sachlage kann daher im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, daß auf Seiten des Rechtsanwaltes nur ein minderer Grad des Versehens, das dem Beschwerdeführer zuzurechnen wäre, vorliegt.

Es war somit der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.

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