VwGH 94/05/0023

VwGH94/05/002328.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Y-Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 8. April 1993, Zl. MD-VfR-B X-26 und 27/92, betreffend Widerruf von Baubewilligungen und Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §294;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §1 Abs1;
BauO Wr §129b Abs1;
BauO Wr §4 Abs2 litC sublitc;
BauO Wr §6 Abs10;
BauO Wr §6 Abs9;
BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
GaragenG Wr 1957 §4 Abs1;
VwRallg;
ABGB §294;
AVG §59 Abs1;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §1 Abs1;
BauO Wr §129b Abs1;
BauO Wr §4 Abs2 litC sublitc;
BauO Wr §6 Abs10;
BauO Wr §6 Abs9;
BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art7 Abs1;
GaragenG Wr 1957 §4 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, hat mit Bescheid vom 14. Mai 1992 die mit den Bescheiden vom 22. Mai 1951, 27. Juni 1951, 4. September 1953,

4. Dezember 1953, 18. Jänner 1955, 6. Juni 1955, 16. März 1956, 26. September 1957, 18. Juni 1958, 4. Dezember 1978, 16. Juni 1984 und 9. Juni 1988 gemäß § 71 der Bauordnung für Wien auf jederzeit möglichen Widerruf erteilten Baubewilligungen für eine Tankstelle mit Serviceanlagen und Verwaltungsgebäude an der Front K-Straße und diverse Garagenboxen entlang der Grundgrenzen im Inneren der Liegenschaft widerrufen. Mit einem weiteren Bescheid vom 19. November 1992 hat die Magistratsabteilung 35 einen Bescheid erlassen, mit dem unter Punkt I, F.D. als Eigentümer der Liegenschaft und Eigentümer der Bauanlagen auf dieser Liegenschaft der Auftrag erteilt wurde, sämtliche auf dieser Liegenschaft befindlichen Baulichkeiten, mit Ausnahme der in Teil II dieses Bescheides näher bezeichneten Anlagen, zu entfernen. Unter Punkt II dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin von drei unterirdischen Treibstoffbehältern sowie der mit diesen Behältern in Verbindung stehenden Rohrleitungen und Zapfsäulen gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der Auftrag erteilt, diese auszubauen und zu entfernen. Hinsichtlich des Abbruchauftrages wurden zehn Auflagen vorgeschrieben.

Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen diese Bescheide hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid, soweit sie gegen den Widerruf der mit den Bescheiden vom 22. Mai 1951, vom 27. Juni 1991, vom 4. September 1953, vom 4. Dezember 1953, vom 18. Jänner 1955, vom 6. Juni 1955, vom 16. März 1956, vom 26. September 1957, vom 18. Juni 1958, vom 4. Dezember 1978 und vom 16. Juni 1984 erteilten Baubewilligungen gerichtet war, als unzulässig zurückgewiesen, soweit sie gegen den Widerruf der mit Bescheid vom 9. Juni 1988 erteilten Baubewilligung gerichtet war, wurde sie als unbegründet abgewiesen. Die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Magistrates vom 19. Oktober 1992 wurde, soweit sie sich gegen den Punkt I dieses Bescheides richtete, als unzulässig zurückgewiesen; im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid im Punkt II mit der Maßgabe bestätigt, daß die mit dem Beseitigungsauftrag verbundene Vorschreibung in Ansehung der zu Punkt II angeordneten Maßnahmen zu entfallen habe.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. November 1993, Zl. B 1015/93-14, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten insofern verletzt, als die gemäß § 71 der Bauordnung für Wien die der Rechtsvorgängerin erteilte Baubewilligung vom 9. Juni 1988 widerrufen wurde, wobei dieser Bescheid nur dem Grundeigentümer und nicht auch der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei und über diesen Bescheid infolge Formalberufung des Grundeigentümers auch eine Berufungsentscheidung ergangen sei, ohne die Beschwerdeführerin dem Verfahren zuzuziehen. Ferner dadurch, daß das Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Zustellung des Widerrufsbescheides abgewiesen und ihre dagegen eingebrachte Berufung bis heute nicht behandelt sei und ihr schließlich der Widerrufsbescheid stillschweigend nach der bereits ergangenen Berufungsentscheidung vom 27. August 1992 im Februar 1993 zugestellt worden sei und ihre nunmehr mögliche Berufung unter Hinweis auf die in der Zwischenzeit eingetretene Rechtskraft als unzulässig erklärt bzw. als unbegründet abgewiesen wurde. Weiters erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Ausübung der ihr gemäß § 71 der Bauordnung für Wien erteilten Baubewilligungen verletzt, da diesbezüglich kein echter Widerrufsgrund bestanden habe. Eine Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes allein rechtfertige nicht den Widerruf einer einmal gegebenen Baubewilligung nach § 71 BO. Schließlich erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven Recht auf Nutzung und Gebrauch der ihr erteilten Baubewilligung nach § 71 BO deshalb verletzt, weil der von der Beschwerdeführerin bekämpfte Abbruchauftrag ergangen sei, bevor alle der Rechtsvorgängerin erteilten Baubewilligungen widerrufen worden seien, der Abbruchauftrag auf dem Widerruf der gemäß § 71 BO erteilten Bewilligungen aufbaue und ohne diesen keine Rechtsgrundlage habe. Bei Fortfall des Widerrufsbescheides müsse auch der Abbruchauftrag entfallen. Sohin sei die Beschwerdeführerin auch in ihrem Recht auf Nutzung der ihr erteilten Baubewilligung, in ihrem Recht, die von ihr errichteten Anlagen nicht abbrechen zu müssen und im Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 der Wiener Bauordnung (BO) kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen des Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Die Rechtskraft einer mit einem Vorbehalt des Widerrufs ergangenen Baubewilligung bestimmt nicht nur den Inhalt, sondern auch den weiteren Verlauf des durch sie begründeten Rechtsverhältnisses (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1956, Slg. 3078, sowie des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1963, Zl. 1245/63 und 1273/63). Der Widerruf einer derartigen Baubewilligung kann nur dann rechtswidrig sein, wenn dargetan wird oder sonst hervorkommt, daß die Behörde die Verfügung des Widerrufes ohne zureichenden Grund und somit willkürlich getroffen hat.

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren war und ist sie nicht Eigentümerin der Tankstelle mit Serviceanlagen, des Verwaltungsgebäudes und diverser Garagenboxen. Diese Einrichtungen waren ihr aufgrund eines Bestandvertrages aus dem Jahre 1982, der im Verwaltungsverfahren vorgelegt wurde, bis 31. März 1994 verpachtet.

Zur Parteistellung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren betreffend den Widerruf der gemäß § 71 BO erteilten Baubewilligungen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt, daß der Widerruf rechtswirksam nur dem gegenüber ausgesprochen werden kann, der aufgrund der Baubewilligung das subjektiv-öffentliche Recht erworben hat, den Bau nach Maßgabe der genehmigten Pläne oder der Baubeschreibung auszuführen und zu benützen. Zufolge der dinglichen Wirkung der Baubewilligung geht gemäß § 129 b BO dieses Recht auf den über, der in der Folge Eigentümer der bewilligten Baulichkeit oder Anlage wird. Daraus folgerte die belangte Behörde mit Recht, daß die Beschwerdeführerin hinsichtlich jener Baulichkeiten, die ihr bloß verpachtet wurden und die auch nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in ihrem Eigentum standen, keine Rechte unmittelbar aus den Baubewilligungen ableiten konnte und ihr daher diesbezüglich keine Parteistellung im Widerrufsverfahren zukomme. Nur jene Anlagen, für die der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 9. Juni 1988 auf Widerruf die beantragte Baubewilligung für die Verlegung von neuen, unterirdischen Treibstoffbehältern, Rohrleitungen und die Errichtung von Zapfsäulen erteilt wurde, stehen im Eigentum der Beschwerdeführerin. Zutreffend hat daher die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin im Widerrufsverfahren hinsichtlich jener Baulichkeiten und Anlagen, die nicht im Eigentum der Beschwerdeführerin standen, als unzulässig zurückgewiesen. In bezug auf den Widerruf der mit Bescheid vom 9. Juni 1988 auf Widerruf bewilligten Anlagen wurde der Beschwerdeführerin der erstinstanzliche Bescheid zugestellt, sie hatte in der Berufung Gelegenheit, alle zur Vertretung ihres Rechtsstandpunktes dienenden Umstände vorzubringen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde auch inhaltlich mit den Argumenten der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt.

Die Änderung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, wonach Teile der Betriebsfläche in das öffentliche Gut zu übertragen sind und die bisherige Widmung von "Betriebsbaugebiet" in "Gemischtes Baugebiet (Geschäftsviertel)" geändert wird, ist, da infolge der geänderten Widmung gemäß § 4 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes die Errichtung einer Tankstelle im gemischten Baugebiet (Geschäftsviertel) nicht zulässig ist, ein ausreichender Grund für den Ausspruch des Widerrufes. Überdies waren die mit Baubewilligung vom 9. Juni 1988 bewilligten unterirdischen Treibstoffbehälter, Füllschächte und die Doppelzapfsäulen Bestandteile der seinerzeit mit Baubewilligungsbescheid vom 27. Juni 1951 bewilligten Tankstelle (die in der Folge abgeändert und erweitert wurde); sie können nicht losgelöst vom rechtlichen Schicksal der übrigen Anlagen betrachtet werden. Daß aber die erwähnten Baubewilligungen für die Tankstelle gegenüber dem derzeitigen Grundeigentümer und Eigentümer der Tankstelle mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 27. August 1992 rechtskräftig widerrufen wurde, geht aus der Aktenlage hervor und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, daß es noch Baubewilligungen gebe, die dem Grundeigentümer bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erteilt worden seien, die aber nicht widerrufen worden seien, vermag sie damit keine Verletzung eigener Rechte darzutun, da sie nicht Eigentümerin anderer Anlagen ist, als jener, für die ihr mit Bescheid vom 9. Juni 1988 die Baubewilligung gemäß § 71 BO erteilt wurde. Der Widerruf dieser Baubewilligung erfolgte aber, wie bereits ausgeführt, nicht willkürlich. Damit war aber die Behörde gehalten, für die aufgrund des rechtskräftigen Widerrufs der Baubewilligung nunmehr konsenslosen, bewilligungspflichtigen baulichen Anlagen einen auf § 129 Abs. 10 BO gestützten Beseitigungsauftrag zu erlassen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß die behaupteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides nicht vorliegen, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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