Normen
AVG §8;
GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §359 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §75 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
AVG §8;
GewO 1973 §356 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §359 Abs4 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §75 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §81 Abs1 idF 1988/399;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über Ansuchen der F-GmbH vom 17. Mai 1993 um gewerbebehördliche Genehmigung zahlreicher Änderungen der gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage in S beraumte die Bezirkshauptmannschaft als Gewerbebehörde erster Instanz mit Kundmachung vom 17. Mai 1993 für den 2. und 3. Juni 1993 eine mündliche Augenscheinsverhandlung an. Mit Eingabe vom 1. Juni 1993 führte der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin für diese und 95 Nachbarn (natürliche Personen) aus:
"Die Antragsteller sind im Sinne der §§ 74 Abs. 2 und 75 Abs. 2 GewO Nachbarn der verhandlungsgegenständlichen Betriebsanlage. § 75 Abs. 2 GewO definiert Nachbarn als alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Nachbarn sind sohin nicht nur jene Personen, deren Besitz unmittelbar an die Liegenschaft grenzt, auf der sich die Betriebsanlage befindet, sondern ohne Rücksicht auf die örtliche Lage alle Personen, deren nach § 74 Abs. 2 GewO geschützte Interessen durch die Betriebsanlage berührt werden. IN DEN VORANGEGANGENEN VERFAHREN II-566/43, II-1946/45, II-3097/58, II-3775/6 u.a. WAR DEN ANTRAGSTELLERN BEREITS
PARTEISTELLUNG GEWÄHRT.
Die Bezirkshauptmannschaft als Gewerbebehörde erster Instanz hat auf Grund eines Ansuchens der F-GmbH um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage sowie um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage gemäß § 356 Abs. 1 GewO eine Augenscheinsverhandlung für den 2.6.1993 an Ort und Stelle anberaumt. Die aus den Vorverfahren der Behörde bekannten Nachbarn (Antragsteller 1 - 95) sind nicht im Sinne des § 356 Abs. 1 letzter Satz GewO persönlich geladen worden. Die Behörde hat vielmehr den Umweltschutzverein Bürgerinitiative X zu Handen des Obmannes N (96. Antragsteller) vom Verhandlungstermin benachrichtigt.
DIE BEHÖRDE GEHT SOHIN OFFENBAR SELBST DAVON AUS, DAß DER
UMWELTSCHUTZVEREIN BÜRGERINITIATIVE X INTERESSEN DER
ANTRAGSTELLER 1. BIS 95. ALS NACHBARN WAHRNIMMT.
Die Antragsteller beantragen daher die Erlassung folgender
Auflagen
...
Die Antragsteller richten daher an die Bezirkshauptmannschaft K als Gewerbebehörde erster Instanz den
Antrag
den Antragstellern 1. - 95. oder dem Antragsteller zu 96. (Umweltschutzverein Bürgerinitiative X) Parteistellung im Verfahren gemäß § 356 Abs. 3 GewO zuzuerkennen und die Einwendungen zur Kenntnis zu nehmen.
...
Die Antragsteller erheben gegen die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 und 5 GewO wegen Verletzung ihnen zustehender subjektiv-öffentlicher Rechte die nachstehenden
Einwendungen
1.) Die Antragsteller sind durch den Betrieb der Anlage in ihrem subjektiven Recht auf Leben und Gesundheit schwerstens gefährdet.
2.) Die Eigentumsrechte der Antragsteller und die damit verbundenen Nutzungsrechte an den im Einflußbereich der Betriebsanlage liegenden Liegenschaften sind gefährdet.
3.) Die Antragsteller werden durch Geruch, Rauch, Staub und insbesondere durch Wasserdampf, Schwefeldioxyd und Formaldehydemissionen auf Grund des Betriebes der Anlage in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.
4.) Durch den Betrieb der Anlage werden die im Einflußbereich des Werkes gelegenen Gewässer und Wälder schwerstens geschädigt.
5.) Die bereits in den Vorverfahren dem Anlagenbetreiber erteilten Auflagen werden nicht vollständig und richtig erfüllt. Die bezügliche amtswegige Überwachung ist mangelhaft und ermöglicht es dem Anlagenbetreiber, den Dritte gefährdenden Betrieb der Anlage zum Nachteil der Antragsteller fortzusetzen."
In der mündlichen Augenscheinsverhandlung gab der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für die von ihm vetretenen "Anrainer" folgende Stellungnahme ab:
"Die Trockenabluft ist ohne dauernde Verwendung der Reinigungsanlage geeignet, die Gesundheit der Anrainer zu gefährden. Die Bildung einer optisch auffallenden Dampffahne stellt eine sogenannte sonstige Anrainerbeeinträchtigung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO dar in Form negativer Auswirkungen auf das Nachfrageverhalten von Gästen der touristischen Betriebe der Anrainer. Dem Konsenswerber wolle daher auferlegt werden, die Abluftströme bestmöglich nach dem Stand der Technik von gas- und dampfförmigen Schadstoffen zu reinigen sowie die Dampfunterdrückung dauernd nach dem Stand der Technik aufrecht zu erhalten."
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 28. September 1993 wurde die beantragte Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage gleichzeitig mit der Betriebsbewilligung für den Anlagenteil "Trockner-Abluftreinigungsanlage" erteilt. Im Spruchteil IV dieses Bescheides wurden u.a. die "Einwendungen des Rechtsanwaltes Dr. H in Vertretung der Bürgerinitiative X, soweit sie sich auf gewerberechtliche Vorschriften beziehen und ihnen durch Projektsergänzung und vorstehend aufgenommene Auflagen nicht Rechnung getragen wurde, als unbegründet abgewiesen, insoweit sie andere Rechtsbereiche betreffen bzw. sich nicht auf den Verfahrensgegenstand beziehen, als unzulässig zurückgewiesen."
Gegen diesen Bescheid erhoben die durch Rechtsanwalt Dr. H vertretenen Nachbarn und die Beschwerdeführerin sowie die F-GmbH Berufung. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1993 zog Rechtsanwalt Dr. H die Berufung hinsichtlich der von ihm vertretenen Nachbarn (natürliche Personen) zurück und hielt nur mehr die Berufung der Beschwerdeführerin aufrecht.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Jänner 1994 wurde unter Spruchteil I die Berufung der Beschwerdeführerin mangels Parteistellung gemäß § 75 Abs. 2 i. V.m. § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen diesen Spruchteil erhobene Berufung der Beschwerdeführerin ab. Nach Darstellung der maßgeblichen Gesetzeslage führte die belangte Behörde hiezu aus, eine juristische Person (z.B. ein Verein) könne durch Immissionen weder belästigt noch in ihrer Gesundheit gefährdet werden. Als subjektives öffentliches Recht, das ein Verein in gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren geltend machen könne, verbleibe nur die Gefährdung seines Eigentums und nicht des Eigentums seiner Mitglieder. Dabei sei es unerheblich, welche Zwecke der betreffende Verein verfolge. Vielmehr könnten Vereine im gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren - ebenso wie andere Nachbarn - Parteistellung nur dann erwerben, wenn sie rechtzeitig Einwendungen im Sinne des Gesetzes erheben. Eine die Parteistellung begründende Einwendung habe jedoch die Beschwerdeführerin nicht erhoben. Auch durch die Zulassung der Beschwerdeführerin als Verhandlungsteilnehmer und aus der Abweisung von Einwendungen könne eine Parteistellung nicht abgeleitet werden. Soferne in den Einwendungen ein Vertretungsverhältnis der Beschwerdeführerin hinsichtlich physischer Personen (Nachbarn) angedeutet werde, müsse darauf verwiesen werden, daß die Berufung ohne Anführung der Namen der vertretenen Nachbarn als rechtswidrig anzusehen sei und eine Vertretung physischer Personen durch eine juristische Person im Verwaltungsrecht nicht vorgesehen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht "auf Qualifikation als Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 erster Satz GewO 1994" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, mit Eingabe vom 1. September 1989 an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol sei die Bildung des Vereins "Umweltschutzverein Bürgerinitiative X" mit Sitz in S (Beschwerdeführerin) angezeigt worden. Gemäß dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 6. September 1989 sei die angezeigte Vereinsbildung nicht untersagt worden. Zweck des Vereines sei gemäß Punkt II der Statuten, die Wahrnehmung und Förderung des Umweltschutzes im allgemeinen, Mitwirkung an Feststellung und Bekanntmachung der vom Spanplattenwerk der F-GmbH in S ausgehenden umweltgefährdenden Immissionen, Mitwirkung an Auffindung und Durchführbarmachung von Maßnahmen zur Reduzierung der vom Spanplattenwerk der F-GmbH in S ausgehenden umweltgefährdenden Immissionen, Wahrnehmung der Interessen der Anrainer des Spanplattenwerks der F-GmbH in S in allen das Spanplattenwerk betreffenden Verwaltungs- , zivil- und strafrechtlichen Verfahren und Bereitstellung der hiezu erforderlichen rechtlichen Vertretung, Unterstützung gleichartiger auf dem Gebiet des Umweltschutzes tätiger Bürgerinitiativen. In den das Spanplattenwerk der F-GmbH betreffenden bisher durchgeführten gewerberechtlichen Verfahren sei der Beschwerdeführerin Parteistellung gewährt worden. Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 erster Satz GewO verlören, soweit sie sich als physische Personen am Verfahren beteiligt hätten, bei gesetzeskonformer Interpretation ihre Qualifikation als Nachbarn nicht, wenn sie als physische Personen aus dem Verfahren ausschieden und sich forthin in Form eines "zu eben diesem Zweck" errichteten Vereines weiterhin am Verfahren beteiligten. Die Zusammenfassung einer Vielzahl von Anrainern eines Gewerbebetriebes zu einer Bürgerinitiative und damit zu einer einzigen Verfahrenspartei läge im Interesse der Verfahrensökonomie durch Verringerung der Anzahl der Verhandlungsteilnehmer, der Zustellungen, der Protokollierungen und der Bescheidausfertigungen. Ein "zu eben diesem Zwecke als Bürgerinitiative errichteter Verein" habe nicht die Gefährdung des Vereinsvermögens als Einwendung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 geltend zu machen, sondern sei Träger der bezüglichen individuellen Rechte der Vereinsmitglieder als physische Anrainer.
Nach § 356 Abs. 3 GewO 1973 - in der im Hinblick auf Abs. 7 der Anlage 2 (Übergangsrecht) zur GewO 1994 anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 1993/29 - sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Gemäß § 359 Abs. 4 leg. cit. steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Diese Rechtslage gilt uneingeschränkt in einem gemäß § 81 leg. cit. durchzuführenden Verfahren über die Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage.
Eine Einwendung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder "in einer anderen Weise" auftretende Einwirkungen) abgestellt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/04/0267 und die dort zitierte Judikatur).
Die Beschwerdeführerin stützt ihre Parteistellung im gegenständlichen gewerblichen
Betriebsanlagegenehmigungsverfahren nicht auf die hier allein in Betracht kommende materiellrechtliche Bestimmung des § 75 Abs. 2 GewO 1973. Parteistellung können aber in einem solchen Verfahren nur natürliche und juristische Personen auf Grund dieser die Nachbarstellung normierenden Gesetzesbestimmung nach den hiefür maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen erlangen. Die Beschwerdeführerin vermag daher nicht die ihren Mitgliedern als Nachbarn in einem gewerblichen
Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 zustehenden Parteienrechte geltend zu machen.
Eigene subjektive öffentliche Rechte werden von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht, weshalb sie mit ihrer Beschwerde im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG. Der Zuspruch der Kosten erfolgte im begehrten Umfang.
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