VwGH 94/04/0032

VwGH94/04/003220.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der M in P, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. N in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 29. Dezember 1993, Zl. IIa-53.015/5-93, betreffend Entziehung von Gewerbeberechtigungen, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §87 Abs1 Z2 idF 1993/029;
GewO 1973 §87 Abs2 idF 1993/029;
GewO 1973 §87 Abs3;
GewO 1973 §87 Abs1 Z2 idF 1993/029;
GewO 1973 §87 Abs2 idF 1993/029;
GewO 1973 §87 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 16. März 1993, Zl. 2-3904/11, wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Maschinenstrickerhandwerks sowie des Einzelhandels mit Textilwaren im dort näher bezeichneten Standort "gemäß § 361 i.V.m. § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO" (in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993) entzogen.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Tirol mit dem nun angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG "als UNBEGRÜNDET ABGEWIESEN". In der Begründung führte die belangte Behörde aus, mit Beschlüssen je des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. März 1991,

11. Juli 1991 und 2. September 1992 seien Anträge von Gläubigern der Beschwerdeführerin auf Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Der Aufforderung der Gewerbebehörde erster Instanz mit Schreiben vom 27. Oktober 1992, zu den nach Einleitung eines Gewerbeentziehungsverfahrens durchgeführten Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen, habe die Beschwerdeführerin keine Folge geleistet. Auf Grund der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen habe festgestellt werden können, daß zum 30. April 1993 gegen die Beschwerdeführerin beim Bezirksgericht Landeck

35 Exekutionsverfahren mit einer Summe von Forderungen in der Höhe von S 431.780,56 anhängig gewesen seien. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe mit Schreiben vom 7. Mai 1993 mitgeteilt, daß auf dem Beitragskonto der Beschwerdeführerin ein Rückstand von S 78.204,40 aushafte und keine Zahlungsvereinbarungen mit der Beschwerdeführerin getroffen worden seien. Der Beschwerdeführerin sei mit Schreiben vom 13. Mai 1993 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben und diese zur Abgabe einer schriftlichen Gegenäußerung binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeladen worden. Diese Frist sei auf Grund eines Ersuchens der Beschwerdeführerin um vier Wochen verlängert worden. Mit Schreiben vom 7. September 1993 sei die Beschwerdeführerin letztmalig eingeladen worden, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Gegenäußerung abzugeben. Da innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme eingelangt sei, vielmehr die Beschwerdeführerin in einem mit "Berufung" bezeichneten Schreiben vom 22. September 1993 ausgeführt habe, daß sie im Jahre 1992 in einen Engpaß geraten sei und deshalb ihren Verpflichtungen nicht nachkommen habe können, sei davon auszugehen gewesen, daß die Beschwerdeführerin an der Ermittlung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt habe. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, daß sich die Entziehung der in Rede stehenden Gewerbe auf § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 i.V.m. § 13 Abs. 3 bis 5 leg. cit. in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 stütze. Da die Gewerbeausübung auch nicht vorwiegend im Interesse der Gläubiger liege, habe die belangte Behörde auch nicht gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. von der Entziehung absehen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem subjektiv-öffentlichen Recht auf "Nichtentziehung bzw. nicht dauernde Entziehung ihrer Gewerbeberechtigungen .... wegen Nichtvorliegens der Entziehungsvoraussetzungen bzw. wegen Vorliegens der Voraussetzungen für ein Absehen vom Entzug der Gewerbeberechtigungen sowie wegen wesentlicher Verfahrensfehler" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, auf Grund des festgestellten Sachverhaltes hätte die belangte Behörde bei richtiger Rechtsanwendung die in Rede stehenden Gewerbeberechtigungen der Beschwerdeführerin nicht für immer, sondern höchstens auf eine bestimmte Zeit entziehen dürfen. Die belangte Behörde habe sich bezüglich einer befristeten Gewerbeentziehung in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht auseinandergesetzt. Insbesonders auf Grund der vergleichsweise niedrigen Höhe des exekutiven Schuldenstandes, des Beitragsrückstandes sowie der vergleichsweise kleinen Zahl der andrängenden Gläubiger wäre eine befristete Entziehung der Gewerbeberechtigungen gerechtfertigt gewesen. Die belangte Behörde habe gegen die Verfahrensgrundsätze der Amtswegigkeit des Verfahrens und der Ermittlung der materiellen Wahrheit verstoßen. Die Mitwirkungspflicht der Partei vermöge das Prinzip der amtswegigen Wahrheitsforschung nicht zu supplieren, dies insbesondere dann nicht, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Partei im Verwaltungsverfahren Umstände releviert habe, die für die Sachverhaltsfeststellung von Bedeutung sein könnten. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung konkret ausgeführt, auf Grund welcher Umstände sie in "Schwierigkeiten zu einem Fastkonkurs" geraten sei. Trotz dieses Vorbringens habe die belangte Behörde weder bei den Steuerberatern noch dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin Erhebungen über die Schuldursachen durchgeführt und die Beschwerdeführerin auf Grund möglicher faktischer und rechtlicher Grenzen solcher Erhebungen nicht zu näherem Vorbringen und Beweisanbieten angeleitet. Eine solche Vorgangsweise wäre aber unter dem Aspekt einer weiteren Gewerbeausübung im vorwiegenden Interesse der Gläuber gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 prozessual geboten gewesen. Bei Durchführung entsprechender Beweise wäre hervorgekommen, daß es sich bei den der Konkursantragstellung zugrundeliegenden Umständen um eine vorübergehende betriebliche Notsituation gehandelt habe, welche maßgeblich durch das unsachgemäße Verhalten Dritter mitverursacht worden sei, und daß nach Überwindung des im Jahre 1992 bestandenen Liquiditätsengpasses sowohl die alten als auch die mit einer weiteren Gewerbeausübung verbundenen neuen Verbindlichkeiten in für die Gläubiger vertretbarer Weise (Ratenzahlungen, Abstattungsvereinbarungen, Moratorien etc.) abgedeckt hätten werden können. Die im Zeitpunkt der Einleitung des Entziehungsverfahrens knapp 71-jährige Beschwerdeführerin sei unbeschadet der aktenkundigen Exekutionsverfahren in Administrativangelegenheiten im allgemeinen sowie in Gewerbeentziehungssachen im besonderen "unbewandert". Ausgehend von diesem evidenten Unverständnis der Beschwerdeführerin in verfahrensrechtlichen Belangen wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin verstärkt und eingehend im Sinne des § 13a AVG zu belehren. Eine solche Belehrung hätte mündlich und zwar etwa in Form einer persönlichen Vorladung der Beschwerdeführerin vor die belangte Behörde erfolgen müssen. Dies wäre umsomehr geboten gewesen, als für die belangte Behörde erkennbar gewesen sei, daß die schriftlichen Manuduktionen ihren Zweck, die Beschwerdeführerin über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu unterrichten, offenbar nicht erreicht hätten. Hätte die belangte Behörde ihrer Anleitungspflicht genügend entsprochen, wäre erwiesen worden, daß die Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigungen vorlägen.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides finden im Rahmen des gegenständlichen Gewerbeentziehungsverfahrens die Bestimmungen der GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, - wie von der belangten Behörde bereits dargelegt - Anwendung. Demnach ist gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.

Gemäß § 13 Abs. 3 leg. cit. sind Rechtsträger, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen. Gemäß § 87 Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann die Behörde die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, daß diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bietet das Beschwerdevorbringen keinen Anhaltspunkt dafür, die Annahme der belangten Behörde, es lägen die Voraussetzungen für die Gewerbeentziehung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 vor, als rechtswidrig erkennen lassen. Der auf Grund der im Verwaltungsverfahren hervorgekommenen Ermittlungsergebnisse von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt bietet - wie im angefochtenen Bescheid gestützt auf die hg. Rechtsprechung bereits ausführlich dargelegt - keinen Anhaltspunkt für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973. Im § 87 Abs. 2 GewO 1973 sind die Voraussetzungen für ein Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung hinsichtlich der angeführten Entziehungstatbestände, abgestellt auf das vorwiegende Gläubigerinteresse an der - fortgesetzten - Gewerbeausübung, abschließend geregelt. Es besteht daher bei Nichtvorliegen eines vorwiegenden Gläubigerinteresses an der Gewerbeausübung keine gesetzliche Handhabe für die Heranziehung des § 87 Abs. 3 GewO 1973 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1987, Slg. N.F. Nr. 12490/A und vom 30. März 1993, Zl. 92/04/0254). Auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen war daher nicht näher einzugehen.

Bei der Beurteilung, ob das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist, kommt es nur darauf an, daß die bestehenden Zahlungspflichten bei Fälligkeit erfüllt werden. Eine davon losgelöste Vorteils- und Nachteilsabwägung ist nicht vorzunehmen. Solange nicht die Erwartung der Zahlung bei Fälligkeit besteht, ist auch eine den Abbau von Schulden in sich schließende Unternehmensentwicklung rechtlich nicht erheblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1992, Zl. 92/04/0128). Aus welchen Gründen keine liquiden Mittel zur Abdeckung der mit der Ausübung des Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten vorhanden sind, ist keine Tatbestandsvoraussetzung für das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973. Fehlende Beweiserhebungen in dieser Richtung vermögen daher einen rechtserheblichen Verfahrensmangel nicht zu begründen. In der Beschwerde wird die Feststellung der belangten Behörde, zum 30. April 1993 hätten die aushaftenden Forderungen der andrängenden Gläubiger S 431.780,56 betragen, nicht in Zweifel gezogen. Mit dem Vorbringen, nur im Jahre 1992 habe ein Liquiditätsengpaß bestanden und bei den der Konkursantragstellung zugrundeliegenden Umständen habe es sich um eine vorübergehende betriebliche Notsituation gehandelt, entfernt sich somit die Beschwerdeführerin vom festgestellten Sachverhalt.

Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Dieser Rechtsbelehrungspflicht ist die belangte Behörde in ihrem an die Beschwerdeführerin gerichteten Schreiben vom 28. April 1993 in vorbildlicher Weise nachgekommen. Im Schreiben vom 7. September 1993 hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin "eingeladen", sich binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens mit der Behörde in Verbindung zu setzen, widrigenfalls auf Grund des vorliegenden Akteninhaltes entschieden werden müßte. Hierauf hat die Beschwerdeführerin nur dahingehend Stellung genommen, "im Jahre 1992 in einen Engpaß geraten" zu sein und sie deshalb ihre Verpflichtungen nicht erfüllen habe können. Die Beschwerdeführerin zum Zwecke der Rechtsbelehrung vorzuladen, war daher die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang nicht verhalten.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde, erübrigt sich ein Abspruch über diesen Antrag.

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