VwGH 94/02/0139

VwGH94/02/013923.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des T in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. Februar 1994, Zl. Senat-B-93-033, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §40;
FrG 1993 §41;
FrG 1993 §46;
FrG 1993 §67 Abs2;
FrPolG 1954;
VVG §10;
VVG §7;
VwGG §34 Abs1;
AVG §1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1993 §36;
FrG 1993 §40;
FrG 1993 §41;
FrG 1993 §46;
FrG 1993 §67 Abs2;
FrPolG 1954;
VVG §10;
VVG §7;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über den Beschwerdeführer - einen ungarischen Staatsangehörigen - wurde mit Bescheid vom 5. November 1993 von der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die Schubhaft verhängt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 9. November 1993 wurde über ihn ein befristetes Aufenthaltsverbot verhängt, ein Antrag auf Durchsetzungsaufschub abgewiesen und einer Berufung gegen die Verfügung des Aufenthaltsverbotes die aufschiebende Wirkung aberkannt. Sodann wurde er am 9. November 1993 über Veranlassung der letztgenannten Behörde an den Grenzübergang Nickelsdorf verbracht und um 16.20 Uhr dieses Tages nach Ungarn abgeschoben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die gegen die Abschiebung erhobene Maßnahmenbeschwerde zurückgewiesen. Dabei handle es sich nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - soweit sie sich gegen die im Gebiet des Landes Niederösterreich gesetzten Maßnahmen richtet - nicht um selbständig anfechtbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, sondern um die Vollstreckung des Bescheides betreffend Verhängung des Aufenthaltsverbotes; hinsichtlich der im Gebiet des Landes Burgenland gesetzten Maßnahmen erfolgte die Zurückweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67c Abs. 1 sind Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bei jenem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

Die Abschiebung ist gemäß § 36 Abs. 1 des Fremdengesetzes die Verhaltung eines Fremden zur Ausreise. Eine Abschiebung kann nach dieser Bestimmung erfolgen, wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder

4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Nach § 36 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen aus näher genannten Gründen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben. Nach § 36 Abs. 3 FrG ist bei der Abschiebung von Angehörigen besonders darauf zu achten, daß die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt. Gemäß § 40 FrG sind die Zurückweisung, die Transitsicherung, die Zurückschiebung, die Abschiebung und die Durchbeförderung von Fremden von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist.

1. Das Verhalten zur Ausreise beginnt am tatsächlichen Aufenthaltsort des Fremden. Dort setzt der gegen ihn gerichtete behördliche Zwang ein und setzt sich bis zum Passieren einer Grenzkontrollstelle fort. Die Abschiebung ist aber insoferne eine Einheit, als alle ihre Elemente auf den Endzweck ausgerichtet sind, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu verhalten, gleichgültig wo sich diese Einzelelemente ereignen. Sie alle gehen auf den Willen derjenigen Fremdenpolizeibehörde zurück, die die Abschiebung veranlaßt hat. Daraus folgt, daß zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nur jener unabhängige Verwaltungssenat (UVS) zuständig ist, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt. Daß in diesem Zusammenhang auch im Gebiet anderer Länder gegen den Fremden auf die Abschiebung gerichteter behördlicher Zwang wirksam wird, ist für die Zuständigkeit des UVS ohne Belang.

Dieses rechtliche Ergebnis hat auch beachtliche Aspekte der Zweckmäßigkeit für sich. Es erschiene nicht sinnvoll, daß mehrere UVS zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der auf einem einheitlichen behördlichen Willen beruhenden und nach dem oben Gesagten auch in seiner Auswirkung auf die betroffene Person eine Einheit darstellenden Maßnahme zuständig wären und insofern zu keinem unterschiedlichen Ergebnis kommen dürften, nur weil sich der gesamte Vorgang über die örtlichen Wirkungsbereiche mehrerer UVS erstreckten. Solange es - wie hier - nur um die Abschiebung selbst und nicht auch um davon losgelöste selbständige Maßnahmen, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Abschiebung im Gebiet eines anderen Landes stehen, geht, bleibt für eine Zuständigkeit eines anderen UVS kein rechtlicher Raum.

Daraus folgt, daß die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde gegen die Abschiebung bezogen auf das Gebiet des Landes Burgenland wegen örtlicher Unzuständigkeit inhaltlich rechtswidrig ist.

2. Die Abschiebung wird - neben der Zurückweisung, der Transitsicherung, der Zurückschiebung und der Durchbeförderung - im § 40 FrG als Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt bezeichnet. Dazu kommt, daß nach § 36 FrG für die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung zusätzlich zum durchsetzbaren Aufenthaltsverbot bzw. zur durchsetzbaren Ausweisung noch weitere Voraussetzungen treten müssen. Daß die in Rede stehenden durchsetzbaren Bescheide vorliegen, genügt somit noch nicht. Daß ein derartiger Bescheid vorhanden ist, ist nur eine der Voraussetzungen für die Abschiebung. Es muß daher ein Weg eröffnet sein, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung trotz Vorliegens durchsetzbarer Bescheide betreffend Aufenthaltsverbot oder Ausweisung geltend zu machen. Das Gesetz wird dem insoferne gerecht, als es die Umsetzung des Bescheides als unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt bezeichnet und damit die Möglichkeit einer Maßnahmenbeschwerde nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG in Verbindung mit § 67c AVG eröffnet (und zwar unabhängig davon, ob ein Schubhaftbescheid vorliegt oder nicht). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß unter der "unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt" im Sinne des § 40 FrG die Anwendung unmittelbaren Zwanges im Sinne des § 7 VVG zu verstehen sei. Letztere setzte als Vollstreckungsmittel die Erlassung einer Vollstreckungsverfügung (§ 10 VVG) voraus. Dies scheidet aber im gegebenen Zusammenhang aus; abgesehen davon ist auch im vorliegenden Beschwerdefall kein als Vollstreckungsverfügung zu wertender Verwaltungsakt gesetzt worden.

Die Rechtslage nach dem FrG ist in diesem Punkt anders gestaltet als die seinerzeitige nach dem Fremdenpolizeigesetz (vgl. dazu, aber auch zum Problem insgesamt, Wiederin, Aufenhaltsbeendende Maßnahmen im Fremdenpolizeirecht, Wien 1993, S. 136 ff., 149 ff.). Aus der zu diesen Gesetz ergangenen Rechtsprechung ist für die Lösung des vorliegenden Problems daher nichts zu gewinnen.

Der angefochtene Bescheid ist aus den genannten Gründen inhaltlich rechtswidrig, und zwar in Ansehung der Zurückweisung sowohl wegen sachlicher, als auch wegen örtlicher Unzuständigkeit. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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