VwGH 93/09/0458

VwGH93/09/045830.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Niederösterreich, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. November 1993, Zl. Senat-WU-93-174, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: N in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W; weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §26 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z2 litc idF 1990/450;
AVG §66 Abs4;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §26 Abs1 idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §28 Abs1 Z2 litc idF 1990/450;
AVG §66 Abs4;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Punkt a) des angefochtenen Bescheides wird wegen

Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes vom 5. Dezember 1990 wurde die im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: mP) von der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung als Strafbehörde erster Instanz am 1. Juli 1991 zur Rechtfertigung aufgefordert, weil sie es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der Firma T-Gesellschaft m.b.H. zu verantworten habe, daß Organen des Landesarbeitsamtes Niederösterreich und des Arbeitsamtes Schwechat bei einer Kontrolle am 26. November 1990 gegen 8,00 Uhr in H trotz deren Verlangen keine Auskünfte über die im Betrieb beschäftigten Ausländer erteilt und keine Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt worden seien sowie daß diesen der Zutritt zu den Betriebsstätten und Betriebsräumen nicht gewährt worden sei.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die Strafbehörde erster Instanz ein mit 22. Juli 1993 datiertes

Straferkenntnis, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Zeit: 26.11.1990 gegen 08.00 Uhr

Ort: H, I-Straße 7, Betriebsbereich der Firma

T-Ges.m.b.H.

Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "T-Ges.m.b.H."

  1. 1.) Organen des Landesarbeitsamtes NÖ und des Arbeitsamtes Schwechat auf deren Verlangen keine Auskünfte über die im Betrieb beschäftigten Ausländer erteilt und keine Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt und

  1. 2.) diesen Organen des Landesarbeitsamtes NÖ und des Arbeitsamtes Schwechat den Zutritt zu den Betriebsstätten und Betriebsräumen nicht gewährt."

Die mP habe dadurch zu 1.) eine Übertretung gemäß "§ 28/1/2/c iVm § 26/1" AuslBG und zu 2.) eine Übertretung gemäß "§ 28/1/2/d iVm § 26/2" AuslBG begangen. Über die mP wurde deshalb gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 AuslBG zu 1.) und 2.) je eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitstrafe von je 20 Tagen) verhängt. Gleichzeitig wurden die von der mP zu ersetzenden Verfahrenskosten mit S 4.000,-- bestimmt.

Über die von der mP gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung entschied der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich als Strafbehörde zweiter Instanz mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. November 1993 - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - wie folgt:

  1. "a) Gemäß § 66 Abs. 4 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, wird das erstinstanzliche Straferkenntnis, soweit es Spruchpunkt 1) betrifft, aufgehoben und gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG diesbezüglich das Verfahren eingestellt.

  1. b) Die Berufung wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2) des angefochtenen Straferkenntnisses richtet, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und diesbezüglich der Ausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

  1. c) Der Ausspruch über die gemäß § 64 VStG verhängten Kosten wird insoweit abgeändert, als diese mit S 2.000,-- bestimmt werden.

  1. d) Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß § 64 VStG

    S 4.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen zu zahlen."

Zur Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides sowie der Berufung im wesentlichen aus, aus dem Text des Schuldspruches (Spruchpunkt 1.) sei nicht ersichtlich, welche Übertretungen der mP nun konkret vorgeworfen worden seien und für welche Übertretungen welche Strafe verhängt worden sei. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. c AuslBG sei zu bestrafen, wer entgegen dem § 26 Abs. 1 den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern sowie den Trägern der Krankenversicherung auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer nicht bekanntgebe, die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte nicht erteile oder in die erforderlichen Unterlagen nicht Einsicht gewähre.

Durch die Art der Umschreibung des inkriminierten Verhaltens durch die Strafbehörde erster Instanz sei nicht konkretisiert worden, ob die Bestrafung auf Grund des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. c AuslBG erster oder zweiter Fall oder hinsichtlich beider Fälle erfolge. Nach dem Tatvorwurf seien Organen des Landesarbeitsamtes Niederösterreich und des Arbeitsamtes Schwechat über deren Verlangen keine Auskünfte über die im Betrieb beschäftigten Ausländer erteilt worden, ohne - wie dies nach dem gesetzlichen Tatbestand erforderlich gewesen wäre - darzutun, welcher Art (nämlich Anzahl und Namen der Ausländer) die nicht erteilten Auskünfte gewesen seien. Hingegen wäre es für eine eindeutige Subsumtion des Sachverhaltes erforderlich gewesen, die begehrten Auskünfte im Hinblick auf das Tatbestandselement der Notwendigkeit zur Durchführung dieses Bundesgesetzes näher zu bezeichnen, um den Tatvorwurf entsprechend dem Gebot des § 44 a Z. 1 VStG hinreichend zu konkretisieren.

Ebenso entspreche der Tatvorwurf, in die erforderlichen Unterlagen keine Einsicht gewährt zu haben, in der spruchgegenständlichen Form nicht dem bezeichneten Konkretisierungsgebot, zumal es hiezu einer, entsprechend den Gegebenheiten dieses Falles zu individualisierenden Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens, beispielsweise durch Angabe, zu welchen Unterlagen die Einsichtnahme verweigert worden sei, bedurft hätte. Eine Abänderung des Bescheidspruches, zu der die Berufungsbehörde grundsätzlich berechtigt und auch verpflichtet wäre, sei nicht in Erwägung zu ziehen gewesen, weil dies nur unter der Voraussetzung des Vorliegens einer tauglichen Verfolgungshandlung zulässig wäre; eine solche liege im Beschwerdefall jedoch nicht vor, weil die Tat in der erforderlich konkretisierten Form der mP im gesamten Verfahren nicht vorgeworfen worden sei. Aus diesen Gründen sei daher der Spruchteil 1.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zu beheben und diesbezüglich das Verfahren spruchgemäß einzustellen gewesen.

Zu der der mP unter Spruchpunkt 2.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zur Last gelegten Tat habe die belangte Behörde in einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung Hofrat X und Regierungsrätin Y als Zeugen einvernommen.

Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens stehe bezüglich der im Spruchpunkt 2.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zur Last gelegten Verwaltungsübertretung - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - folgender Sachverhalt fest: Am 26. November 1990 gegen 08,00 Uhr haben sich ein Vertreter des Landesarbeitsamtes Niederösterreich (Hofrat X) und eine Vertreterin des Arbeitsamtes Schwechat (Regierungsrat Y) zur Firma T-Gesellschaft m.b.H. in H, I-Straße 7, begeben, um dort eine Kontrolle betreffend die Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG durchzuführen. Die mP sei, weil sie sich nicht in der Firma aufgehalten habe, von der Bediensteten S telefonisch kontaktiert worden. Die mP habe sodann - von Hofrat X über die Rechtsfolgen der Verweigerung belehrt - angegeben, keine Auskünfte zu erteilen; gleichzeitig habe die mP die beiden Organwalter angewiesen, die Firma binnen fünf Minuten zu verlassen. Nachdem nach Auskunft der Bediensteten S keine weitere Person mit entsprechender Befugnis anwesend gewesen sei und auch diese Bedienstete selbst in Befolgung einer Weisung der mP weitere Fragen nicht beantwortet habe, sei die Amtshandlung abgebrochen worden.

Dieser Sachverhalt sei auf Grund der übereinstimmenden Aussagen der beiden Zeugen X und Y als erwiesen anzusehen und von der mP auch nicht bestritten worden. Das ursprünglich auf Bestreitung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes gerichtete Berufungsvorbringen sei in der Berufungsverhandlung insofern relativiert worden, als sich dieses Vorbringen nur auf die rechtliche Subsumtion des Sachverhaltes zu beziehen habe, wonach die seitens der mP oder der Bediensteten S gesetzten Handlungen keinem "Nichtgewähren" im Sinne der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gleichkämen.

Wenn die mP nun ausführe, mit dem Nichtgewähren des Betretens iSd § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d AuslBG könne wohl keinesfalls die schlichte Verweigerung der Erlaubnis durch den Arbeitgeber gemeint sein, vielmehr sei diesem Tatbild nur ein tatsächliches Behinderungsverhalten zu unterstellen, so sei dem entgegenzuhalten, daß durch das von der mP gesetzte Verhalten, nämlich die Aufforderung, das Betriebsgelände binnen fünf Minuten zu verlassen, sowie durch das ihrer Sphäre zuzurechnende Verhalten ihrer Bediensteten, nämlich die Erklärung, keinen Zutritt zu gewähren, den Kontrollorganen jede weitere Erhebung bzw. Überprüfung im Betrieb unmöglich gemacht worden sei. Wie der Verwaltungsgerichtshof zum Behinderungsverhalten iSd § 18 Abs. 1 ArbIG 1974 wiederholt ausgesprochen habe, müsse eine Behinderung im Sinne dieser Gesetzesstelle auch dann angenommen werden, wenn ein Organ des Arbeitsinspektorates vor Beendigung seiner Revisionstätigkeit vom Arbeitgeber oder dessen Bevollmächtigten aufgefordert werde, die Betriebsstätte zu verlassen und sich dieser Anordnung füge; durch ein solches Verhalten des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten werde dem Arbeitsinspektionsorgan jede weitere Erhebung bzw. Überprüfung unmöglich gemacht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juni 1990, Zl. 90/19/0180, und vom 22. März 1991, Zl. 90/19/0257). Wenn nun eine Anordnung, die Betriebsstätte zu verlassen, sogar als Behinderungsverhalten iSd § 18 Abs. 1 ArbIG 1974, dessen Wortlaut positiv formuliert sei und ein "Behindern" vorsehe, zu qualifizieren sei, so sei folglich ein solches Verhalten jedenfalls dem in der entsprechenden Bestimmung des AuslBG negativ formulierten "Nichtgewähren" zu unterstellen. Die mP habe sich daher einer Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d AuslBG schuldig gemacht und sei daher nach dieser Gesetzesstelle zu bestrafen. Die belangte Behörde begründete abschließend noch näher die Strafbemessung.

Nur gegen den Spruchpunkt a) dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde (§ 28 a AuslBG), in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde und die mP haben zur Beschwerde Gegenschriften mit dem Antrag erstattet, dieselbe als unbegründet abzuweisen.

Über die von der mP gegen die Spruchpunkte b), c), d) dieses Bescheides erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/09/0491, entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 26 Abs. 1 AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 sind die Arbeitgeber verpflichtet, den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern sowie den Trägern der Krankenversicherung auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Die Arbeitgeber und die Ausländer sind auf Verlangen verpflichtet, den vorerwähnten Behörden und den Trägern der Krankenversicherung die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren.

Nach § 26 Abs. 2 AuslBG sind die im Abs. 1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstellen, die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer sowie bei begründetem Verdacht nicht ortsüblicher Unterbringung auch die vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern beigestellten Wohnräume und Unterkünfte zu betreten.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 AuslBG in der genannten Fassung eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer

....

  1. c) entgegen dem § 26 Abs. 1 den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern sowie den Trägern der Krankenversicherung auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer nicht bekanntgibt, die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte nicht erteilt oder in die erforderlichen Unterlagen nicht Einsicht gewährt,
  2. d) entgegen dem § 26 Abs. 2 den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern sowie den Trägern der Krankenversicherung den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen, Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer, den vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern beigestellten Wohnräumen oder Unterkünften nicht gewährt,

    ...

    ...

    mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis zu S 30.000,--.

Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind gemäß § 22 Abs. 1 VStG die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Der mP ist im Spruchpunkt 1.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zur Last gelegt worden, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma T-Gesellschaft m.b.H. "Organen des Landesarbeitsamtes NÖ und des Arbeitsamtes Schwechat auf deren Verlangen keine Auskünfte über die im Betrieb beschäftigten Ausländer erteilt und keine Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt" zu haben, wobei sie hiedurch "eine Übertretung gemäß § 28/1/2/c iVm § 26/1" AuslBG begangen habe. Über die mitbeteiligte Partei wurde deshalb eine Strafe von S 20.000,-- verhängt. Die oben wiedergegebene Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. c AuslBG enthält drei verschiedene Straftatbestände. Es trifft nun zu, daß die Umschreibung des Tatvorwurfes mit "... keine Auskünfte über die im Betrieb beschäftigten Ausländer erteilt ..." im ersten Teil des Spruchpunktes 1.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses unvollständig gewesen ist, weil danach jedenfalls eine Zuordnung dieses Tatverhaltens zu jedem der beiden erstgenannten Tatbestände des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. c AuslBG möglich gewesen ist. Die belangte Behörde hat indes die Rechtslage insofern verkannt, als sie davon ausging, dieser Mangel des erstinstanzlichen Spruches hätte im Berufungsverfahren nicht mehr korrigiert werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0294, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist die Berufungsbehörde, wenn der Abspruch der ersten Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, dies in ihrem Abspruch richtigzustellen. Naturgemäß ist die Berufungsbehörde dabei auf die "Sache" des bei ihr anhängigen Verfahrens - im Beschwerdefall war das die der mP im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegte TAT (nicht aber deren rechtliche Beurteilung) - beschränkt. Die belangte Behörde war daher im Beschwerdefall nicht daran gehindert, die (der mP im ersten Teil des Spruchpunktes 1. des Straferkenntnisses zur Last gelegte) Straftat auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahmen der Behörde erster Instanz näher (konkreter) zu umschreiben und gegebenenfalls auch abweichend von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz rechtlich zu würdigen.

§ 44 a Z. 1 VStG bestimmt, daß der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat. Das heißt, daß die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen Gesichtspunkten ist bei jedem Einzelfall zu prüfen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat dem § 44 a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt (vgl. dazu die Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, VwSlg. 11.894/A).

Im Beschwerdefall ist der mP im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (unter Punkt 1. zweiter Teil) vorgeworfen worden, als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Ges.m.b.H. zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort Organen des Landesarbeitsamtes Niederösterreich und des Arbeitsamtes Schwechat auf deren Verlangen "keine Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt" zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die von der beschwerdeführenden Partei in der Beschwerde vertretene Auffassung, daß damit die Tat ausreichend individualisiert wurde; bei dieser Formulierung erscheint es ausgeschlossen, daß die mP wegen "desselben Verhaltens", also wegen der Verweigerung der Einsichtgewährung in die erforderlichen Unterlagen am 26. November 1990 gegen 8 Uhr in H, neuerlich zur Verantwortung gezogen werden könnte. Die mP hat zudem im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht behauptet, daß den eingeschrittenen Organwaltern - von der auf dem Betriebsgelände anwesenden Bediensteten S - Einsicht in die gewünschten - zur Durchführung des AuslBG erforderlichen - Unterlagen (auch nicht in einzelne konkret bezeichnete Unterlagen) gewährt worden wäre.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung, u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgesehene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0147, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Diesen Voraussetzungen hat entgegen der Auffassung der belangten Behörde die im Beschwerdefall unbestritten innerhalb offener Verjährungsfrist von der Strafbehörde erster Instanz an die mP gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung entsprochen. Mit ihr wurde nämlich die Prüfung eines gegen eine bestimmte Person (die mP) wegen einer bestimmten Tat (u.a. Verweigerung der Auskunftserteilung über die im Betrieb beschäftigten Ausländer und Verweigerung der Einsichtgewährung in die erforderlichen Unterlagen) bestehenden Verdachtes eingeleitet. Es wäre an der mP gelegen gewesen, diesen Verdacht auf geeignete Weise zu entkräften. Da die einer Bestrafung nach dem AuslBG zugrunde liegenden Sachverhaltselemente somit bereits in der der mP innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung enthalten waren, ist es auch nicht zum Eintritt der Verjährung gekommen.

Da die Aufhebung des Spruchpunktes 1.) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses durch die belangte Behörde somit der Rechtslage nicht entsprach, war der angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte