VwGH 93/09/0413

VwGH93/09/041323.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 20. Juli 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 idF 1991/684;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 16. September 1992 beim Arbeitsamt Bau-Holz den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den slowakischen Staatsbürger P.M. als Anlernling in ihrem Gerüstservicebetrieb.

Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit seinem Bescheid vom 2. Oktober 1992 gemäß § 4 Abs. 6 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Begründend führte das Arbeitsamt aus, aufgrund "der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens" sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Bauhelfer Arbeitssuchende vorgemerkt seien und für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, sie habe ständig einen Vermittlungsauftrag beim Arbeitsamt vorgemerkt. Die ihr vermittelten Personen seien aber nicht bereit, ein Dienstverhältnis einzugehen, und würden offenbar lieber weiterhin Arbeitslosengeld beziehen. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) müsse so ausgelegt werden, daß zu vermittelnde Personen, die nicht wirklich bereit seien, einer Beschäftigung nachzugehen, gegenüber arbeitsbereiten Ausländern nachrangig seien. P.M. sei bereit und willens, ab sofort seine Tätigkeit aufzunehmen.

Dieser Berufung gab die belangte Behörde ohne weitere aktenkundige Verfahrensschritte mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Juli 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge. Dazu führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen aus, für das Kalenderjahr 1992 sei die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991, festgesetzte Landeshöchstzahl für Wien seit Beginn dieses Jahres weit überschritten. Es seien daher die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG zu prüfen. Werde ein Ausländer mit geringerem Integrationsgrad als gemäß § 4b AuslBG beantragt, sei zu prüfen, ob vorrangige Arbeitskräfte in der dort normierten Reihenfolge zur Verfügung stünden. Die Beschwerdeführerin habe P.M. für eine unqualifizierte Tätigkeit (Gerüsteranlernling) beantragt, der Vermittlungsausschuß habe der Beschäftigungsbewilligung nicht zugestimmt. Die Beschwerdeführerin habe zwar vorgebracht, es habe bei bisherigen Zuweisungen von Ersatzkräften Schwierigkeiten gegeben, sie habe aber auch in einer - in den vorgelegten Akten nicht enthaltenen - Stellungnahme vom 18. Februar 1993 bekannt gegeben, daß eine zugewiesene Person zur Arbeitsaufnahme bereit gewesen wäre, aber eine bessere als die von der Beschwerdeführerin gebotene Bezahlung verlangt habe. Diese Forderung eines Arbeitnehmers sei nicht als ungerechtfertigt zu bezeichnen; gerade der zu beobachtende Prozeß der Unterwanderung des Lohnniveaus durch billigere ausländische Arbeitskräfte könne nicht im öffentlichen Interesse liegen. Es seien daher schon die Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 1 AuslBG nicht gegeben. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden, die einen besonders wichtigen Grund gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung darstellen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für P.M. verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.

Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.

Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

  1. 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
    1. a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
    2. b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
    3. c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
    4. d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
  1. 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
  2. 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

    Auf Grund dieser Rechtslage besteht gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG im Falle der Überschreitung der Landeshöchstzahlen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG und § 4 Abs. 3 leg. cit. und § 4 Abs. 6 Z. 1 oder Z. 2 oder Z. 3 oder Z. 4 leg. cit. vorliegen.

    Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat mit der auf Grund des Zeitpunktes der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Juli 1993) anzuwendenden Verordnung, BGBl. Nr. 738/1992, die Landeshöchstzahl für die Beschäftigung von Ausländern für das Jahr 1993 gemäß § 13a Z. 3 AuslBG festgesetzt (Landeshöchstzahlenverordnung 1993). Für das Bundesland Wien wurde gemäß § 1 dieser Verordnung zur Sicherung der Bundeshöchstzahl gemäß § 12a AuslBG die Landeshöchstzahl für das Jahr 1993 mit 97000 festgesetzt. Diese Verordnung ist nach ihrem § 2 am 1. Jänner 1993 in Kraft getreten und ist in ihrem zeitlichen Geltungsbereich mit Ablauf des 31. Dezember 1993 befristet.

    Da eine Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75, VwSlg. 9315/A), war die belangte Behörde nicht berechtigt, ihre Entscheidung auf die mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft getretene Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. November 1991, BGBl. Nr. 598/1991 (Landeshöchstzahlenverordnung 1992) zu stützen (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1993, Zl. 93/09/0022).

    Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiters davon aus, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Umstände entgegenstehen.

    Nach dieser Gesetzesstelle ist die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich

    1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und

    2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

    Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

    Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).

    Im Beschwerdefall hat die beschwerdeführende Partei nicht von vornherein die Stellung jeder Ersatzkraft abgelehnt. Den vorgelegten Akten ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführerin Ersatzkräfte zur Deckung ihres Arbeitskräftebedarfes überhaupt angeboten worden sind. Es ist daher die rechtserhebliche Frage ungeklärt geblieben, ob es überhaupt taugliche Ersatzkräfte gibt und ob deren Einstellung allenfalls aus von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Gründen unterblieben ist. Der diesbezügliche, im übrigen völlig unsubstantiierte Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides findet in den vorgelegten Akten keine Deckung, weshalb es sich erübrigt, auf die Argumentation der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe eine Ersatzkraft zu Unrecht wegen von dieser gestellter höherer Entgeltforderungen abgelehnt, in der vorliegenden Entscheidung einzugehen.

    Aus dem zu § 4 Abs. 6 AuslBG oben angeführten Grund belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid - unbeschadet der aufgezeigten Verfahrensmängel - mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

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