VwGH 93/07/0109

VwGH93/07/010913.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des S in N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8. Juli 1993, Zl. LAS-79/91-80, betreffend Minderheitsbeschwerde (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft N, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §879;
AVG §8;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
ABGB §879;
AVG §8;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Agrargemeinschaft N Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Der Ausschuß der Agrargemeinschaft N. faßte am 17. Juli 1992 zu Punkt 3 der Tagesordnung "G.C., Haus P. - N. 298 - Nochmaliges Ansuchen um Grundverkauf beim Haus P. (Grenzabstand)" und zu Punkt 5 der Tagesordnung "S.K., A. 81 - Ansuchen um käufliche Überlassung von ca. 500 m2 Grund aus der Gp. 2009/1 im Bereich der A.-Alm" folgende Beschlüsse:

"Punkt 3

G.C., N. 298, ersucht die Agrargemeinschaft um käufliche Überlassung von zwei Teilflächen aus der Gp. 519/1 KG N. im Bereich ihres Wohnhauses, welche aufgrund von beabsichtigten baulichen Veränderungen für die Einhaltung der gesetzlichen Grenzabstände erforderlich sind.

Der Ausschuß beschließt mit Stimmenmehrheit (eine Gegenstimme) die in der vorliegenden Vermessungsurkunde des Dipl.Ing. O. vom 26.5.1992, GZl. 20384/92, gekennzeichneten Teilflächen "1" mit 23 m2 und "2" mit 244 m2, somit insgesamt 267 m2 käuflich an Frau C.G., Haus P., N. 298, zum Kaufpreis von S 820,-- je m2 abzutreten.

Voraussetzung für den Verkauf dieser Grundflächen ist die Einräumung einer grundbücherlichen Dienstbarkeit entlang der Grundgrenze zur bestehenden Straße (Gp. 3537) in einer Breite von 1,50 m zugunsten der Gemeinde N. für eine eventuelle Errichtung eines Fußgängerweges.

Diese Dienstbarkeit betrifft sowohl die zu erwerbenden Teilflächen aus Gp. 519/1 als auch eine Teilfläche aus der Gp. 519/3, welche direkt an die Straße angrenzt. Sämtliche anfallende Kosten gehen zu Lasten des Käufers."

"Punkt 5

S.K., N.A. 81, ersucht die Agrargemeinschaft um käufliche Überlassung einer Teilfläche aus der Gp. 2009/1 im Bereich der A.-Alm. Der Ausschuß beschließt mit Stimmenmehrheit (eine Gegenstimme), an K.S., N.A. 81, eine Teilfläche von 490 m2 aus dem Gp. 2009/1 im Bereich A.-Alm zum Kaufpreis von S 700,-- je m2 lastenfrei abzutreten. Die genaue Festlegung und Vermessung der Fläche erfolgt an Ort und Stelle im Beisein von K.S. und Obmann und Obmann-Stellvertreter der Agrargemeinschaft.

Voraussetzung für das Zustandekommen des Grundverkaufs ist jedoch, daß K.S. sämtliche Einsprüche, Beschwerden und Berufungen, welche er in den Berufungsinstanzen eingebracht hat und derzeit noch anhängig sind, vor Unterfertigung des Kaufvertrages schriftlich zurückzieht. Die Kosten für diesen Grundverkauf zu Lasten von K.S.".

Gegen diese Beschlüsse sowie gegen die zu Tagesordnungspunkt 1 und 2 gefaßten Beschlüsse des Ausschusses der mitbeteiligten Partei (mP) erhob der Beschwerdeführer Einspruch.

Mit Bescheid vom 28. Jänner 1993 gab das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) dem Einspruch des Beschwerdeführers zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2 Folge und hob die angefochtenen Beschlüsse auf. Die Einsprüche zu den Tagesordnungspunkten 3 und 5 wurden als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gegen jene Teile des Spruches des Bescheides der Agrarbehörde, die zu den Tagesordnungspunkten 3 und 5 ergingen, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, der Beschwerdeführer wende sich bezüglich des Tagesordnungspunktes 3 lediglich gegen die kostenlose Einräumung einer Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde N. Wie bereits die AB festgestellt habe, sei jedoch ausschließlich der beabsichtigte Verkauf einer Teilfläche im Ausmaß von insgesamt 267 m2 an C.G. Gegenstand dieses Ausschußbeschlusses. Hinsichtlich der Einräumung einer Dienstbarkeit zugunsten der Gemeinde N. sei lediglich "festgestellt" worden, "daß diese Voraussetzung für den beabsichtigten Verkauf sei." Die diesbezüglichen Einwendungen des Beschwerdeführers gingen daher ins Leere.

In der Berufung betreffend den Ausschußbeschluß zu Tagesordnungspunkt 5 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, einen derartigen Kaufantrag gar nicht gestellt zu haben. Da mit diesem Berufungsvorbringen keine Ansprüche aus der Mitgliedschaft zur mitbeteiligten Partei geltend gemacht worden seien, könne der Beschwerdeführer durch den gegenständlichen Ausschußbeschluß nicht in seinen Mitgliedschaftsrechten verletzt sein. Auch habe der Beschwerdeführer eine Verletzung derartiger Rechte nicht behauptet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete ebenso wie die mP eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs. 1 TFLG unterliegen die Agrargemeinschaften der Aufsicht der Agrarbehörde. Die Aufsicht erstreckt sich auf

a) die Einhaltung der Bestimmungen des Gesetzes und der Satzungen,

b) die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke und des sonstigen Vermögens der Agrargemeinschaft.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Agrarbehörden unter Ausschluß des Rechtsweges.

Gemäß § 12 der Satzungen der mP gehören zum Wirkungskreis des Ausschusses alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich einem anderen Organ vorbehalten sind; so unter anderem auch Grundverkäufe, die nicht das Ausmaß einer Bauparzelle erreichen. Werden bei solchen Grundkäufen von seiten der Anrainer Bedenken erhoben, obliegt die Beschlußfassung der Vollversammlung.

Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht auf Entscheidung über Streitigkeiten, die zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern entstehen", verletzt, weil die belangte Behörde "in dieser Rechtssache zur Entscheidung zuständig" und "eine Verletzung von Mitgliedschaftsrechten dadurch gegeben" gewesen sei, "daß unter anderem Bedingung für den Kauf die Zurückziehung von sämtlichen Einsprüchen, Beschwerden und Berufungen" sei, "was als sittenwidrig zu qualifizieren" sei. Zu dem unter Tagesordnungspunkt 3 dargestellten Beschluß, der noch in der Berufung bekämpft wurde, brachte der Beschwerdeführer in der Beschwerde nichts vor.

Nach der oben dargestellten Rechtslage handelt es sich beim beabsichtigten Verkauf von Teilflächen im Gesamtausmaß von ca. 500 m2 an den Beschwerdeführer (durch lastenfreie Abschreibung aus einem Grundstück der mP) um eine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit des Ausschusses der mP fällt.

Aufgrund der in § 11 Abs. 2 der Satzung den Mitgliedern eingeräumten Möglichkeit des Einspruches gegen Ausschußbeschlüsse haben die Agrarbehörden im Rahmen der ihnen im § 37 Abs. 1 TFLG übertragenen Aufsichtspflicht zu überprüfen, ob der satzungsgemäß angefochtene Beschluß ordnungsgemäß, d.h. entsprechend den Bestimmungen der Satzungen und des Gesetzes zustandegekommen ist (formeller Mangel) oder gegen das Gesetz oder die Satzungen verstößt (inhaltlicher Mangel; vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1980, Slg. N.F. 10243/A), wobei nur eine solche Satzungsverletzung oder Gesetzesverletzung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde zum Erfolg verhilft, als damit in Rechte des beschwerdeführenden Mitglieds der Agrargemeinschaft eingegriffen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 90/07/0117).

Gegen den Beschluß zu Tagesordnungspunkt 5 des Ausschusses der mP wendet der Beschwerdeführer offenbar materielle Mängel, nämlich das Fehlen eines entsprechenden Kaufantrages des Beschwerdeführers sowie Sittenwidrigkeit wegen der dargestellten, beigefügten Bedingung, ein.

Weder aus dem TFLG noch aus den Satzungen der mP kann ein subjektives öffentliches Recht des Beschwerdeführers abgeleitet werden, daß der Ausschuß der mP nur dann ein Verkaufsanbot betreffend Teilflächen eines der Grundstücke der mP beschließen darf, wenn ein entsprechender Antrag des jeweiligen (potentiellen) Käufers vorliegt.

Mit der Rüge einer "Sittenwidrigkeit" der beschlossenen rechtsgeschäftlichen Erklärung macht der Beschwerdeführer inhaltlich eine Verletzung seiner Rechte als Vertragspartner der mP, nicht aber eine solche seiner Mitgliedschaftsrechte geltend.

Entgegen der in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vertretenen Ansicht des Beschwerdeführers löst nicht jede Streitigkeit zwischen einem Mitglied und einer Agrargemeinschaft ein subjektiv-öffentliches Recht auf Entscheidung durch die Agrarbehörde gemäß § 37 Abs. 2 TFLG aus, sondern nur jene, die "aus dem Mitgliedschaftsverhältnis" entsteht. Eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zur mP wird jedoch mit dem vorliegenden Beschwerdevorbringen nicht dargetan, sodaß die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der mP betrifft die begehrte Umsatzsteuer, welche bereits in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist, sowie Stempelgebühren, weil die mP diesbezüglich von der Gebührenpflicht befreit ist.

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